Befristete Verträge von Profisportlern unzulässig

Dieses Thema im Forum "1. Bundesliga" wurde erstellt von duliga.de, 9 Juni 2015.

  1. duliga.de

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    Soeben habe ich in einer Fachzeitschrift einen interessanten Artikel gelesen, den ich nachfolgend zitiere:

    "Sind befristete Verträge von Profisportlern unzulässig?


    Arbeitsgericht Mainz, Urteil vom 19. März 2015 – 3 Ca 1197/14

    Sachverhalt:

    Der Kläger ist der ehemalige Torwart des Fußball-Bundesliga-Vereins FSV Mainz 05, der ursprünglich einen auf drei Jahre befristeten Arbeitsvertrag als Lizenzfußballspieler mit dem Verein abgeschlossen hatte. Nach Ablauf dieses befristeten Arbeitsvertrags vereinbarten Spieler und Verein die Verlängerung des Vertrags um weitere zwei Jahre. Eine darüber hinausgehende Verlängerung lehnte der Verein ab, woraufhin der Spieler vor dem Arbeitsgericht Mainz „Entfristungsklage" erhob, sich also gegen die Befristung zur Wehr setzte und auf Feststellung des Bestehens eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses klagte.

    Die Entscheidung:

    Das Arbeitsgericht Mainz entschied, dass die Befristung unwirksam sei und der Spieler trotz der abgelaufenen Befristungsabrede einen Anspruch auf Beschäftigung gegenüber dem Verein habe. Darüber hinaus wurde der Verein zur Zahlung der rückständigen Vergütung verurteilt. Entgegen der bisher sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Kommentarliteratur geäußerten Auffassung greife für Profisportler weder der Tatbestand der „Eigenart der Beschäftigung" (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG) noch eine ungeschriebene Sonderregel, nach der Arbeitsverträge auch ohne einen der im Gesetz genannten Sachgründe über die Dauer von zwei Jahren hinaus befristet werden können. Das Arbeitsgericht Mainz ist insoweit der Auffassung, dass es sich bei Profifußballern um gewöhnliche Arbeitnehmer handelt, für die auch hinsichtlich der Befristung des Arbeitsvertrags keine Besonderheiten gelten.

    Dementsprechend seien Befristungen nur dann zulässig, wenn sie sich entweder innerhalb des 2-Jahres-Zeitraums bewegen oder einer der übrigen gesetzlich vorgesehenen Befristungstatbestände (z. B. Elternzeitvertretung, Erprobung o.ä.) gegeben ist.

    Konsequenzen für die Praxis:

    Die Entscheidung hat bereits deutschlandweit Beachtung gefunden. Ihr wird vielfach das Potenzial beigemessen, den Profisport – ähnlich wie die frühere Bosmann-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs – grundlegend zu verändern. Sollten nämlich die vom FSV Mainz 05 angekündigten Rechtsmittel ebenfalls erfolglos bleiben, wird die Befristung von Arbeitsverträgen für Profisportler faktisch unmöglich und damit das Konzept des Profisports insgesamt in Frage gestellt. Vor diesem Hintergrund wird der noch weitergehende Rechtsstreit zwischen dem FSV Mainz 05 und seinem ehemaligen Torwart wahrscheinlich erst durch das Bundesarbeitsgericht entschieden werden. Die Diskussion über die Behandlung von befristeten Sportlerverträgen wird daher weiter spannend bleiben.

    Dr. Christian Bitsch,

    Rechtsanwalt, BEITEN BURKHARDT

    Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main"

    Ich bin kein Jurist, aber ich glaub man muss kein Advokat sein, um die Sprengkraft dieses Urteils zu erkennen.

    Meines Erachtens gibt es keinen Grund für das Bundesarbeitsgericht, das Urteil zu kassieren, außer man würde Fussballer nicht (mehr) als Arbeitnehmer einstufen. Eine Lösung bietet sich spontan an: Fussballer sind dann eben künftig nicht mehr Arbeitnehmer sondern Künstler mit Gastspielverträgen für mehrere Jahre oder ähnlichem und richtiger Selbständigkeit mit passender Rechtsform. Aber selbst darstellende Künstler in Ensembles, Tanzgruppen oder Chören sind soweit ich weiß Arbeitnehmer.

    Aber eins scheint mir sonnenklar: Wer jetzt noch Verträge von mehr als zwei Jahren vereinbart oder über den Zeitrahmen hinaus verlängert, begibt sich in vermintes Gelände. Wenn die Leute zwei Jahre im "Verein" sind und auf Entfristung klagen, zieht ggf. keiner der Kündigungsgründe. Ein 34 jähriger kann zwar nicht mehr so schnell laufen, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten kann er aber noch nachkommen. Im Zweifel hat der "Verein" dann Fussballrentner mit Millionengehältern am Bein.

    Vlt. gibt's hier Kenner der Materie, die dazu eine fundierte Meinung haben und die Auswirkungen besser einschätzen können.
     
  2. Raudie

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    Ist das Urteil nicht schon alt und Mainz hat Berufung eingelegt?
     
