Bitte bloss jetzt keine Wir-steigen-auf-Welle! Es war ein beachtliches Spiel, für mich insbesondere deshalb, weil wir an sich genau da weiter gemacht, wo wir vor der Winterpause aufgehört haben. Die Stickworte bleiben Kontinuität und Effizienzsteigerung. Dafür kann man die Entwicklung von Engin nehmen: so einen Pass bei diesem mustergültigen Konter so auf den freistehenden Mann zu spielen, das ist Extraklasse und nur möglich, wenn man vor dem Spiel einen dicken Schluck aus der Selbstsicherheitspulle genommen hat. Iljutschenko selbst ist vom Chancentod zum gefährlichen Stürmer gereift, hat seine Unvorhersehbarkeit und seine Körperlichkeit dabei komplett behalten, aber mittlerweile viel, viel mehr Kontrolle bei seinen Aktionen. Bei einem Hajri ist es der motivationale Aspekt, krass, wie gut austrainiert, dynamisch und willensstark er sich als Führungsspieler und Hordenältester in dieser Saison nochmals gesteigert hat.
Sowas beruht natürlich alles nicht auf reinem Zufall und ich denke, dass die Begeisterung hier auch deswegen derzeit etwas überschwappt, weil viele chronische Zweifler das Gefühl dafür mittlerweile auch bekommen. Wir oft enttäuschten Fans haben wieder den Eindruck, unsere Mannschaft ist eine Bank, die Spieler lassen es sich eine Ehre sein, für den Meidericher Sportverein anzutreten. Sie können uns dieses Gefühl vermitteln, weil das Klima stimmt, und weil die Aktionen im Einzelnen zunehmend gut sitzen, man so eingespielt ist, dass daraus immer wieder lange Sequenzen eines organischen, quasi blind funktionierenden Zusammenspiels entstehen können. Das macht einfach Spass, wie wir die Räume besetzen, immer doppeln, wie sich direkt Anspielstationen im Kurzpassmodus etablieren, wenn wir die Pille haben. Wie wir, wenn jemand durchkommt, dann eben tief stehend verteidigen, mit Mann und Maus ausputzen. Immer wird antizipiert, kein Fehler führt zu einem Komplettversagen eines auf einmal untätigen Kollektivs, oder bringt das Gesamtgefüge länger aus dem Konzept.
Mustergültig in dieser Hinsicht, wie Kruse, den man über rechts kaum zum Halten kriegte, im Endeffekt doch immer wieder neutralisiert wurde, wie uns seine Gefährlichkeit nicht hinten rein drücken konnte, sondern der Angriff auch nach zwei Toren Vorsprung immer wieder entlastete. Etwas neben der Spur dabei der eingewechselte King, dem das Tor, das so leicht zu erzielen gewesen wäre, sicher verdammt gut getan hätte. Komplett wird das Bild insgesamt aber erst, wenn man sich reinzieht, wie schwach Bochum sich alles in allem präsentiert hat, angefangen von der Körpersprache, noch längst nicht aufgehört bei der Zerfahrenheit im Torabschluss. Als Referenz für die ungefähr erwartbare Spielstärke der Gegner respektive unsere Dominanz und Spielkontrolle in der Rückrunde taugt das Spiel von daher überhaupt nicht. Wir sollten komplett auf dem Teppich bleiben, und zwar mit beiden Füssen, und gespannt drauf sein, wie es gegen Heidenheim wird.
An dem fünften Tabellenplatz begeistert mich persönlich weniger, dass es nur fünf Punkte bis zur Erstligarelegation, aber umso mehr, dass es schon zehn Punkte zur Drittligarelegation sind...!