Biedermann im Rampenlicht
In Frankfurt hat Trainer Funkel bewiesen, daß er auch attraktiven Fußball spielen lassen kann
von Jürgen Heide
Berlin - Wenn Friedhelm Funkel an Berlin denkt, fällt ihm zuerst ein Mai-Tag des Jahres 1985 ein. Da gewann er als Spieler mit Bayer Uerdingen gegen Bayern München das erste Berliner Pokalfinale nach dem Krieg, und Siegtorschütze Wolfgang Schäfer nahm den Pott mit ins Bett, während er seiner Frau die Badewanne als Übernachtungsmöglichkeit zuwies. Jedenfalls wird es so erzählt.
Auch der zweite Gedanke des Trainers der Frankfurter Eintracht an die Hauptstadt hat mit dem FC Bayern zu tun. Mit 1:2 verlor der von Funkel betreute MSV Duisburg 1998 gegen die Münchner. "Das ärgert mich heute noch", gibt er ehrlich zu, weil der Außenseiter durch ein Tor von Bachirou Salou geführt hatte, bevor Michael ****** den Togolesen foulte und nur Gelb statt Rot sah. Während Salou behandelt werden mußte, glichen die Bayern aus und Mario Basler erzielte in der 89. Minute das Siegtor. "Härter kann man nicht mehr bestraft werden", blickt Funkel zurück. Er weiß das alles noch genau, es muß ihn also ziemlich bewegt haben.
Heute hat er sein drittes Berlin-Erlebnis, und wieder fehlen die Bayern nicht. Woran wird er sich wohl in zehn Jahren erinnern? Vielleicht, daß er Trainer des ersten Pokalsiegers war, der nicht feiern durfte. Die Eintracht steckt im Abstiegskampf, trifft Mittwoch auf Kaiserslautern und "das ist das wichtigere Spiel". Zumal der Einzug in den Uefa-Pokal sowieso sicher ist.
Funkel dämpft also, wo er kann: "Wenn wir gewinnen, wäre das eine Überraschung, aber keine Sensation, wobei dann jeder meiner Spieler an seine Leistungsgrenze gehen müßte. Als Realist weiß ich, daß die Bayern auf allen Positionen besser besetzt sind."
Wenn seinem jungen Team dennoch der Pokalsieg gelänge, würde endlich ein Millionen-Publikum merken, daß der Fußballehrer seit zwei Jahren in Frankfurt gute Arbeit leistet. Zu viele wissen das ja noch immer nicht. Einen Titel hat der Trainer Funkel nie gewonnen, und weil der 52jährige vor seinem Engagement bei der Eintracht bis auf Köln - wo er nach dem Aufstieg 2003 nach nur zehn Spielen gefeuert wurde - mit Uerdingen, Duisburg und Rostock nur Bundesliga-Mittelmaß trainierte und aus der Not oft auf eine stabile Defensive setzte, haftet ihm bundesweit das Image des biederen Defensivstrategen an. "Fußball statt Funkel" stand einst auf Transparenten in Rostock, und in fast jedem dritten seiner 317 Bundesliga-Spiele standen seine Mannschaften auf Abstiegsplätzen. Bisher ist der achte Rang mit Duisburg 1998 seine beste Plazierung als Trainer.
In Frankfurt könnte der Rheinländer aus Neuss nun endlich einmal die Früchte seiner Aufbauarbeit ernten. Schon jetzt spielt die Eintracht attraktiven Fußball und das Stadion ist stets gut gefüllt.
"Ich fühle mich in Frankfurt total wohl und fahre jeden Tag mit Freude zur Arbeit. Die Perspektiven sind besser als bei meinen vorherigen Stationen, aber wir müssen weiter den Weg der kleinen Schritte gehen", beschwichtigt Funkel. Den hat er vor zwei Jahren begonnen. Während damals Wunschkandidat Ralf Rangnick Eintrachts Vorstandschef Heribert Bruchhagen wegen des Verlusts vieler Leistungsträger absagte, da er die Rückkehr in die Bundesliga als unrealistisch einstufte, nahm Funkel die Herausforderung an und schaffte seinen fünften Erstligaaufstieg als Trainer. Nach vier Niederlagen wurde im Herbst 2004 seine Entlassung gefordert, doch Bruchhagen stand zu ihm. "Da habe ich gemerkt: Das sind keine Lippenbekenntnisse, der vertraut dir wirklich", staunt Funkel noch immer. Das Vertrauen bringt ihn heute zum dritten Mal ins Finale von Berlin.
Artikel erschienen am Sa, 29. April 2006
http://www.welt.de/data/2006/04/29/880316.html