Das Fest der Superegodekadenz....
Sehr geehrte Damen und Herren,
der MSV ist abermals, und auf eine sehr jämmerliche Art und Weise aus dem Oberhaus des Fussballs abgestiegen. Es tut zwar nicht mehr so weh, wie noch zu Kindertagen, als man eine Woche heulend im eigenen Zimmer verbracht hat, und geübt ist man schließlich auch schon, aber nichtsdestotrotz schwillt der Hals nicht weniger an, bedenkt man die eklatatanten Ein- und Ausfälle dieser Saison. Was sich von vorneherein sehr gut anhörte, und durch den Sieg in Dortmund nur bestätigt wurde, bekam eine Wendung, die ich nicht für möglich gehalten hätte, und die in ihrer logischen Konsequenz sowohl unbarmherzig, als auch vollkommen gerecht war. Um es hier und jetzt schon zu sagen: Der MSV ist vollends verdient aus dieser Liga abgestiegen. Wenn es ein Verein schafft, so unendlich viele Fehler auf einmal zu machen, dann muss man leider anerkennen, daß es keine andere Möglichkeit gab, als den Gang in die Zweitklassigkeit abermals anzutreten. Denn viel besser hat sich der MSV auf keiner Ebene präsentiert, und nur wenig Argumente an die Hand geliefert, warum man eine Berechtigung haben sollte, Fußball auf hohem Niveau anzubieten.
Mannschaft: Vor der Saison, als sich Bommer und Hellmich auf ihre große Einkaufstour begaben, mahnte schon der kleine Zwerg auf der Schulter und sagte: "Alles schön und gut, super, Mittelfeld und Sturm anscheinend klasse verstärkt, gar keine Frage, aber.... bleiben Filipescu und Schlicke wirklich?" Die Frage wurde zwar beiseite geschoben, war aber absolut berechtigt. Im Gegensatz zu der sonstigen Tendenz eines Aufsteigers, die Innenverteidigung auf Biegen und Brechen undurchlässig zu machen, beschloss der MSV einen neuen, innovativen Weg zu gehen, und einfach auf die Holzhacker der Vorsaison zu bauen. Zwar wurde mit Fernando Santos ein weiterer Untauglicher verpflichtet, das war es dann aber auch schon. Spielerisch wollten sie es lösen, nicht mehr dieses Schlamm und Dreckspiel einer Bande aufgedrehter Halbwahnsinniger, der Ball sollte laufen, schnell nach vorne gespielt werden etc. Ging nach hinten los, vollkommen. Und fing schon damit an, daß vor dem Torwart Spieler herumliefen, die partout mit dem Spielgerät auf Kriegsfuß stehen. Vielleicht der erste Fehler einer langen Kette.
Über Tom Starke kann man streiten, wie man will, er hat nicht mehr oder weniger Punkte gekostet, als jeder andere Torhüter auch. Und wenn er nicht den Fehler gemacht hat, dann waren es seine Vorderleute, die ihm in schöner Regelmäßigkeit den Nachmittag vermiesten. Anfangs weit entfernt von jeglicher Souveränität, fing er sich innerhalb der Saison und hielt dem MSV mit im Rennen um die Nichtabstiegsplätze. Beileibe kein überragender Torhüter, und beileibe nicht die Pflaume, für den ihn so viele halten. Aber auch er gab das deutliche Zeichen, daß man von keinem Spieler im Zebradress dieses Jahr Konstanz erwarten kann.
