Die Angst bleibt - dass einen auf einmal einer kneift, und es ist nur ein schöner Traum gewesen...
...Wenn es nur ein Traum ist, dann werde ich hoffentlich nie wieder wach und lebe einfach auf der anderen Seite weiter, wo der MSV Duisburg wieder eine Macht ist, schnellen, starken Fussball spielt, auch Auswärts mit dominantem Pressing über neunzig Minuten den Ton angibt, und am Schluss mit Mann und Maus und allerhöchster Konzentration und Abgezocktheit und Klauen und Zähnen wie einst im Mai der FC Chelsea der Welt eine Vorführung gibt, wie solche echten Ruhrpottkanacken den Catenaccio interpretieren...
...man ist versucht, zu sagen: ein echter Bommer! Stimmt aber nicht, bis auf das Ergebnis. Rudis Truppe zeigte Herz, Moral, partiell auch Spielkultur. Und sie gingen an die Schmerzgrenze, schmierig und verbissen. Deshalb, und weil wir voll humorlos und unsozial dagegenhielten, ist man versucht, zu sagen: ein Schweinespiel! Stimmt aber auch nicht. Dafür haben wir viel zu klug gespielt, waren viel zu stark im frühen Pressing, im Verschieben, in der kontinuierlichen und diesmal zum Glück hochkonzentrierten Fussballarbeit, bis auf Berberovic, dieses verkrachte Genie, der beinahe alles wieder zerstört gehabt hätte.
Ein glücklicher Ausgang? Nö, wir hatten genauso viel Glück und Pech als die anderen. Um das eine Tor, mit dem wir gewonnen haben, waren wir am Ende auch besser. Und wer von uns noch verlangt, dass wir uns bei den anderen bedanken, dass die auch mal was liegenlassen, der hat den Schuss echt nicht gehört, nach diesen ganzen Gammeltoren, die wir diese Saison schon gefressen haben. Nein, bis unser Glück-und-Pech-Konto wieder ausgeglichen ist, da sind wir dann schon mal locker auf Platz sieben, aber in Liga eins!
Hoffmann und Sukalo unsere Schaltzentrale. Mit Goran kannst du im Moment auch die Championsleague gewinnen. Das ist der alte Leader wieder, der Mann von Format und Klasse. Mit Hoffmann ein kongenialer Eleve, der seinen Meister sichert, fordert und entscheidend einsetzt. Ein echtes Duo, wie das sein soll im Mittelfeld. Das hatte Hertha nicht zu bieten und Cottbus auch nicht.
Hinten steht die Viererkette. Hier wird von Spiel zu Spiel die sorgfältige Detailarbeit des Teams offensichtlich. Die Absprachen funktionieren, man kommuniziert, jeder sichert mit ab. Wenn es einen Totalausfall gibt, wie diesen schweren Blackout vom Knochenbrecher, hängt es nicht noch zwanzig Minuten in der Luft. Hier sind auch moralische Skills aktiviert worden. Keine Gute-Laune-Weichheit mehr in den Gesichtern, jetzt gucken sie wieder hochkonzentriert, sich Überblick verschaffend, wie Menschen bei wichtigen Aufgaben gucken sollten.
Vorne ist alles auf Tempo und Pressing bezogen. Baki ist giftig und schnell, Brandy ein Kampfschwein allererster Güte, Exe gibt den unberechenbaren Rock´n Roller, auf den sie immer aufpassen müssen. Domo gibt dem Spiel Struktur und räumliche Tiefe. Wer die Buden dann macht, ist egal. Hier lebt einer in den neunzig Minuten von und für jeden anderen, hier sind die Egoismen ausdiskutiert und abgeschafft, hier hat es jeder geschnallt. Ein daSilva, ein Jovanovic, ein Pamic kommen rein und integrieren sich sofort nahtlos. Rani, der alte Individualist vor dem Herren, geht gar nicht mehr aufs Tor, pfeift auf die Chance, Toni grätscht voll dazwischen, was die Keulen aushalten. Selbst in diesen grausamen fünf Minuten Ewigkeit, die folgen, bleibt der Zusammenbruch aus, jedenfalls bei den Aktiven (Ich habe eine halbe Stunde gebraucht, bis der Pudding aus den Beinen wieder raus war).
Was sich geändert hat: ohne Exe wird es Brosinski auf dem Flügel auch machen. Domo und Rani werden in der Spitze demnächst ebenfalls funktionieren. Und irgendwann mal kann ein Sukalo sein Spiel Sperre absitzen, und Pamic respektive daSilva macht den Job, eins zu eins vielleicht nicht, aber so, dass es reicht. Der Sieg war hart erarbeitet und unbedingt erglaubt. Die Mannschaft musste absolut alles gegeben, und hat genau dies getan.
Just a Simple Twist of Fate, wie es im Refrain des alten Songs von Dylan heisst. Schlicht und einfach eine Wendung von Glück oder Schicksal.
Oder, schlichter: Mann, das Leben ist einfach manchmal schön!