Da möchte ich der sehr geschätzten Ansicht von Schimanski einmal widersprechen. Wie die Bälle vor dem 2. und 3. Tor erobert wurden wirst Du aus taktischer Sicht viel besser beurteilen können. Dass aber so bissig nachgesetzt wurde in diesen Situationen hat zuletzt auch gefehlt.
Ich glaube generell, dass der Faktor Wille in den meisten Fussballdiskussionen total überschätzt wird und oft nur eine Kapitulation vor der Komplexität des Sportes darstellt. Es ist halt immer leicht zu sagen, dass es am (fehlenden) Willen gelegen hat.
Wer sich im Haifischbecken Profi-Fussball durchgesetzt hat, der bringt Wille mit - ausnahmslos. Man braucht sich nur mal die Konkurrenz-Situationen in den Nachwuchsleistungszentren anzuschauen, wo schon in jungen Jahren krass gesichtet, aussortiert, gemobbt und um Einsatzeiten gekämpft wird. Da spielt jeder nur für sich. Man könnte meinen, es handele sich gar nicht mehr um ein Mannschaftssport. Wer sich da mit 15, 16, 17 Jahren, wenn das süße Leben langsam beginnt, trotzdem durchsetzt, der muss einen starken Willen haben.
Wille, Bissigkeit und Leidenschaft wird oft gleichgesetzt mit Zweikämpfen, Tempo-Dribblings, Pressing, schnellen Pässen in die Tiefe, Dynamik, Torschüssen, Läufen, etc.. Diese Situationen entstehen aber meist nur, wenn beide Mannschaften Tore schießen wollen, wenn Räume entstehen, Formationen brüchig werden, lange Bälle geschlagen werden, das Spiel riskanter, instinktiver und undiziplinierter wird. Umgekehrt werden viele Spiele als leidenschaftslos empfunden, wenn (mindestens) eine Mannschaft kompakt und geordnet bleibt und das Risiko scheut. So eine Kompaktheit kann man nicht mit "Leidenschaft" bespielen. Da braucht man Geduld, muss auf die Lücke warten, den Ball laufen lassen und nicht kopflos, sondern organisiert vorgehen.
Gestern machte das aggressive Nachsetzen doch nur Sinn, weil Wehen etwas angeboten hat. Sie standen halt sehr hoch, waren aufgefächert und hatten nicht viele Spieler hinter dem Ball. Sie hatten selbst den Anspruch einer Spitzenmannschaft und wollten aufgrund ihrer individuellen Klasse auch in Duisburg was reißen. Dass sie trotzdem relativ wenig gefährliche Abschlüsse hatten, spricht umso mehr für unsere Mannschaft. Wehen war aber die erste Mannschaft seit den Stuttgarter Kickers, die wirklich immer wieder konsequent nachgeschoben hat. Ein gefundenes Fressen für unser Team. Und dann macht es auch Sinn drauf zu gehen, zu pressen, den riskanten Pass in die Tiefe zu spielen, das 1-gegen-1 zu suchen, direkt zu spielen, große Räume zu covern, Dynamik auszuleben, etc.
Ergo: Ich glaube Willen bringen Profifussballer immer mit. Die verdienen damit ihr Geld, ernähren die Familie, bekommen Ruhm und Anerkennung und fiebern die ganze Woche auf diese 90 Minuten hin. Aber sie können ihren Willen nicht immer ausleben, weil es taktisch oft keinen Sinn macht. Ich will nicht leugnen, dass in den entscheidenen Spielen vielleicht noch mal 2-3% herausgekitzelt werden. Trotzdem dominiert der Wille kein Fussballspiel, sondern die Taktik und die Qualität der Spieler. Wenn es so einfach wäre, würde ein Motivationskünstler reichen, um aufzusteigen und Titel zu holen...