Ich habe das Spiel gerade erst gesehen, aufgrund des Wissens um das Ergebnis total emotionslos. Ich möchte versuchen, mal halbwegs sachlich meine Eindrücke vom Spiel wiederzugeben.
Erste Halbzeit: Ich habe zwei Teams auf Augenhöhe gesehen, MSV optisch leicht überlegen. Wiesbaden auf die Defensive konzentriert, haben kaum vorne gepresst und wir konnten oft ruhig über die IV aufbauen. Über unser Zentrum ging fast nix nach vorne, Bakir ziemlich abgemeldet. Ess gab wieder 3 gute Freistoßpositionen und mehrere Eckbälle, daraus resultierte leider kein Abschluss. Linke Seite war gut in den Zweikämpfen, gerade Pusch ist mir da bei einigen fairen Balleroberungen in der Rückwärtsbewegung aufgefallen. Bretschneider auch sehr stabil in den direkten Duellen, hatte immer noch nen Fuß dazwischen und auch verlorene Bälle zurückgeholt. Über diese Seite war aber nicht viel Tempo im Spiel. Über rechts habe ich immer wieder einen marschierenden Feltscher gesehen, allerdings ohne Ertrag. Seine Flanken fanden leider überhaupt keinen Mitspieler, generell hatten wir in den Situationen quasi keine Strafraumbesetzung. Feltschers Flanken kamen entweder zu kurz, sodass die Wehener Verteidiger klären konnten oder auf den zweiten Pfosten, wo einfach gar kein Duisburger positioniert war. Bretschneider oder Pusch sammelten diese Bälle hin und wieder noch außen ein, danach wurde das Spiel aber eher wieder beruhigt und neu aufgebaut. Ajani habe ich nur als Doppelpass-Station für Feltscher wahrgenommen. Er bot sich immer im Halbraum an, bekam den Ball von Feltscher und spielte ihm wieder in den Raum. Ajani selbst kam überhaupt nur einmal mit Tempo über die außen, da wurde es dann gleich gefährlich mit seinem Pass in den Rückraum auf den freien Ademi. Die Innenverteidiger bekamen wenig zu tun, waren aber eigentlich immer rechtzeitig zur Stelle und konnten vieles über Ablaufen und Rückpässe auf Weinkauf löschen.
Stabile erste Halbzeit, aber natürlich wurde da kein Feuer entfacht. Der MSV bemüht und mit zwei guten Chancen durch Ademi, aber insgesamt auch keine große Herausforderungen für die gegnerische Defensive. Wiesbaden abwartend und mit der ein oder anderen Umschaltaktion, aber auch nicht nah an einem Führungstor. Gerechtes 0:0 zur Pause.
Zweite Halbzeit waren wir auch direkt aktiver, schon nach wenigen Sekunden verpasst Ademi knapp die Flanke von Bretschneider. Danach weiterhin ein ähnliches Bild von den Spielanteilen. Wiesbaden abwartend, wir bemüht. Es ging jetzt aber fast nichts mehr über unsere rechte Seite. Feltscher stand viel tiefer und Ajani dafür eher breit. Wenn Ajani dann mal den Ball bekam, stand er meist mit dem Rücken zum Tor und bekam die Bälle nicht verarbeitet. Da wurden weiterhin nicht die Situationen geschaffen, die er braucht und er schaffte es auch selbst nicht, mal an einem Gegner vorbeizukommen und so Platz vor sich zu haben. Bretschneider fand ich auch bis zum Wechsel sehr zweikampfstark und mit guten Lösungen unter Druck, Pusch ebenfalls. Aber in die Tiefe kamen wir über links weiterhin nicht, Pusch zieht halt auch eher ins Zentrum. Bakir kam auch in der zweiten Halbzeit selten in gute Positionen, aber bei ihm sieht man einfach große Qualität am Ball. Er löst vieles technisch sauber und hat den Kopf oben, spielt gute Pässe. Die Innenverteidigung blieb stabil und Leo hatte bis zum 0:1 eigentlich nichts zu tun. Die Standards wurden etwas besser, so auch die Chance durch Ajani per Kopf. In der Phase hatten wir das Spiel eigentlich im Griff und