Daniel
Bezirksliga
[SIZE=+1]Der karibische WM-Pirat
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Von Joseph E. Wolf, Port of Spain
Mal angenommen, Franz Beckenbauer würde auf eigene Rechnung und exklusiv Tickets für alle deutschen WM-Spiele zum vierfachen Preis verkaufen. Der Aufschrei wäre gewaltig. Ähnliches ist im Land des kleinsten WM-Teilnehmers passiert - nahezu geräuschlos.
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Es ist ein Drama in drei Akten, und der Hauptdarsteller ist kein geringerer als der Vizepräsident des mächtigsten Fußballverbandes der Welt. Als sich Trinidad und Tobago am 16. November überraschend die Teilnahme an der Fußball-WM sicherte, feierten die Menschen eine Nacht lang auf den Straßen. "We goin' Germany!" hallte es durchs Land.
Tausende "Trinis" meinten damit neben der Mannschaft auch sich selbst. Über zwei Monate später haben die Fans noch kein einziges Ticket aus dem trinidadischen Kontingent gesichtet, während Jack Warner, Fifa-Vizepräsident und übermächtiger Fußballfunktionär des Landes, parallel über sein eigenes Reisebüro Tickets zu Wucherpreisen angeboten hatte.
Erster Akt - das Angebot
Kaum war Trinidad & Tobago qualifiziert, fand sich auf der offiziellen Website des Fußballverbandes ein Link zur Firma "Simpaul Travel". Das Reisebüro, dessen Inhaber Warner ist, bietet seither ein "Komplett-Paket Deutschland" an, das sich bei näherem Hingucken als Mogelpackung erweist. Stutzig macht schon der Preis. 4500 Euro pro Person für dürftige Hotelunterkunft und Tickets für die drei Spiele von Trinidad und Tobago, wohlgemerkt ohne Flugticket. Geschätzter Wert des Angebots: maximal 1000 Euro.
WM-Tickets seien, so hieß es weiter, überhaupt nur über dieses Paket zu beschaffen. Eine Ohrfeige für Tausende Fans, die Unterkunft und Tickets selbst organisieren wollen; und gewiss nicht den Fifa-Regeln entsprechend. In der größten Tageszeitung des Landes warf ein Journalist an Weihnachten entsprechende Fragen auf. Der nationale Fußballverband tauchte ab und schwieg.
Doch wer ist Jack Warner? Warner ist Präsident des mächtigen mittelamerikanischen Concacaf-Verbandes. Schlitzohr und Glückskind, Fußballförderer und Großkapitalist in einem. Concacaf stellt 35 Fifa-Mitglieder, ergo 35 Stimmen. Und Stimmen sind Macht. Macht über die Warner verfügt.
Der 62-Jährige investiert seit Jahren unverdrossen Unsummen in den lokalen Fußball. Auffallend ist auch, dass Concacaf diesmal mit 3,5 für die WM fakturiert wurde, wodurch Trinidad und Tobago sogar als Gruppenvierter seine Chance bekam und nutzte. Die Menschen auf der Straße in Trinidad verbindet eine Hassliebe mit ihm. Dank für seinen Einsatz, Staunen ob seiner Erfolge und Geschäftstüchtigkeit, Unverständnis ob seiner Raffgier.
Zweiter Akt - Hasstiraden des Präsidenten
Womit wir beim zweiten Akt wären. In einer bizarren Pressekonferenz von epischer Länge ließ Warner Anfang Januar vor allem Hasstiraden gegen den Journalisten, "diese Kreatur, diesen Lügner" los. In der Sache bestätigte er jedoch mehr die Vorwürfe als dass er sie entkräftete. Ja, "Simpaul Travel" gehöre ihm, ja, Simpaul habe einen Exklusivvertrag mit dem Fußballverband, nein, Geld verdienen sei nichts schlechtes, nein, wem das Angebot zu teuer wäre, der müsse es ja nicht annehmen, nein, die Tickets habe man nicht vom Fußballverband, der habe gar keine, sondern bei einer europäischen Agentur erworben, deren Name man nicht nennen könne.
So erfuhr die staunende Öffentlichkeit ganz nebenbei, dass der wichtigste Fußballfunktionär seit Jahren alle Reisen des nationalen Verbandes exklusiv über sein eigenes Reisebüro buchen lässt, und dass dieses Büro, nicht aber der offizielle Verband, über WM-Tickets dubioser Herkunft verfügt. Was die Konfusion weiter erhöhte: Auf der Simpaul-Website wurden kurz nach Warners Auftritt die Tickets aus dem Deutschland-Paket gestrichen - die solle man sich nun beim Fußballverband oder der Fifa selbst besorgen.
