ChristianMoosbr
3. Liga
Man hat schon viel schlechtere Spiele der Nationalmannschaft gesehen, dennoch spricht das 2 - 0 der Polen in Warschau eine deutliche Sprache: massenweise eigene herausgespielte Chancen, denen es aber an Klarheit und Eindeutigkeit mangelte. Statt dessen suchten die eigenen Angreifer entweder übereilt den Abschluss oder zerfaserten sich heillos im dichten Riegel der polnischen Abwehr. Hoher Druck, aber geringe Kreativität. Deren Buden hingegen das Resultat hoher individuellen Vermögens bei sonst mehr als schlichter Spielanlage. Piszczek und Lewandowski genügte jeweils eine geniale Vorbereitung, um Milik und Mila absolut tödlich für unsere Abwehr in Szene zu setzen. Miliks präziser Kopfball ist dabei ebenso Klasse wie später das Hineinlaufen von Mila in den lässigen Kurzpass Lewandowskis, aber in beiden Fällen versagt die deutsche Abwehr zuvor auf ganzer Linie vorwiegend deshalb, weil sie völlig unkonzentriert und statisch im Modus "Dienst nach Vorschrift" verbleibt. Gemeinsam mit dem wilden und vergeblichen Angerenne gegen den Kasten der Polen ergibt sich das deutliche Bild, dass es hier in allen Mannschaftsteilen an der Ernsthaftigkeit gefehlt haben könnte.
Ein Gegner, dem man den Triumpf sehr gönnt. Und vielleicht hat das vorübergehende Abrutschen aus dem Bereich der Gruppe, welcher die Qualifikation bedeutet, auch mal eine heilsame Schockwirkung. Wieviel sie jetzt nachlegen können am Dienstag, darauf wird es ankommen. In Gelsenkirchen sollte es schon fetzen gegen Irland, und unsere Truppe muss aufzeigen, dass dieser Abend in Warschau ein eindeutiger Ausrutscher gewesen ist. Und dass man sich auf den kürzlich in Brasilien erworbenen Verdiensten nicht weiterhin auszuruhen gedenkt.
Probleme wurden in noch selten gehörter kritischer Klarheit ausgerechnet vom RTL-Experten Jens Lehmann direkt im Interview mit dem Bundestrainer benannt: die Aussen sind es, an denen es mangelt, ausserdem fehlt, wenn es darum geht, sozusagen "neue" Teilnehmer (Bellarabi, Durm Rüdiger) zu integrieren, eine Abstimmung der Laufwege, und die Situation mit dem sehr fluiden Positionswechsel im Sturm kann zu einer Verwirrung führen, welche für eigene Angreifer grösser ist als für gegnerische Verteidiger. Götze, Bellarabi oder Müller, die Polen nahmen es, wie es kam, und klärten die Situationen zumeist durch schlichtes Verharren um den eigenen Torwart herum. Ein mögliches Fazit geht wieder auf die Zentraler-Stürmer-Ja/Nein-Diskussion, und Lehmann liess durchblicken, dass es für ihne eine Option dahingehend wäre, dass die ganzen Laufwege einfacher nachzuvollziehen sind, wenn du vorne drin auch mal einen hast, der dort zuverlässig anzuspielen ist. Hier blieb Weltmeister Thomas Müller nicht von Kritik verschont, dem Lehmann ansagte, dass er das vielleicht noch mehr üben muss. Auch am Stellungsspiel von Manuel Neuer fand der Ex-Weltklasse-Torwart noch Verbesserungswürdiges.
Sehr interessant der Vorhalt Lehmanns, an Löw gewandt, dass man genug Zeit gehabt habe, um sich hinsichtlich wünschenswerter Entwicklungen bei der Dauerbaustelle Aussenverteidiger etwas zu überlegen. Es klang an, dass der RTL-Experte die gefundene Lösung mit Rüdiger und Durm als einen nicht tragfähigen Kompromiss empfand, womit er sicherlich richtig liegt. Rüdiger ist mehr oder weniger überfordert damit, das schnelle Umschaltspiel über seine Seite nach vor zu bringen, Durm hingegen unterlaufen massive Patzer im direkten Spiel gegen seine Gegner, wenn die den Ball haben. Wie er sich vom Polen Lewandowski mit dem uralten Bauerntrick, den Arm etwas rauszustellen, abfertigen lässt, und beim zweiten Gegentor quasi auf dessen Rücken mitgeschleppt wird, ohne dabei irgend etwas verhindern zu können, das sah schon richtig schlecht aus.
