Dass wir beide Teams über weite Strecken wohl dominiert haben...
Osnabrück habe ich nicht gesehen, aber Münster haben wir nicht dominiert. Zumindest nicht das, was ich darunter verstehe (Ballbesitz, in welchen Räumen gespielt wird, Kontrolle der gegnerischen Spielidee, Durchsetzen der eigenen Spielidee). Vielleicht - aber auch nur vielleicht - hatten wir ein leichtes Abschlussplus, aber auch Münster kam in beiden Hälften mehrfach in die gefährlichen Zonen.
Die erste Halbzeit fand ich ausgewogen, wobei unsere Jungs schon den abgezockteren und selbsichereren Eindruck gemacht haben. Es gab bei beiden Teams Phasen der ruhigen Ballzirkulation, die den Gegner hinten einschnürte, dazwischen gab es auch immer wieder Phasen wo es etwas wilder zuging, viele Umschaltsituation, höheres Risiko, Gerenne und Gekämpfe.
In Halbzeit 2 war aber nur noch Münster am Drücker. Es gab von unserer Seite sicher eine Vielzahl von Konter(-ansätzen) (an dieser Stelle muss man dann natürlich die Balleroberungen loben), aber in Sachen klarem Spielaufbau war das gar nix mehr. Bajic und Flekken haben lustig nach vorne gedroschen, wobei der Ball dann zu 80% auch wieder weg war. In einigen Situationen war das sicher nötig, da einfach die Räume für ein geordnetes Aufbauspiel fehlten, weil Münster vorne viel Präsenz erzeugte, aber es gab auch Momente, wo man es hätte probieren können, es aber trotzdem ließ. So ist übrigens auch die Szene zum Elfer entstanden. Wenn ich mich nicht irre, hat Flekken den Ball ins rechte, seitliche Aus geschlagen und aus dem Einwurf kam der Ball dann über eine Verlagerung ins linke Strafraumeck, wo Wolze ausrutschte (oder so ähnlich).
Ein paar Worte noch zu den taktischen Ansätze: Interessant für mich war sicher, dass man Münster in vielen Phasen aufbauen ließ und mit einem passiven 4-4-2-Block im tiefen Mittelfeldpressing entgegen trat. Münster wird einer der wenigen Mannschaften sein, die gegen uns flach hinten raus spielt. Da hätte ich mir durchaus auch mal ein aggressiveres Angriffspressing gewünscht. Eigentlich kann man so jede Ballbesitzmannschaft ärgern. Es gibt dafür für mich nur zwei Erklärungen: 1. Man fürchtete von Münster auseinander gespielt zu werden 2. Man wollte die Bälle in tieferen Zonen erobern, um dann mehr Räume in der Tiefe zur Geschwindigkeitsaufnahme zu haben. Nichtsdestotrotz fand ich es aus dem Bauch nicht immer passend.
In Halbzeit 2 wurde dann - vor allem nach dem 1:1 - das Gegenteil gemacht. Die flachen Anspielstationen wurden zugestellt und Münster zum langen Abschlag gezwungen. Auch hier fand ich die Effekte diskussionswürdig, weil Münster so schnell drei, vier Spieler von uns überspielen konnte und die lange Bälle auch oft gut festgemacht hat. Ich hätte mir eigentlich mal folgendes gewünscht: Erstes, flaches Anspiel zulassen und dann mit Vollspeed drauf. Aber gut, es wird sicher Gründe gehen, wieso diese Strategie nicht probiert wurde.
Ebenfalls erwähnenswert, dass ein Fan neben mir während das passiven 4-4-2-Verteidigens vehement mehr Einsatz forderte. Das Spiel sei zu statisch. Gut, ich denke, dass "Statik" in diesen Verteidigungsmomenten durchaus als Lob zu verstehen ist. Aus diesen Szenen resultierten dann sicher auch einige Meinungen, dass Leidenschaft und Einsatz in Münster nicht so gut wie in den ersten Spielen waren. Das muss ich klar verneinen. Die Jungs sind nach wie vor heiß und sehr fleißig. Nur halt nicht in diesen Momenten. Da müssen sie sich an die kollektiven Absprachen halten und würden mit wildem Draufgehen die Struktur zerstören und Räume öffnen.
Dann noch etwas zur Taktik in den Phasen des (ruhigen) Ballbesitzes: Hier sind mir vor allem die Flügel mehrfach negativ aufgefallen. Zeitweise gab es keine Präsenz in den Halbräumen, weil beide Außenspieler breit standen. Das ist taktischer Murks, weil die Verbindungen ins Zentrum leicht zu kappen bzw. nicht vorhanden sind. Keine Diagonalität, keine Dreiecke und eine Wand...äh...Linie im Rücken...da freut sich jeder Verteidiger. Und so kam es dann auch immer wieder. Münster erstickte diese Anspiele mehrfach. Hier bleibt natürlich die Frage, ob das taktische Vorgaben waren oder ob die Spieler schlicht ihr eigenes Ding machten. Da Bröker oft beteiligt war, vermute ich letzteres. Er fühlt sich traditionell an der Außenlinie wohler, da er da seinen linearen Lokomotiven-Style durchziehen kann. Für die Halbräume fehlt ihn in jeder Hinsicht die Qualität (Übersicht, Umblickverhalten, Beidfüßigkeit, Technik, Beweglichkeit, Körperbalance, Fintenrepertoire, etc.). Ich werde mit Bröker nicht mehr warm. Ich möchte ihm nicht seinen Einsatz absprechen. Defensiv war das stark und wenn er als Lokomotive mal ins Rollen kam, wurd`s auch immer gefährlich. Aber das ist mir für 90 Minuten zu wenig Bandbreite. Für mich ist er der offensive Hajri. Für dominantes Ballbesitzspiel nicht brauchbar. Als Joker kann ich hingegen sehr gut mit ihm leben und freue mich, dass wir so eine Alternative auf der Bank haben.
Dann noch etwas zu Özbek: Ich habe die Tage mal im Schnellhardt-Thread geschrieben, dass ich glaube, dass er nicht so gut zu Schnellhardt passt, da er sich in ähnlichen Räumen aufhält und er auch viel ballfordernd und horizontal unterwegs ist, Schnellhardt aber einen vertikal-raumöffnenden Partner braucht. Das Spiel gestern hat das weder bestätigt noch belegt. Trotzdem war unsere Ballbesitzspiel im Zentrum ziemlich durchwachsen. Özbek fand ich aber trotzdem stark, da er defensiv viele geile Szenen hatte. Es bleibt spannend auf der Doppel-Sechs.
Zu Bomheuer und Leutenecker: Sie haben meine Eindrücke aus dem Trainingslager bestätigt. Bomheuer macht wenig falsch, spielt aber auch relativ unpräsent und unauffällig. Lieber als Harakiri-Hajri sehe ich ihn trotzdem. Aber wo ist Blomeyer? Ich schätze, er wird seine Chance gegen schwächere Gegner bekommen, wo wir mehr Ballbesitz haben werden. Leutenecker ein echter Arbeiter. Viel unterwegs und irgendwie auch das Zeugs zum Publikumsliebling. Ich fühle mich subjektiv mit ihm wohler als mit dem "zarten" Klotz, auch wenn am Ball wieder ein paar Aussetzter dabei waren.
Nun ja, 5 Punkte aus dem Hammer-Auftaktprogramm und ungeschlagen einen durchaus möglichen Fehlstart vermieden. Ich bin zufrieden. Jetzt ist die Zeit gekommen, die Ballbesitzansätze weiter auszubauen und so Schnellhardt noch weiter einzubinden. Da liegt noch Potential brach...