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  3. Hugues

    Hugues Landesliga

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  4. duliga.de

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    Ja sicher, vom März und noch nicht rechtskräftig, aber wie gesagt, heisst ja nicht, dass das Bundesarbeitsgericht das Urteil nicht bestätigt.

    Noch nen witzigen Kommentar gefunden:
    "Viele Experten räumen der Berufung durchaus gute Chancen ein, da das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung die Besonderheiten des Profisports nicht ausreichend berücksichtigt habe. Ob das Berufungsgericht den Sachverhalt dann tatsächlich stärker als die erste Instanz durch die Brille des Profisports betrachten wird, bleibt abzuwarten. Auch im gerichtlichen Instanzenzug gilt die alte Weisheit von Sepp Herberger: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“! Sollte das Urteil jedoch bestätigt werden, werden Profisportler wie auch Vereine gleichermaßen durch deren Folgen vor erhebliche arbeitsrechtliche Probleme gestellt."

    Kann sich auch noch Jahre hinziehen wegen LAG, BAG Entscheidungen und möglicher Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
    Aber abgewiegelt wurde auch vor dem Bosman-Urteil.

    Entscheidung kann man übrigens hier herunter laden:
    http://www.iurado.de/download.php?id=1756&t=1433860109
    Für mich als Laien liesst sich das plausibel.
     
    Zuletzt bearbeitet: 9 Juni 2015
  5. Organic

    Organic Landesliga

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    Nach meiner ganz persönlichen Rechtsauffassung ist das Urteil des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden. Auch im Profifussball gilt das allgemein anwendbare Arbeitsrecht, das für die Zulässigkeit von Befristungen besondere Voraussetzungen fordert. Entweder kann ein Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund für die Befristung maximal für die Zeitdauer von insgesamt 2 Jahren, unter Einbeziehung mehrfacher Befristungen, befristet werden, oder aber mit sachlichem Grund ohne zeitliche Beschränkung.

    Ein sachlicher Grund für die Befristung von Profifußballerverträgen ist nach meiner Meinung nicht per se gegeben. Es gab mal eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes zu befristeten Trainerverträgen, die mit einem nach einer gewissen Zeit aus sportpsychologischen Gründen eintretenden "Verschleiß" eines Trainers zugunsten der Wirksamkeit einer Sachgrundbefristung argumentiert hat. Sachgrund war danach, dass sportwissenschaftlich davon auszugehen ist, dass nach einer bestimmten Amtszeit ein Trainer auf die Mannschaft keine ausreichende Wirkung mehr hat. Auf Spieler soll die Entscheidung jedoch nicht anwendbar sein, wenn sie überhaupt noch gilt.

    Das Arbeitsgericht Mainz begründet nach meiner Meinung umfassend und schlüssig. Auch die "Üblichkeit" im Fußball, befristete Verträge abzuschliessen, führt danach nicht zu einem Sachgrund. Dies ist gut nachvollziehbar, denn ansonsten könnte eine ganze Branche plötzlich abgestimmt anfangen, nur noch befristete Verträge abzuschliessen und führt so die Branchenüblichkeit selbst herbei. Dies widerspräche dem gesetzlichen Arbeitnehmerschutzprinzip. Die Branchenüblichkeit muss sich hingegen aus der Eigenart der Arbeitsleistung der beteffenden Branche ergeben.

    Es darf somit daran gezweifelt werden, ob die Berufung Erfolg haben wird. Letztendlich ist das Ergebnis offen, wenn auch nach meiner persönlichen Einschätzung mit starker Tendenz zugunsten des Spielers.

    Gelöst werden kann das Ganze, sofern das Urteil Bestand hat und die nicht im Gesetz berücksichtigten Besonderheiten des Profisports nicht doch angewendet werden, nach meiner Meinung nur über einen Tarifvertrag, in dem die Befristungen geregelt werden. Dies setzt voraus, dass sich die Vereine ín einem Arbeitgeberverband zusammenschliessen und die Spieler in Spielergewerkschaften, die es schon gibt. Dadurch hätte man zwei tariffähige Parteien, die einen solchen Tarifvertrag herbeiführen könnten. Die darin enthaltenen Regelungen zu Befristungen wäre nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz als branchenspezifische Spezialregelungen zu beachten.

    Allerdings sollte man erstmal die Berufung und gegebenenfalls die anschliessende Revision abwarten. Und außerdem: Welcher Spieler wird denn im Ergebnis wirklich auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses klagen? Er wäre dann doch im Markt verbrannt, falls er für andere Vereine noch grundsätzlich interessant wäre. Ob die Auswirkungen des Urteils, sollte es Bestand haben, somit wirklich so erheblich sind, ist daher zumindest auf der praktischen Seite zweifelhaft.
     
