Ich fand die erste Halbzeit spielerisch Klasse. Immer war extremer Druck auf den Ball da, das Spielfeld wurde sehr klein. Immer, wenn der Gegner sich auf diese Art zu spielen einlässt, sehen wir richtig gut aus. Grandios schnell und dynamisch das Umschaltspiel. Zum ersten Mal in dieser Saison wurde im Mittelfeld selbst das Fehlen von Sukalo nicht vermisst. Öztürk und Perthel beide richtig gut. Auch Ibertsberger tat was für die Dynamik nach vorne, hatte aber rückwärts einige Klöpse drin. Alle Fehler wurden sofort und im Kollektiv korrigiert, hier pennte keiner, absolut geschlossene Mannschaftsleistung. Sehr hervorzuheben für mich auch Wolze, technisch hochwertig und extrem bissig.
Cottbus stand sehr hoch, die Innenverteidiger und "Libero" Banovic bildeten zum Teil eine weit auseinandergezogene defensive Dreierkette, während die Aussenverteidiger ganz mit vorrückten. Ausgeglichenes, aber beiderseits starkes Spiel, bis Jovanovic aus dem Nichts seinen gewaltigen Sololauf ansetzte. Er war neben dem grossartigen Tor auch sonst klar bester Mann auf dem Feld, offensive Schaltzentrale und Taktgeber. Man sieht, wieviel Spass dem das Kicken hier im Moment macht, und zwar in jeder Sekunde. Das Tor war aber kein Zufall. Mehrere Hochkaräter der Unsrigen gingen dem voraus. Der Keeper von denen richtig Klasse bei dem Exslager-Hammer.
Die zweite Hälfte gefiel mir nicht so gut, hier liessen wir die Gegner schon von Anfang an viel zu sehr kommen, und Cottbus kombinierte sich und uns phasenweise schwindelig. Der Elfer, der dann die Entscheidung brachte, war zwar nachher im Fernsehen eindeutig, aber im Stadion war kaum zu sehen, ob er berechtigt war. Solche schnellen Kontakte dicht über dem Rasen, die den Spieler förmlich aushebeln, werden oft nicht abgepfiffen, weil es gern mal nach Schwalbe aussieht. Bis zur Fernsehwiederholung hätte ich eher drauf getippt, dass Exe den geschunden hat.
So einen abgezockten Elfer machst du entweder, wenn du ein ganz cooles Schlitzohr bist, oder, wenn du völlig am Rand des Wahnsinns stehst. Ein echter Bajic! Danach hatte er für sich den Tag dann wohl abgeschlossen und liess den schnellen Cottbusser ziehen, der dann noch einen blitzsauberen Treffer markierte, der wirklich noch schockte. Aber mal ehrlich, jetzt, wo alles gut gegangen ist: Bommer hin oder her, die sind Fünfter und spielen trotz dieses Trainers einen richtig gefälligen Ball. Sich da mal einen zu fangen, das bleibt nicht aus. Fakt ist, wir haben das Spiel über die entscheidende Strecke hin kontrolliert, dann unter Druck nochmal nachgelegt, und den Roten den Schneid am Ende abgekauft. Wir sind viel dafür gelaufen, haben aber auch technisch hohes Niveau gezeigt, hatten starke Individualisten, die sich ganz und gar in den Dienst der Mannschaft stellten, alles war eine Einheit. Und momentan können wir auch den Ausfall mehrerer Leistungsträger verkraften, da unsere Nachrücker frisch im Kopf sind und sich nahtlos einfügen, sich zum Teil sogar als Alternative aufdrängen, nimmt man mal Öztürk und Wolze.
Eminent gut, wie die Truppe im Vorwärtsgang das vier-zwei-zwei-zwei ausspielt, hierbei die schnelle Kombination durch das Mittelfeld ebenso nutzt wie lange und halblange Bälle. Schlüsselspieler ist immer Jovanovic, der oft aus der Tiefe des Raumes kommt und mittlerweile durch eine eminente Ballsicherheit besticht. Immer hat er ferner noch eine Überraschung in der Hinterhand, spielt seine grosse Routine aus, wenn seine Mitspieler sich darauf einlassen, brennt der Baum die ganze Zeit.
Kaum vorstellbar hingegen, dass hier noch was anbrennt. Mittlerweile haben sie wieder ein bisschen Angst vor uns, die Gegner. Wie gesagt, das einzige Manko besteht darin, dass wir unsere Stabilität verlieren, wenn dem Gegner mehr Spielanteile überlassen werden müssen, sei es, dass wir eine Ruhepause brauchen, sei es, dass der Gegner wie die Hertha oder München fast ausschliesslich über Ballhalten, Standards und massierte Vorstösse Tempo und Spielgeschehen bestimmt. Von den Gegnern, die noch an die Wedau kommen, wäre aber eigentlich nur Pauli eine Truppe, die uns von der Spielanlage her nicht liegt. Auswärts gegen Ingolstadt und Aue ein Punkt, Zuhause zwei Dreier und ein Unentschieden, das müsste locker drin sitzen. Und würde dieses Jahr völlig genügen.
Heute mal stolz beim Aufblättern des täglichen Käseblattes, für welches der MSV sonst nur existiert, wenn er gerade pleite geht: vom Favoritenschreck stand da zu lesen, gemeint war unser Meidericher Spielverein. Oh, wie ist das schön!