Aus dem Transfermarkt Forum von User Pittison
Als ich gestern um kurz vor 7 von der Arbeit kam, präsentierte mir meine Frau mit ernstem Gesicht einen Klaren, den ich trinken sollte. Ich dachte: Auto fratze - ernste Erkrankung - irgendwas mit den Kindern? Nicht im Traum wäre ich auf sowas gekommen. Seltsamerweise fühlte es sich für mich sofort so an, als sei eine große Last von mir gefallen. Natürlich empfinde ich Enttäuschung, Trauer und Wut auf diejenigen, die das zu verantworten haben. Auch gilt mein Mitgefühl denen, deren Arbeitsplatz nun bedroht ist. Aber als Fan ist da eben auch dieses subtile Gefühl der Befreiung.
Befreiung von dem ständigen Zittern um die Lizenz.
Befreiung von dem Bauunternehmer, der es sicherlich zu Beginn gut meinte, dessen Konstrukt aber nicht auf einen dauerhaften Aufenthalt unterhalb von Liga 1 ausgelegt war, und der (verständlich oder nicht) nicht bereit war, zu Gunsten eines finanziellen Neuanfangs unter der Leitung von SIL erhebliche Einbußen in Kauf zu nehmen.
Befreiung von der durch den Bauunterrnehmer installierten Marionette, die sich Geschäftsführer nannte, und der einzig dazu da war, die Pfründe des Bauunternehmers abzusichern.
Auch ist da eine gewisse Schadenfreude, dass die Leute, die unseren Verein so den Bach haben heruntergehen lassen, einfach mitgerissen werden. Kein Bauunternehmer mehr, keine Marionette mehr. Das hat schon was.
Wenn es ein Rechenfehler oder eine Lücke von 360.000 € war, hat die Marionette das zu verantworten - zusammen mit den Wirtschaftsprüfern. Möglicherweise lag es auch an der genannten Hellmich-Bedingung, die eine Lizenzerteilung unmöglich machte. Ich lese zudem immer von Einreichung per Mail. Im Rechts- und Wirtschaftsverkehr müssen solche Unterlagen doch immer schriftlich, d.h. mindestens per Fax, eingereicht werden. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass man so blöd war, das nur per Mail zu machen. Ein Fristversäumnis wäre natürlich genauso katastrophal. In jedem Fall aber werden der Marionette die Fäden abgeschnitten. Immerhin.
Dann ist da aber natürlich die andere, emotionale Seite. Seit 1978 gehe ich zu diesem Verein. Das erste Spiel am Bökelberg, das wir sensationell mit 3:1 durch Tore von Seliger (2) und Büssers nach Rückstand drehten und das ich mitten in der Gladbacher Nordkurve auf einer Bierkiste stehend miterlebte, werde ich nie vergessen. Auch nicht das 3:0 gegen Keegans HSV, das 6:2 gegen Kahn mit dem 5-fachen Tönnies, das 4:1 im Pokal in Uerdingen, die beiden 4:3 gegen Trier und Burghausen, das 3:1 in Dortmund, das 2:1 in Köln, die beiden Pokalendspiele, und und und ... Danke Papa, dass Du mich damals mit dem Zebra-Virus infiziert hast. Zum Glück musst Du das alles jetzt nicht mehr miterleben.
Die Frage ist nur, wie es jetzt weiter geht. Ich rechne nicht damit, dass die Entscheidung noch revidiert wird. Fristablauf wäre Fristablauf. Eine etwaige Finanzlücke könnte nachträglich nicht mehr geschlossen werden. Ebenso könnte die Hellmich-Bedingung nicht nachträglich wieder beseitigt werden, wenn es sie denn gab. In allen diesen Fällen wäre die Lizenzversagung unumstößlich. Einzige hypothetische Möglichkeit wäre im Falle einer Finanzlücke, dass sich die DFL verrechnet hat, nicht der MSV und seine Wirtschaftsprüfer. Daran kann ich aber beim besten Willen nicht glauben. Das bedeutet dann: keine Lizenz für eine der Profiligen, also höchstens vierte Liga. Da aber zudem Insolvenz angemeldet werden müsste, wird es wohl noch eine Liga tiefer gehen. Und das bedeutete, so leid mir das für uns alle tut, das vorläufige Ende.
Sicher: ich werde auch in Liga 5 noch mit meinem Sohn zu den Heimspielen gehen. Aber es wird alles natürlich nicht mehr dasselbe sein. Und der Weg nach oben, womit man unter diesen Umständen schon Liga 3 meinen muss, wäre sehr sehr weit. Aber man darf ja noch träumen. Vielleicht gibt es irgendwann eine Rückkehr in den "bezahlten Fußball" - angetrieben von einem rührigen Sponsor SIL, flankiert von KöPi und Hövelmann. Dann klopfen wir in 10-12 Jahren wieder an die Tür von Liga 2. Mit einem Zuschauerschnitt von 12.000 in der reaktivierten SIL-Arena. Mischen dann die zweite Liga fünf Jahre lang auf. Duisburg entdeckt den MSV neu. Der Schnitt steigt auf 18.000. Und im sechsten Jahr gelingt der Durchbruch in die erste Liga.
Träumen ist erlaubt - und wenn dieses Szenario eintritt und ich mit 60 Jahren vor dem ersten Heimspiel gegen den BVB gemeinsam mit 30.000 den Schal zur Hymne hochrecke, werde ich wie heute mit meinem Verein weinen - und mein Sohn wird es mir an meiner Seite gleich tun...
Das geht unter die Haut!