Keine Ahnung, was die Leute immer wegen Real haben. Die haben mit Zidane als Trainer (für viele, so auch mich, der beste richtige Führungsspieler aller Zeiten gleich nach Franz Beckenbauer) einen historischen Cl-Dreierpack geschnürt, und dies auf absolut bemerkenswerte Art und Weise, und hier geht es nur um "Rambo" Ramos. Und das bei deutschen Fussballanhängern, bei denen sonst nichts so gern genommen wird wie knallhartes Abräumen, robuste Struktur im Spielaufbau, Unermüdlichkeit des Willens und höchste Zuspielpräzision.
Sowohl die beiden Karius-Aussetzer, als auch das frühe Ausscheiden von Salah beleuchtet für mich, welcher Klassenunterschied zwischen Real und Liverpool an diesem Abend bestanden hat, sprich mit welcher Hektik die Liverpooler letztendlich an die Sache ran gingen. Hier wurde Klopp auch die Grenze des kompromisslosen Prinzips Attacke aufgezeigt. Wäre Karius innerlich ruhiger und mehr bei sich statt bei dem Gefühl, als Aussenseiter gegen diese weltberühmte Mannschaft zu spielen, gewesen, hätte er in der ersten Szene einfach eine andere Priorität gesetzt, anstatt unter allen Umständen das Spiel schnell wieder in Gang zu bringen, nämlich einfach darauf gewartet, dass Benzema sich verzieht. Das sind so die Details, die bei einem Zidane einfach sitzen würden. Und auch mit so einem relativ unerfahrenen Torwart, glaube ich.
Genauso beim Glücksschuss von Bale, bei dem Karius einfach an alles Mögliche denkt, nur nicht daran, dass so ein abgezockter erfahrener Stürmer von der Position aus einfach mal einen Versuch auslösen kann. Wahrscheinlich beobachtet er wieder die Optionen zum schnellen Umschaltspiel, als er diese satt, aber ohne grossen Effet geschosse Pille schon fast auf den Fäusten respektive an den Händen hat. Ein Ball, den sicher jeder Zweite von uns mit beiden Händen vor der Brust fangen könnte.
Ramos an all dem die Schuld zu geben, ist irrwitzig. Sollte Karius durch die Attacke desselben nicht mehr richtig spielfähig gewesen sein, wäre es klar seine Aufgabe gewesen, es anzuzeigen. Hat damit, dass es ein rüdes Foul war, null zu tun. Aber viel damit, dass du beim Fussball so oder so was abkriegen kannst, und eben selbst drauf achten musst, ob du deiner Mannschaft noch weiter hilfst, oder Defizite bestehen, die du nicht mehr kompensieren kannst. Auch hier ist der Trainer gehalten, seinen Spielern die entsprechende Einstellung zu vermitteln. Karius wirkte nach der Attacke kein bisschen benommen, sondern beschwerte sich gleich ausführlich beim Schiri, wobei er aussah, als wäre er total bei sich.
Was mir bei Salah vor seinem Ausscheiden auffällt ist, dass es für ihn gar keinen Grund gibt, sich als schmales Hemd, zumal der zweite Madrilene schon ankommt, um mit abzusichern, in dieser Situation mit dem Kraftpaket Ramos einzulassen. Als er dann stürzt (wobei Ramos den Arm schon im Anfang der Sturzphase komplett loslässt), fehlt ihm völlig jede Körperspannung, und daraus resultiert seine Verletzung. Überambitioniert, würde ich sagen, ein typisches Problem in Klopp-Mannschaften, seitdem es welche gegeben hat. Wie immer auch: die umfängliche Verletztenliste, immer dann, wenn es drauf ankommt, die Klopp hartnäckig als reines Pech verkauft. Ich finde, dieses Endspiel war ein weiterer Beweis dafür, dass sein systemischer Ansatz zu verschleissträchtig ist, und er zum Teil falsche Prioritäten setzt, vor allem was die Exaktkeit und die Ruhe im Spielaufbau angeht. In der Hinsicht dürfte das Endspiel für ihn und die Seinen eine Lektion gewesen sein, hoffentlich hat er sich viel bei Zidane und Co. abgeschaut, und verinnerlicht auch etwas davon.
Trotz alledem war Liverpool stark in der Anfangsphase, und natürlich hätte man gern gewusst, wie das mit Salah weiter und zuende gegangen wäre. Ich bin mir allerdings sicher, dass Real auch so gewonnen hätte. Die funktionieren halt nach anderen Prinzipien, und was ich das Faszinierende daran finde, ist, dass es im Grunde um "klassische Tugenden" geht, die Zidane wiederbelebt hat. Ein fest eingespieltes Starensemble, das im Aufbauspiel kein Stück weit aus der Ruhe gerät, egal wie dicht die Gegner rankommen, die individuelle spielerische Qualität, solche Buden zu machen wie Bale, oder den Torwart so lässig mal zu irritieren wie Benzema, die absolute Exaktheit eines Kroos verbunden mit der kreativen Spiellust eines Modric und der Härte der Tackles, welche die Abräumer setzen. Das ist eine verschworene Truppe, die in sich gereift ist, und aus ihren Voraussetzungen cool das Maximale macht. Und auch wenn Ronaldo im Interview rumzickt, hat er sich im Spiel vorher ganz in den Dienst der weiterführenden Sache gestellt.
Am Ende gehört das Glück eben manchmal doch den Tüchtigen, würde ich sagen. Und dass es nicht nur eine reine Geldfrage ist, haben die bewiesen, die mit Pauken und Trompeten und Unsummen Kohle im Verlauf dieser CL-Saison baden gegangen sind. Klopps Liverpool verdient als Rookie absoluten Respekt, aber er sollte seinen Mannschaften dringend mehr Widerstandsfähigkeit und Abgebrühtheit, sprich eine höhere Reife der Spielanlage, vermitteln. In dieser, wie gesagt an sich "urdeutschen", Disziplin war das Zidane-Real dieses Jahr wiederum unschlagbar.