Ein Siegener zieht ins Frankenland, ... und kehrte wieder zurück

Dieses Thema im Forum "Groundhopping" wurde erstellt von Yike, 21 April 2009.

  1. Yike

    Yike verstorben

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    So was wie ein Hoppingbericht

    Bereits vor einigen Monaten fragte Kumpel Franconia bei mir an, ob ich Interesse hätte, eine historische Ausstellung zu besuchen, an der seine Freundin mitarbeitete. Mit ein wenig Vorplanung wurde schließlich das vergangene Wochenende ausgesucht. Zumal mit den Begegnungen Schweinfurt – Bayreuth und Nürnberg – Sankt Pauli gleich zwei hochattraktive Begegnungen anstanden. Diese Einladung nahm ich nur zu gern an.

    Ein Positives vorweg: Diese Reise ersparte mir eine erneute Niederlage meiner Mannschaft in einem frustrierenden Spiel, welches selbst die aktive Fanszene zum Anlass nahm, vorzeitig das Stadion zu verlassen. Schon allein dafür sollte ich dankbar sein.

    Am Freitagmorgen also das Auto für einen längst angesagten Termin in die Werkstatt gebracht und mich mit der Bahn in Richtung Schweinfurt bewegt. Die Reise verlief absolut problemlos, alle Anschlüsse funktionierten, und mein Bild der Bahn AG nahm leicht positive Konturen an. Da wusste ich auch noch nichts von meiner Rückreise, aber dazu später.

    In Schweinfurt wurde ich erst einmal herzlich begrüßt und erhielt eine persönliche Stadtführung, welche auch durch Regen nicht beeinträchtigt wurde. Zu Fuß machten wir uns schließlich zum Willi-Sachs-Stadion auf, wo wir uns inmitten von Altsupportern und Ultraorientierten setzten und erst mal ein wenig austauschten. Und auch nach all den Jahren wurde ich in Schweinfurt interessiert und freundlich aufgenommen. Schließlich haben unsere Vereine doch immer wieder durch Lizenzentzüge und andere, nichtsportliche Ereignisse, miteinander zu tun gehabt. Und in mehr als einer Hinsicht gibt es auch einige Parallelen .

    Im Stadion hatte ich mein Siegerländer Wetter mitgebracht, es goss während des ganzen Spiels in Strömen. Optimale Voraussetzungen für ein schönes Oberligakampfspiel.

    Ich wurde auch nicht enttäuscht. Bayreuth ging früh in Führung, die Schnüdel hielten mit Einsatz dagegen. Schließlich wurde die Begegnung gedreht, wobei die komplette anwesende Stammtischfraktion das Tor nur akustisch am Bierstand wahrnehmen konnte. Herzliche Grüße noch mal an alle Anwesenden!

    Bayreuth war mit etwas mehr als dreißig Leuten gekommen, hatte einige Schwenker mitgebracht und war auch ganz gut zu hören, zumal die einheimischen Aktiven eine Schweigephase zu Beginn wegen eines vorangegangenen Polizeieinsatzes durchhielt. Danach kamen sie immer mal wieder ganz gut aus sich raus, es gab zwar durchaus auch Pausen, dafür aber keine akustische Ultradauertapete. Gefiel mir eigentlich gut, und ich fühlte mich in der Ecke auch wohl. Hätten meine eigenen Jungs sein können. Mit meinem schwarzen Kappu betrieb ich auch perfekte Mimikry.

    Nach dem Spiel ging es erst mal nach Hause, endlich in trockene Klamotten schlüpfen, was essen, dann zu einer Party in einer Turnhalle nahe eines kleineren Grounds. Da war es dunkel und es wurde nicht gescored, daher zählt der nicht. Dafür aber diverse Wodka/Osaft, die mir später zwar nicht das Licht ausknipsten, dafür aber spätere Erinnerungen zunehmend verschwimmen ließen. Ich hab auf eine Coverband getanzt, es gab sogar so was wie eine Moshpit. Was ich mitnehme sind die Eindrücke etlicher Hot Chicks und die Erkenntnis, eine süße Plörre zu meiden, die nur unter dem Namen „Ficken“ verkauft oder bestellt wird. Bei diesem Wort möchte ich nicht an einen ekligen Likör denken müssen.

    Samstag wurde der Kulturteil eingelegt. Es begann mit der Besichtigung des Kleinstädtchens Weißenburg, dann ging es zur Anlage des deutschen Ordens und der Ausstellung „Ein Franke zieht ins Preußenland“. Die war gut, für mich hochinteressant. Hoffentlich habe ich Vroni nicht zu sehr frustriert, weil ich auf den Schautafeln dauernd Schreibfehler entdeckte ...

    Mit einem Besuch im wirklich sehr lohnenden Bamberg wurde der Tag fortgesetzt. Für diese wunderbar erhaltene Stadt werde ich mir eines Tages mal einen kompletten Tag Zeit nehmen. Und mit Sicherheit ein Teufelsgebräu meiden, welches mir als Erfahrung angekündigt wurde, die ich unbedingt machen müsse, Rauchbier. Wenn es aufgelösten Räucherspeck gäbe, so würde er schmecken. Unfassbar, das so was als Spezialität ver- und gekauft wird! Wenn ich es noch mal sehe, werde ich mich an das Motto „flieht, ihr Narren!“ halten.

    Ein echter Höhepunkt war noch für mich die Dokumentation über die Ultras Nürnberg „Gate 8“. Wer an einem offenen Einblick in die Lebenswelt von Ultras interessiert ist, sollte diese Doku ins Pflichtprogramm aufnehmen.