Verfügt Simpaul also über Tickets, bleibt das Ganze ein Skandal. Hat Simpaul keine, dann hätte Warner die Unwahrheit gesagt. Und wer würde schon 4000 Euro für 12 Tage nicht näher erläuterter Hotelunterkunft in Deutschland ohne Flug, Transfer - und vor allem: ohne Tickets hinlegen?
Dritter Akt - die Leidtragenden
Ende Januar befinden wir uns im dritten Akt. Nun hat sich die Regierung eingeschaltet, was in Trinidad und Tobago nicht unbedingt Gutes verheißen muss. Das Ticketkontingent Trinidads, laut nationalem Verband noch nicht verfügbar, laut Fifa seit Wochen zugewiesen, soll, so sagen alle Beteiligten, nun gerecht verteilt werden - wie, weiss aber niemand. Richard Groden, ein Mann wie ein Bär, seines Zeichens Generalsekretär des Fußballverbandes, ist das Chaos längst peinlich. Groden schiebt die Konfusion dem "unglücklichen" Vorpreschen des Reisebüros zu, ohne den Namen des Eigentümers zu nennen.
Viele Fans haben schon resigniert. 2000 bis 3000 Euro muss ein Trini ohnehin übrig haben, um sich Trip, Unterkunft und Tickets leisten zu können, aber, wie einer der Wochenendfußballer im Stadtpark der trinidadischen Hauptstadt Port-of-Spain sagt, "Jack Warner hat uns die Reise geklaut. Wir wollten mit 40 Leuten kommen, aber die Tickets bietet er nur Millionären an."
Dabei handelt es sich nicht um den ersten Fall von dubiosen Kartenmachenschaften in Trinidat. Während der Qualifikationsspiele sorgt die Ticket-Frage schon einmal für Ärger. Noch während des Spiels gegen die USA 2004 riefen erboste Fans bei einigen heimischen Radiosendern an, weil sie zwar Eintrittskarten, aber keinen Zugang zum Stadion hatten.
Die Fifa täte gut daran, sich das Ticket-Chaos in Trinidad noch einmal anzusehen. Es wäre schön, wenn am Ende außer Funktionären, Politikern und deren Familien auch ganz normale Fans aus Trinidat eine faire Chance auf ein WM-Ticket hätten.
Quelle: Spiegel.de
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Von Joseph E. Wolf, Port of Spain
Mal angenommen, Franz Beckenbauer würde auf eigene Rechnung und exklusiv Tickets für alle deutschen WM-Spiele zum vierfachen Preis verkaufen. Der Aufschrei wäre gewaltig. Ähnliches ist im Land des kleinsten WM-Teilnehmers passiert - nahezu geräuschlos.
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Es ist ein Drama in drei Akten, und der Hauptdarsteller ist kein geringerer als der Vizepräsident des mächtigsten Fußballverbandes der Welt. Als sich Trinidad und Tobago am 16. November überraschend die Teilnahme an der Fußball-WM sicherte, feierten die Menschen eine Nacht lang auf den Straßen. "We goin' Germany!" hallte es durchs Land.
Tausende "Trinis" meinten damit neben der Mannschaft auch sich selbst. Über zwei Monate später haben die Fans noch kein einziges Ticket aus dem trinidadischen Kontingent gesichtet, während Jack Warner, Fifa-Vizepräsident und übermächtiger Fußballfunktionär des Landes, parallel über sein eigenes Reisebüro Tickets zu Wucherpreisen angeboten hatte.
Erster Akt - das Angebot
Kaum war Trinidad & Tobago qualifiziert, fand sich auf der offiziellen Website des Fußballverbandes ein Link zur Firma "Simpaul Travel". Das Reisebüro, dessen Inhaber Warner ist, bietet seither ein "Komplett-Paket Deutschland" an, das sich bei näherem Hingucken als Mogelpackung erweist. Stutzig macht schon der Preis. 4500 Euro pro Person für dürftige Hotelunterkunft und Tickets für die drei Spiele von Trinidad und Tobago, wohlgemerkt ohne Flugticket. Geschätzter Wert des Angebots: maximal 1000 Euro.
WM-Tickets seien, so hieß es weiter, überhaupt nur über dieses Paket zu beschaffen. Eine Ohrfeige für Tausende Fans, die Unterkunft und Tickets selbst organisieren wollen; und gewiss nicht den Fifa-Regeln entsprechend. In der größten Tageszeitung des Landes warf ein Journalist an Weihnachten entsprechende Fragen auf. Der nationale Fußballverband tauchte ab und schwieg.