Vielleicht mal eine Idee, bei dem Überangebot von offensiv ausgelegten Mittelfeldspielern auf selbige zurückzugreifen, wenn es um die Besetzung der Aussenverteidigerpositionen geht. Dass auch schnelle Aussenstürmer ganz gut dafür umzufunktionieren sind, weiss man. Vielleicht wäre hier mehr Kreativität zu fordern, statt dass Löw nur moniert, dass die Sorte Spieler, die ihm da vorschwebt, derzeit in den Vereinen auf entsprechendem Niveau leider nicht spielt. Wo Lehmann definitiv recht hat: Durm und Rüdiger überzeugten zu null Prozent. Dafür Bellarabi mit einem Klasse Debüt als Angreifer. Wenn das schief ging: an ihm lag es nicht. Ich würde auch den Patzer von Neuer beim ersten Tor nicht überbewerten, er steht am Ende einer Fehlerkette, bei der er eigentlich nur noch schlecht aussehen kann. Aber beide Tore der Polen sowieso echte Klassebuden, worwiegend dank der herausragenden Vorbereiterqualitäten.
Berichterstattung: man braucht eine Fernbedienung, liest entweder sein Buch oder schaltet um, während der alles begleitende Käse im Vorfeld und danach aufgewärmt wird. Albern das stilisierte "Duell" Lewandowski gegen Neuer, aber derartige Trash-TV-Elemente werden ja auch längst im Öffentlich-Rechtlichen hervorgebracht und von den Gebühren zahlenden Zuschauern klaglos hingenommen, vielleicht sogar heimlich gern gesehen. Jedenfalls täten sie es bei einem Privatsender nicht, wenn es nicht Zuschauer binden können würde. Die Kurzberichte waren auf in etwa dem Stand der Informationsdichte, die es sonst auch bei ARD und ZDF gegeben hat. Der Modus der Qualifikation ist an sich verwirrend und nach dem zweiundsiebzigsten Tor im sechzehnten Kurzbericht weiss kaum noch einer, was er gerade alles geguckt hat. Mehr als überflüssig aber, noch einleitende touristische Kurzimpressionen zu den Teilnehmerländern anzuflanschen.
Ein absoluter Gewinner des Abends aber neben den Polen: Jens Lehmann. Reine Sachkompetenz, völlig unterkühlt und ohne jegliche aufgesetzte Scherzhaftigkeit. Grossartig, wie er mit erstarrter Mimik einfach neben dem unlockeren Florian König, der ja sonst wohl auch Kochshows moderiert, stand und auf keinen Anbiederungsversuch auch nur im geringsten einging. Keine einzige lustige Platitüden, keine schwerfälligen Rückverweise auf gute alte eigene Zeiten: Jens Lehmann sprach zum Thema, kurz und präzise, wusste immer was Interessantes, und hielt es so knapp wie nur irgendwie möglich. Sogar satirisch entlarvendes Potential hatte sein trockener Hinweis vor Spielbeginn, dass die beiden Moderatoren wegen der möglicherweise etwas spektakuläreren Bilder mitten in das Schussfeld hinter dem Netz beim Warmmachen platziert wurden. Cool wie Lehmann gar nicht erst versuchte, bei der gängigen Sonderangebotswitzigkeit solcher Anmoderationssituationen irgendwie mitzumachen. Statt dessen formulierte er griffig seine Spieleindrücke und die damit verbundenen weiterführenden Fragen, und liess es auch dabei. Wenn keine überstrapazierte Masche daraus wird, so wie seinerzeit leider bei Netzer geschehen, könnte Lehmann im frei empfangbaren Fernsehen sogar richtiger Kult werden, jedenfalls neue Massstäbe setzen.
Ein Gegner, dem man den Triumpf sehr gönnt. Und vielleicht hat das vorübergehende Abrutschen aus dem Bereich der Gruppe, welcher die Qualifikation bedeutet, auch mal eine heilsame Schockwirkung. Wieviel sie jetzt nachlegen können am Dienstag, darauf wird es ankommen. In Gelsenkirchen sollte es schon fetzen gegen Irland, und unsere Truppe muss aufzeigen, dass dieser Abend in Warschau ein eindeutiger Ausrutscher gewesen ist. Und dass man sich auf den kürzlich in Brasilien erworbenen Verdiensten nicht weiterhin auszuruhen gedenkt.
Probleme wurden in noch selten gehörter kritischer Klarheit ausgerechnet vom RTL-Experten Jens Lehmann direkt im Interview mit dem Bundestrainer benannt: die Aussen sind es, an denen es mangelt, ausserdem fehlt, wenn es darum geht, sozusagen "neue" Teilnehmer (Bellarabi, Durm Rüdiger) zu integrieren, eine Abstimmung der Laufwege, und die Situation mit dem sehr fluiden Positionswechsel im Sturm kann zu einer Verwirrung führen, welche für eigene Angreifer grösser ist als für gegnerische Verteidiger. Götze, Bellarabi oder Müller, die Polen nahmen es, wie es kam, und klärten die Situationen zumeist durch schlichtes Verharren um den eigenen Torwart herum. Ein mögliches Fazit geht wieder auf die Zentraler-Stürmer-Ja/Nein-Diskussion, und Lehmann liess durchblicken, dass es für ihne eine Option dahingehend wäre, dass die ganzen Laufwege einfacher nachzuvollziehen sind, wenn du vorne drin auch mal einen hast, der dort zuverlässig anzuspielen ist. Hier blieb Weltmeister Thomas Müller nicht von Kritik verschont, dem Lehmann ansagte, dass er das vielleicht noch mehr üben muss. Auch am Stellungsspiel von Manuel Neuer fand der Ex-Weltklasse-Torwart noch Verbesserungswürdiges.