    Sonntags ging es dann zu eben jenen Ultras, zumindest in die Nachbarschaft. Positiv überzeugten sie mich mit einer guten Choreo in Erinnerung an einen früheren Clubspieler und einen gut durchmischten Auftritt, welcher etliche selbst entworfene Lieder und Gesänge enthielt und dabei durchaus auch mit Supporteinlagen die Kurve mitnahm. So sollte es sein.

    Die St. Paulifans sah man gut, aber es war im weitläufigen Stadion, neben den UN, nicht möglich, aber man nahm deutlich wahr, dass dort permanente Aktivität herrschte.

    Große Spiele vor großen Kulissen kenn ich ja fast gar nicht mehr, mehr als 45 000 Zuschauer sehe ich nur noch ausnahmsweise in einem Ground. Kann man immer mal wieder machen, aber wohler habe ich mich im Grunde mit keinen Tausend Oberligafans gefühlt.

    Das Spiel war in der ersten Halbzeit interessant, danach gab es noch je einen Platzverweis, was aber im Grunde wenig änderte. Sankt Pauli zeigte lange Zeit einen guten, laufstarken und konzentrierten Auftritt, bis dann Nürnbergs achte Ecke endlich mal so hereingebracht wurde, dass Gefahr entstand und prompt das Tor fiel. Damit war den Hamburgern der Spaß am Spiel verdorben, Marek Mintal erhöhte später noch, danach war das Spiel gelaufen und ging unaufgeregt dem Ende entgegen. Immerhin je eine Herausstellung, je ein Pfostenschuß, aber die Tore waren nicht so ausgeglichen verteilt. Daher konnten die Clubfans sich über den Sprung auf einen Aufstiegsplatz freuen.

    Und dann kam die Rückreise ...

    Um es abzukürzen: Meine Abneigung gegen Bahnreisen ist verschwunden. Sie hat sich zu einem veritablen Trauma entwickelt.

    Beginnend mit einem komplett überfüllten Zug zum Bahnhof, na gut, da muss man durch. Dann schickte die Anzeigentafel im Hauptbahnhof einige Hundert Menschen, mich eingeschlossen, zu einem falschen Gleis. Die Regionalbahn nach Würzburg war zu dem Zeitpunkt, als wir alle feststellten, dass es wohl doch Geisterzüge gibt, vollkommen hoffnungslos überfüllt.

    Was sich auch eine Stunde später, als ich immerhin einen Stehplatz ergattert hatte, nicht geändert hatte. Immerhin kann die Bahn nichts für den Spacko, der während der Fahrt die Notbremse zog. Aber ob Zeitverzögerungen wegen „erhöhten Fahrgastaufkommens“ wirklich unbedingt sein müssen?

    Meine Lieblingsmitreisenden waren:
    Francesco, Marco und Matteo, drei Clubfans im Alter von etwa acht Jahren, welche die Wirkungslosigkeit der mütterlichen Drohungen nur zu gut erkannten.
    Ein für mich namenloser, etwa fünfzehn bis zwanzig Jahre älterer Prototyp von dem, was die drei Kurzen wohl mal werden, welcher für mich das Wort „Hyperaktivität“ mit neuem Inhalt füllte.
    Und schließlich ein Sitznachbar von etwa vierzig Jahren, der mit seinem Handy eine Stunde Melodien hörte, welche ich von Spielzeug für Krabbelkinder kennen gelernt habe.

    Dank der diversen Verzögerungen wurde meine schlimmste Befürchtung wahr: Nach Mitternacht stand ich an der Endstation, Dillenburg. Der erste Frühzug fährt fünf Stunden später, kommt um sechs Uhr morgens in Siegen an. Eine weitere schlaflose, durchfrorene Nacht in Dillenburg?

    Nein. Um halb sechs Uhr morgens war ich zu Hause und fiel ins Bett. Nach mehr als dreißig Kilometern zu Fuß mit Rucksack durch die Nacht. Auf Straßen und Waldwegen, über mir der Nordstern, vor mir als Wegweiser die Cassiopeia, um mich herum heulten die Waldkäuze. Und zum Glück gab es auf einem Drittel des Weges eine Tankstelle, wo ich mich mit Wasser, einem Riegel und neuem Tabak eindecken konnte. Leider wurde es später doch recht kalt und klamm, daher zog ich mir noch ein zweites T-Shirt unter die Jacke. Danach ging es wieder.

    Das anvisierte Ziel, die Stadtgrenze passiert zu haben, wenn der Zug abfährt, verpasste ich um allerdings fünf Minuten. Als ich mich am Siegener Bahnhof in einen Bus in meinen Stadtteil setzte, und anschließend wieder aufstand, legte ich die letzten Meter in ungefähr der Art zurück, wie meine Oma vor ihrem Tod. Ich bin ganz schön faul geworden, wie ich merke. Aber ich war zu Hause. In your Face, Bahn-AG!

    Trotz der Rückfahrt, die Tour war grandios. Noch einmal vielen Dank an Franconia und Franziska für Unterkunft, Verpflegung, Zeit, Gespräche, einfach alles. Und abermals ein Gruß an alle, die ich an diesem Wochenende getroffen habe. Es war geil. Und wenn mal jemand Südwestfalen als Stützpunkt zum Hoppen oder für einen Kurzurlaub braucht, ihr wisst, wer hier wohnt ...
     
    Oski., kamidv, hamborner und 2 anderen gefällt das.

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