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Okapi
Sehr interessanter Beitrag. Auch wenn das Wort "akademisch" ein bisschen despektierlich klingt, versteht man ganz und gar, was du meinst. Allerdings führt es direkt zu einem Teil des Problems, was ich zur Zeit mit der Kritik an Karsten Baumann habe. Ehrlich gesagt ist mir das mit den "Baumann-Raus" rufen relativ Latte. Ich glaube auch, dass es Baumann kaum stört, der hat schliesslich eine Vollprofi-Karriere in Stadien absolviert, die mehrfach grösser waren als unseres, und wo wahrscheinlich einiges mehr abging, als die paar Pfiffe und Rufe, die man bisher gehört hat. Ausserdem kriegt er ziemlich was an Geld, und das kriegt er nunmal auch dafür, dass er sich exponiert. Es ist sein Job, auch Kritik in verkürzter Form auszuhalten, damit muss jeder rechnen, der sich in die Öffentlichkeit begibt.
Was mich aber bedenklich stimmt, dass ist, das die Forderung nach Blut, Schweiss und Tränen, die auch du in gewohnt ausdifferenzierter Wortwahl erhebst, überspitzt gesagt wieder direkt zu Milan Sasic führen könnte. Ich weiss, das ist so formuliert eine Provokation, bin mir aber sicher, dass du das schon richtig verstehst. Was mich sehr stark für Baumann einnimmt, ist die Sachlichkeit. Hier ist er als Trainer für mich in Anbindung an Kosta Runjaic zu sehen, und repräsentiert eine neue Linie, die sich mehr am Machbaren orientiert, als daran, über kernige emotionale Bekundungen beim Publikum Punkte zu sammeln. Offenbar ist das Problem seitens der Vereine, welche Baumann beschäftigten, nicht zum allerersten mal aufgetreten, dass man ihn so wahrnimmt wie einen oberen Steuerbeamten.
Ich finde, das andere haben wir aber überreichlich gehabt: Neururer, Sasic und Reck sind reinweg über Emotionalität gekommen. Immer wieder gab es Spieler wie Berberovic oder Soares, Tiffert oder Domovchiyski, deren Eskapismus die Aufstellung zum Teil zu einem permanenten va-banque-Spiel machten. Erst mit Kosta Runjaic war es damit zuende, und damals waren auch alle froh drum. Auch wenn Runjaic alles andere als spektakulären Fussball aufbot, wurde die professionelle Ruhe, die er ausstrahlte, solange wie er Punkte holte jedenfalls, goutiert. Bei vielen Beiträgen, die man hier liest, letztendlich auch bei deinem, kommt aber der Eindruck auf, dass Baumanns Problem ist, dass er über eine durchschnittliche, in der dritten Liga halt oft langweilige, Darbietung nicht hinauskommt.
Womit ich gar nicht bestreiten will, dass es möglich ist, dass Baumann tatsächlich nicht für anderen Fussball stehen kann. Es gibt solche Trainer, bei denen einen die Mannschaft, trotzdem sie Erfolg hat, nicht vom Stuhl reisst, die immer eher am Unendschieden entlangschrammen, statt über feurigen Angriffsfussball die Leute mitzureissen. Das Problem ist, dass das mit dem emotionalen Fussball nur solange gut läuft, wie der betreffende Trainer auch die Emotionen hervorkitzeln kann. Alle unsere Emo-Boys waren in der Hinsicht nach einem Jahr verbrannt, und danach war jedesmal ein kompletter Neuaufbau fällig, der auch einen Substanzverlust bedeutet hat. Vielleicht gibt es aber in Vereinen Zeiten, bei denen man nicht drum herum kommt, ein Prinzip der ruhigen Hand zu fahren, selbst wenn es quält.