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  6. Hugues

    Hugues Landesliga

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    Hat zwar nicht direkt was hiermit zu tun (oder doch?): Verträge mit (einseitigen) Optionen auf Verlängerung.
    Ich habe gelesen, dass es ein Urteil gegen die einseitige Option seitens des Vereins gibt. Ist das rechtskräftig? Und kann evt. das ausgehebelt werden?
    Eine beiderseitige Option macht mE für den Verein keinen Sinn, da ein Spieler, der nicht mehr gebraucht/erwünscht ist, durch Ziehen der Option seinen Vertrag verlängert und sich gegen den Willen seines Arbeitgebers (weiterhin) auf die Lohnliste setzt.
    Weiß da jemand mehr? Es sind ja kürzlich einige (einseitige) Optionen bei unserem Verein gezogen worden.
     
  7. Organic

    Organic Landesliga

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    @Hugues

    Das ist ein sehr umstrittenes Thema im Arbeitsrecht. Vieles hängt dabei von der konkreten Vertragsgestaltung ab, wenn man die generelle Befristungsproblematik einmal außen vor lässt. Jedenfalls sollten einseitige Verlängerungsoptionen nicht in Musterverträgen enthalten, sondern frei formuliert und individuell ausgehandelt sein. Ansonsten kann ein Spieler, der den Verein trotz vereinsseitiger Optionsausübung verlassen möchte, sich unter Umständen auf die Nichtigkeit der einseitigen Option wegen unangemessener Benachteiligung aufgrund unterschiedlicher Beendigungsrechte für ihn und den Verein berufen. Wenn allerdings das Befristungsthema für einen Spieler, der beim Verein bleiben will, obwohl die Option nicht gezogen werden soll, auf den Tisch kommt, spielt das keine Rolle mehr, weil der Vertrag dann ohnehin - jedenfalls nach Auffassung des Arbeitsgerichts Mainz - nicht enden würde, egal ob die Option gezogen würde.
     
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  8. shanghai

    shanghai 3. Liga

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    Geht das durch, wird das schlicht zu einem radikalen Gehaltsverlust bei "Nichtstars" führen, und in der Folge zu einem Zusammenbruch des DEUTSCHEN Profifußballs, denn in den meisten anderen Ländern Europas würde man diesen Richterspruch für einen schlechten Witz halten.

    Wer Fußballprofis als "normale Arbeitnehmer" einordnet, kann aber m.E.n. seinen Gerichtssaal in den letzten Jahren nicht allzu oft verlassen haben... .

    Kernfrage: Wie sollen unbefristete Verträge in einer Branche funktionieren, in der man selbst wenn man alle Beteiligten es wollten in der Regel nicht ernsthaft über das 35. Lebensjahr hinausarbeiten kann?

    Zudem:

    Komplett deregulierte Arbeitszeiten.

    Über 80% der Arbeitszeit bestehen aus Übung/Training.

    Die Tätigkeit beinhaltet die bewusste Inkaufnmahme dauerhafter körperlicher Schäden, die Art in der Fußballspieler im Zweifelsfall "fitgemacht" werden verstößt gegen alle Grundsätze der Fürsorgepflicht eines normalen Arbeitgebers.

    Es gibt so gut wir keine eindeutigen Leistungsbemessungsmöglichkeiten

    Die Verpflichtungen des "Arbeitnehmers" reichen massiv in den privaten Lebensbereich hinein.

    90% der Branche verdienen daher über der Beitragsbemessungsgrenze, bzw. ein bedeutender Teil hat nach wenigen Jahren komplett ausgesorgt.

    Minderleistung eines einzelnen Arbeitnehmers führt fast zwingend zu Zielverfehlung, wiederholte Zielverfehlung zu kapitalen Folgen, und das innerhalb von Jahresfrist.

    Das ist alles absolut nicht "normal".

    Gibt es dann neben der U23 die Ü40 (die auch für die dritte Liga gemeldet werden kann...)???

    Eine Selbständigenmodell ist nicht möglich, da ein Fußballprofi schlicht nicht mehrere Auftraggeber haben kann, d.h. es ginge nur über massivst leistungsorientierte Verträge.

    Wie soll die ordentliche Kündigung eines Fußballspielers aussehen? In der Winterpause die Papiere kriegen?
     
    Zuletzt bearbeitet: 9 Juni 2015
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  9. Franz

    Franz 3. Liga

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    Lächerlich, das wird in der nächsten Instanz gekippt.

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  10. Franz

    Franz 3. Liga

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    Muss es auch, die Folgen für den Fußball wären apokalyptisch.

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  11. shanghai

    shanghai 3. Liga

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    Erinnert mich an die Zeit meines Berufseinstieges:

    Hatte einen Uniabschluss. 95% aller Stellen richten sich aber an Fachhochschulabsolventen. Tarifgebundene Arbeitgeber hätten einem Uniabsolventen mehr zahlen müssen. Praxis war daher, dass man sich eben erstmal als FH Absolvent einstellen ließ, um sich dann weiter zu entwickeln. Das lief prächtig, bis eine desorientierte Kollegin die Idee hat, dieses zu tun, den Arbeitgeber aber postwendend auf höhere Tarifeinstufung zu verklagen. Sie bekam natürlich Recht - und 10.000de Uniabsolventen brauchten ihre Bewerbungen für eine Weile nichtmals mehr abschicken... .

    Recht bekommen und Recht haben hat eben nicht immer viel miteinander zu tun... .
     
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