Frankfurt: Interview der Woche mit Friedhelm Funkel - 16.03.2006 12:43
"Das ist kein Absturz"
Die Frankfurter unter Friedhelm Funkel sind nach der Winterpause schlecht aus den Startlöchern gekommen, holten nur fünf Punkte in acht Begegnungen. Der Trainer aber gibt Ruhe als oberstes Gebot aus, sieht sein Team auf einem guten Weg.


Der Coach sieht Versäumnisse in der Chancenverwertung: Frankfurts Trainer Friedhelm Funkel.
kicker: Herr Funkel, mit nur fünf Punkten ist die Eintracht schwächste Rückrundenelf. Ihre Erklärung für den Absturz?
Friedhelm Funkel (52): Das ist kein Absturz! Wir haben in überlegen geführten Spielen unsere Chancen nicht genutzt, gegen Berlin, Hannover und Wolfsburg vier, fünf Punkte zu wenig geholt.
kicker: Was zum Absturz führte. Am 20. Spieltag war Frankfurt neun Punkte weg von einem Abstiegsplatz. Jetzt sind es nur noch zwei …
Funkel: Gut. Doch es ist eine Entwicklung, die niemand bei uns in Anbetracht eines immens schweren Startprogramms ausgeschlossen hatte. Die beiden Punkte Vorsprung werden wir nun aber mit Händen und Füßen verteidigen. Und ausbauen. In der Hinrunde hatten wir vier Zähler, waren wir vor dem Duell mit Duisburg Letzter.
kicker: Sie hatten in der Winterpause eindringlich gewarnt, sich mit 21 Punkten nicht schon in Sicherheit zu wiegen. Sind Ihre Spieler zu sorglos?
Funkel: Nein, überhaupt nicht. Wir haben lediglich versäumt, unsere Chancen besser zu nutzen. Ansonsten ist der Mannschaft nichts vorzuwerfen. Spieler, Trainer, Präsidium - alle sind darauf eingestellt, dass der Abstiegskampf bis zum 34. Spieltag dauern kann.
kicker: Frankfurt hat mit dem Heimspiel gegen Bielefeld am 11. April die Chance, ins Pokalfinale einzuziehen. Wird der Traum von Berlin zum Bumerang, weil die Konzentration für die Liga zu kurz kommt?
Funkel: Nein. Priorität hat ganz klar die Bundesliga. Darauf ist alle Konzentration ausgerichtet. Das Pokalspiel ist weit weg, interessiert derzeit nicht.
kicker: Francisco Copado ist 2006 noch ohne Ligator, Cha und Benjamin Köhler ebenso. Allein Amanatidis traf dreimal. Wird die Sturmflaute zum Verhängnis?
"Zwei Punkte mit Händen und Füßen verteidigen." Funkel: </B> Wir haben weder eine Sturmflaute, noch eine Angriffsschwäche. Das belegen sechs Tore gegen Köln oder

, drei gegen Bielefeld oder in Gladbach.
kicker: Allesamt Spiele aus der Vorrunde.
Funkel: Stimmt. Derzeit haben wir eine Durststrecke. Die ist von Zeit zu Zeit ganz normal; mit Ausnahme vielleicht bei Spitzenteams.
kicker: Sie wollten Naohiro Takahara, der nicht kam, ließen dennoch Arie van Lent ziehen. Ein Fehler, zumal nun Alternativen fehlen?
Funkel: Nein. Aries Durchsetzungsvermögen reichte nicht mehr für die 1. Liga. Auch mit ihm hatten wir in der Vorrunde die anfängliche Durststrecke.
kicker: Hätten Sie nicht energischer auf eine Angriffsalternative für die Rückrunde drängen müssen?
Funkel: Wir hatten alles versucht. Takahara kam nicht, der Brasilianer Rafael Sobis war nicht zu finanzieren, andere Stürmer genügten unseren Ansprüchen nicht. Mit Copado und Amanatidis sind wir gut gefahren. Sie haben unser Vertrauen, werden es schon bald mit Toren zurückgeben. Ich könnte Benjamin Köhler oder Jermaine Jones in die Spitze vorziehen. Dazu besteht aber noch kein Anlass.
kicker: Sie kennen derart heikle Situationen wie kein anderer Bundesligatrainer. Worauf kommt es jetzt an?
Funkel: Oberstes Gebot ist: Ruhe bewahren! Das hat die Mannschaft auch verdient, deshalb erhält sie von allen Seiten Rückendeckung.
kicker: Eintrachts Spiel erfordert einen hohen Aufwand. Ist der Kräfteverschleiß zu groß?
Funkel: Es gibt keinen Kräfteverschleiß. In der Vorrunde haben wir den gleichen Aufwand betrieben, bis zum 17. Spiel. Die Mannschaft ist körperlich, läuferisch topfit, lässt von der Aggressivität her keine Wünsche offen. Das hohe Tempo werden wir bis zum letzten Spieltag gehen.
kicker: Duelle mit Duisburg haben es in sich. In der Hinrunde gewann die Eintracht, startete vom letzten auf den zehnten Platz durch. Andererseits gab’s im Vorjahr auf der Zielgeraden im Aufstiegskampf eine Heimniederlage. Gibt es erneut den Wendepunkt?
Funkel: Es ist ein richtungweisendes Spiel. Kein Endspiel. Wir sind wieder dran mit einem Heimsieg nach viel Pech gegen Berlin, Hannover und Wolfsburg.
kicker: Ihr Mainzer Kollege Jürgen Klopp ging in der Krise ins Trainingslager. Denken auch Sie über eine solche Maßnahme nach?
Funkel: Zum richtigen Zeitpunkt ist das nicht auszuschließen. Wir waren im Vorjahr vor den Spielen in Aue, Cottbus und Duisburg dreimal im Trainingslager - dreimal folgten Siege! Bei uns wäre diese Maßnahme jetzt verfrüht.
kicker: Was werden Sie personell ändern für Samstag?
Funkel: Amanatidis ist wieder dabei, Spycher wird sein Comeback geben, wenn er fit ist. Bei Jones wäre ein Einsatz noch ein zu großes Risiko.
kicker: Zittern in Frankfurt, Mainz, Kaiserslautern. Doch nicht nur im Südwesten geht die Angst um. Wie beurteilen Sie den Abstiegskampf?
Funkel: Noch ist kein Klub so weit abgeschlagen, um zu sagen: Der hat keine Chance mehr. Bestes Beispiel ist der 1. FCK. Der war schon abgeschrieben, hat nach drei Siegen in Serie nun aber wieder alle Möglichkeiten.
Interview: Uli Gerke