Doch wer ist Jack Warner? Warner ist Präsident des mächtigen mittelamerikanischen Concacaf-Verbandes. Schlitzohr und Glückskind, Fußballförderer und Großkapitalist in einem. Concacaf stellt 35 Fifa-Mitglieder, ergo 35 Stimmen. Und Stimmen sind Macht. Macht über die Warner verfügt.
Der 62-Jährige investiert seit Jahren unverdrossen Unsummen in den lokalen Fußball. Auffallend ist auch, dass Concacaf diesmal mit 3,5 für die WM fakturiert wurde, wodurch Trinidad und Tobago sogar als Gruppenvierter seine Chance bekam und nutzte. Die Menschen auf der Straße in Trinidad verbindet eine Hassliebe mit ihm. Dank für seinen Einsatz, Staunen ob seiner Erfolge und Geschäftstüchtigkeit, Unverständnis ob seiner Raffgier.
Zweiter Akt - Hasstiraden des Präsidenten
Womit wir beim zweiten Akt wären. In einer bizarren Pressekonferenz von epischer Länge ließ Warner Anfang Januar vor allem Hasstiraden gegen den Journalisten, "diese Kreatur, diesen Lügner" los. In der Sache bestätigte er jedoch mehr die Vorwürfe als dass er sie entkräftete. Ja, "Simpaul Travel" gehöre ihm, ja, Simpaul habe einen Exklusivvertrag mit dem Fußballverband, nein, Geld verdienen sei nichts schlechtes, nein, wem das Angebot zu teuer wäre, der müsse es ja nicht annehmen, nein, die Tickets habe man nicht vom Fußballverband, der habe gar keine, sondern bei einer europäischen Agentur erworben, deren Name man nicht nennen könne.
So erfuhr die staunende Öffentlichkeit ganz nebenbei, dass der wichtigste Fußballfunktionär seit Jahren alle Reisen des nationalen Verbandes exklusiv über sein eigenes Reisebüro buchen lässt, und dass dieses Büro, nicht aber der offizielle Verband, über WM-Tickets dubioser Herkunft verfügt. Was die Konfusion weiter erhöhte: Auf der Simpaul-Website wurden kurz nach Warners Auftritt die Tickets aus dem Deutschland-Paket gestrichen - die solle man sich nun beim Fußballverband oder der Fifa selbst besorgen.
Verfügt Simpaul also über Tickets, bleibt das Ganze ein Skandal. Hat Simpaul keine, dann hätte Warner die Unwahrheit gesagt. Und wer würde schon 4000 Euro für 12 Tage nicht näher erläuterter Hotelunterkunft in Deutschland ohne Flug, Transfer - und vor allem: ohne Tickets hinlegen?
Dritter Akt - die Leidtragenden
Ende Januar befinden wir uns im dritten Akt. Nun hat sich die Regierung eingeschaltet, was in Trinidad und Tobago nicht unbedingt Gutes verheißen muss. Das Ticketkontingent Trinidads, laut nationalem Verband noch nicht verfügbar, laut Fifa seit Wochen zugewiesen, soll, so sagen alle Beteiligten, nun gerecht verteilt werden - wie, weiss aber niemand. Richard Groden, ein Mann wie ein Bär, seines Zeichens Generalsekretär des Fußballverbandes, ist das Chaos längst peinlich. Groden schiebt die Konfusion dem "unglücklichen" Vorpreschen des Reisebüros zu, ohne den Namen des Eigentümers zu nennen.
Viele Fans haben schon resigniert. 2000 bis 3000 Euro muss ein Trini ohnehin übrig haben, um sich Trip, Unterkunft und Tickets leisten zu können, aber, wie einer der Wochenendfußballer im Stadtpark der trinidadischen Hauptstadt Port-of-Spain sagt, "Jack Warner hat uns die Reise geklaut. Wir wollten mit 40 Leuten kommen, aber die Tickets bietet er nur Millionären an."
Dabei handelt es sich nicht um den ersten Fall von dubiosen Kartenmachenschaften in Trinidat. Während der Qualifikationsspiele sorgt die Ticket-Frage schon einmal für Ärger. Noch während des Spiels gegen die USA 2004 riefen erboste Fans bei einigen heimischen Radiosendern an, weil sie zwar Eintrittskarten, aber keinen Zugang zum Stadion hatten.
Die Fifa täte gut daran, sich das Ticket-Chaos in Trinidad noch einmal anzusehen. Es wäre schön, wenn am Ende außer Funktionären, Politikern und deren Familien auch ganz normale Fans aus Trinidat eine faire Chance auf ein WM-Ticket hätten.
Quelle: Spiegel.de