Sehr interessant der Vorhalt Lehmanns, an Löw gewandt, dass man genug Zeit gehabt habe, um sich hinsichtlich wünschenswerter Entwicklungen bei der Dauerbaustelle Aussenverteidiger etwas zu überlegen. Es klang an, dass der RTL-Experte die gefundene Lösung mit Rüdiger und Durm als einen nicht tragfähigen Kompromiss empfand, womit er sicherlich richtig liegt. Rüdiger ist mehr oder weniger überfordert damit, das schnelle Umschaltspiel über seine Seite nach vor zu bringen, Durm hingegen unterlaufen massive Patzer im direkten Spiel gegen seine Gegner, wenn die den Ball haben. Wie er sich vom Polen Lewandowski mit dem uralten Bauerntrick, den Arm etwas rauszustellen, abfertigen lässt, und beim zweiten Gegentor quasi auf dessen Rücken mitgeschleppt wird, ohne dabei irgend etwas verhindern zu können, das sah schon richtig schlecht aus.
Vielleicht mal eine Idee, bei dem Überangebot von offensiv ausgelegten Mittelfeldspielern auf selbige zurückzugreifen, wenn es um die Besetzung der Aussenverteidigerpositionen geht. Dass auch schnelle Aussenstürmer ganz gut dafür umzufunktionieren sind, weiss man. Vielleicht wäre hier mehr Kreativität zu fordern, statt dass Löw nur moniert, dass die Sorte Spieler, die ihm da vorschwebt, derzeit in den Vereinen auf entsprechendem Niveau leider nicht spielt. Wo Lehmann definitiv recht hat: Durm und Rüdiger überzeugten zu null Prozent. Dafür Bellarabi mit einem Klasse Debüt als Angreifer. Wenn das schief ging: an ihm lag es nicht. Ich würde auch den Patzer von Neuer beim ersten Tor nicht überbewerten, er steht am Ende einer Fehlerkette, bei der er eigentlich nur noch schlecht aussehen kann. Aber beide Tore der Polen sowieso echte Klassebuden, worwiegend dank der herausragenden Vorbereiterqualitäten.
Berichterstattung: man braucht eine Fernbedienung, liest entweder sein Buch oder schaltet um, während der alles begleitende Käse im Vorfeld und danach aufgewärmt wird. Albern das stilisierte "Duell" Lewandowski gegen Neuer, aber derartige Trash-TV-Elemente werden ja auch längst im Öffentlich-Rechtlichen hervorgebracht und von den Gebühren zahlenden Zuschauern klaglos hingenommen, vielleicht sogar heimlich gern gesehen. Jedenfalls täten sie es bei einem Privatsender nicht, wenn es nicht Zuschauer binden können würde. Die Kurzberichte waren auf in etwa dem Stand der Informationsdichte, die es sonst auch bei ARD und ZDF gegeben hat. Der Modus der Qualifikation ist an sich verwirrend und nach dem zweiundsiebzigsten Tor im sechzehnten Kurzbericht weiss kaum noch einer, was er gerade alles geguckt hat. Mehr als überflüssig aber, noch einleitende touristische Kurzimpressionen zu den Teilnehmerländern anzuflanschen.
Ein absoluter Gewinner des Abends aber neben den Polen: Jens Lehmann. Reine Sachkompetenz, völlig unterkühlt und ohne jegliche aufgesetzte Scherzhaftigkeit. Grossartig, wie er mit erstarrter Mimik einfach neben dem unlockeren Florian König, der ja sonst wohl auch Kochshows moderiert, stand und auf keinen Anbiederungsversuch auch nur im geringsten einging. Keine einzige lustige Platitüden, keine schwerfälligen Rückverweise auf gute alte eigene Zeiten: Jens Lehmann sprach zum Thema, kurz und präzise, wusste immer was Interessantes, und hielt es so knapp wie nur irgendwie möglich. Sogar satirisch entlarvendes Potential hatte sein trockener Hinweis vor Spielbeginn, dass die beiden Moderatoren wegen der möglicherweise etwas spektakuläreren Bilder mitten in das Schussfeld hinter dem Netz beim Warmmachen platziert wurden. Cool wie Lehmann gar nicht erst versuchte, bei der gängigen Sonderangebotswitzigkeit solcher Anmoderationssituationen irgendwie mitzumachen. Statt dessen formulierte er griffig seine Spieleindrücke und die damit verbundenen weiterführenden Fragen, und liess es auch dabei. Wenn keine überstrapazierte Masche daraus wird, so wie seinerzeit leider bei Netzer geschehen, könnte Lehmann im frei empfangbaren Fernsehen sogar richtiger Kult werden, jedenfalls neue Massstäbe setzen.