dann fällt dieses dämliche 0:1. Vorher trifft Pusch den Ball nicht, nachdem wir endlich mal schnell und direkt nach vorne kamen. Und dann passiert hinten die Fehlerkette: Kwadwo lässt sich mit einer Körpertäuschung auswackeln und rutscht auch noch weg. So kann der Flankengeber ungedeckt in Position laufen, Feltscher hebt das Abseits auf. Velkov will aushelfen und rückt raus, aber keiner übernimmt dafür dessen Gegenspieler Nilsson. Der hat somit Platz und kann unbedrängt einköpfen. Gut gespielt von Wiesbaden und leider schlecht verteidigt von uns. Danach waren wir weiter bemüht auf den Ausgleich, kurz vor dem 0:2 bringt Bakir Kwadwo links offensiv in eine ganz freie Position, aber der flankt den Gegenspieler an. Flanken waren gestern generell schwach. Und statt der Möglichkeit, in der Schlussphase noch irgendwie einen reinzumurmeln, schenken wir dem Gegner dann im Gegenzug das 0:2. Velkovs Ballverlust ist tödlich und Weinkauf schätzt den Ball am Ende falsch ein und so rutscht er ihm über die Hände. Spiel gelaufen, danach war das ja auf beiden Seiten nur ein Fehlerfestival. Bakalorz hatte noch drei guten Umschaltmomente, die er alle vertändelt. Und dann verlierst du gegen biedere Wiesbadener 0:2. Aber unser Spiel war halt leider auch ziemlich bieder, wenig Überraschendes und keine Automatismen im Offensivspiel erkennbar. Defensiv weitgehend stabil, aber es reichen halt 2-3 Aussetzer, um hinten die Gegentore zu fressen.
Ich denke, der große Frust und die emotional aufgeladenen Posts hier liegen mehr an unserer Gesamtsituation und Entwicklung in den letzten Monaten als an der reinen Leistung gestern. Die Mannschaft hat schwere Wochen, die Vorbereitung war beschissen. Der Kader scheint auch leider mal wieder unrund zusammengestellt, eine Stammelf konnte sich noch nicht finden. Natürlich sind da auch immer wieder individuelle Fehler, die dann vielleicht auch am Ende den Ärger auf einzelne Spieler erklären. Aber letztlich hilft es uns nicht weiter, jetzt auf die Mannschaft draufzuhauen. In Dortmund muss dringend gepunktet werden und danach müssen auch durch normale Trainingswochen Verbesserungen in unserem Spiel erkennbar werden. Den Anspruch hat der Trainer vorgegeben und daran wird er sich auch messen lassen müssen.
Die Gesamtentwicklung zum (so wirkt es) anspruchslosen Drittligisten, das unscharfe „sportliche Konzept“, die zweifelhafte Kaderzusammenstellung und das Nichtkommunizieren von klaren sportlichen Zielen – das sind alles Kritikpunkte, die an anderer Stelle angebracht sind. Und was Grlic und Walds Nibelungentreue zu diesem betrifft, ist eigentlich alles gesagt. Nur wird da wohl so bald nichts passieren. Selbst wenn die großen Worte aus der Führungsriege vor der Saison („eine Mannschaft, mit der sich jeder Fan identifizieren kann“ bla bla bla) am Ende nur leere Versprechungen sein sollten.
Es hilft kein Pfeifen auf die Mannschaft (obwohl ich den Frust absolut nachvollziehen kann), die können wenig für das große Ganze, was im Verein falsch läuft. Den Kampf und Einsatz, die viel beschworene Leidenschaft auf dem Platz – die spreche ich keinem ab. Insofern hoffe ich darauf, dass die Mannschaft besser wird und Punkte einfährt.
Von Rufen nach einem Trainerwechsel halte ich auch (erstmal) gar nichts, auch wenn Dotchev einige Baustellen zu lösen und zu verantworten hat (mehr dazu im Dotchev-Thread). Aber auch er leidet unter den Bedingungen, das merkt man ihm auch an. Er hat die Chance verdient, mal ein paar Wochen mit dem Kader zu trainieren.