Ebenso nachzusehen bei den Aussenverteidigern, welche einmal die Palette der fußballerischen Fähigkeiten bespielten. Michael Lamey habe ich zwischenzeitlich für den besten Rechtsverteidiger gehalten, der je das Zebradress übergestreift hat, um ihn zwei Wochen später zur Hölle zu wünschen. Von Tobias Willi gar nicht zu reden. Zwar der einzige, der ansatzweise so etwas wie Abstiegskampf inszenierte, blieb er es mindestens die Hinrunde lang schuldig zu beweisen, warum er eigentlich die Berufsbezeichnung Profifußballer für sich in Anspruch nimmt. In seinen besten Momenten war das ganz großer Zirkus, zum Ende hin wirklicher und ernstzunehmender Kampf. Christian Weber war eine einzige Katastrophe. Im Spiel gegen die Bayern zwar ansatzweise sein Können aufblitzen lassen, sorgte er zu Anfang der Hinrunde mit zwei katastrophalen Aktionen für den Verlust wichtiger Punkte, bevor er in der Versenkung verschwand. Einem der besten Rechtsverteidiger der zweiten Liga, wurden ziemlich schnell die Grenzen aufgezeigt, mit viel Vorschußlorbeeren ins Rennen gegangen, verpuffte das alles ganz schnell und übrig blieb ein spielerisches Häufchen Elend. Pablo Caceres war am Anfang da, und dann wieder weg, und dann wieder da. Zumindest den Ball kann er spielen, vielleicht lernt er es noch, in vielen Momenten viel zu aufgedreht, überhastet, mit vielen Fehlern behaftet. Blank und Meyer haben, nachdem sie einen Großteil ihrer Zeit zusammen in der Reha verbrachten, geheiratet. Viel Glück für die Zukunft. Zum Winter wurde noch das kleine Quadrat Avalos verpflichtet, das sich mit seiner latent psychopathisch-rustikalen Art zwar in die Herzen der Fans gespielt hat, nichtsdestotrotz aber mit seinem Querschläger gegen Hannover mit die schlimmsten Punktverluste eingefahren hat. Veigneau sieht aus wie ein Mann für die Zukunft, zumindest hat man von ihm schon einige Bälle gesehen, die ziemlich klug gespielt worden sind.
Das Mittelfeld war eine einzige Baustelle. Zwar in der Zentrale ganz ordentlich besetzt, schaffte es das Kollektiv um Ivo Grlic nicht, das Spiel ansatzweise schnell zu gestalten. Sah es nach der Dortmund Partie noch so aus, als wäre diese Mannschaft befähigt gefälligen Konterfußball anzubieten, war nach einigen Spielen klar, daß man auf der Ebene nichts reissen können wird. Am deutlichsten zeigte sich das ganze Dilemma an den Kameraden Tiffert und Georgiev, welche als Anspielstationen auf der Außenbahn schlichtweg Totalausfälle waren. Eine Mannschaft, welche das Konterspiel nicht für sich in Anspruch nehmen kann, braucht leider viel größere Variationsmöglichkeiten im Mittelfeld, um einen sortierten Gegner unter Druck setzen zu können. Für mich das größte Problem der Saison: Das unheimlich langsame Umschalten von Abwehr auf Angriff und die Einfallslosigkeit, mit der dieses Mittelfeld agierte. Man zähle mal die Tore zusammen, die der MSV erzielte, weil ein vernünftiger und durchdachter Angriff über drei, vier Stationen abgeschlossen worden ist. Mir fallen nicht viele ein. Wenn man aufgrund dieser Umstände dann auch noch die Außenverteidiger mit in die Offensive ziehen muss, um Überzahlsituationen zu schaffen, besagte Spieler aber an ihren schlimmsten Tagen noch nicht einmal Zweitliga-Niveau erreichten, war einem relativ schnell klar, daß das hier ein richtig schweres Unterfangen wird.
Maicon hat die Breite des Spielfeldes für sich entdeckt, ohne anscheinend auch nur zu erahnen, wie weit der Weg bis zum gegnerischen Tor ist. Silvio Schröter, Vrucina, wie sie nicht alle heißen. Keiner hilfreich, niemand, der langfristigen Erfolg verspricht und mit solide noch viel zu gut umschrieben. Mit Adam Bodzek aber zumindest jemanden für die Zukunft gefunden. Hatte ich bei Markus Reiter aber auch schonmal gedacht. Die Zeit wird es schon richten.
Im Sturm hat der MSV sich ein kleines verletzungsanfälliges Juwel ans Land gezogen. Mannaseh Ishiaku ist wohl der kompletteste Stürmer, den der MSV seit Jahren in seinen Reihen begrüßen durfte. Aber auch er alleine reichte nicht aus, und in der Hinterhand befand sich kein Spieler, der ansatzweise Erstliga-Niveau hatte. Klemen Lavric darf gerne so schnell wie möglich das Gelände verlassen, während der Abgang von Markus Daun menschlich zwar schmerzt, aber an sich konsequent ist. Sascha Mölders sollte zwar den MSV ins Paradies schießen, war aber schlichtweg mit den Aufgaben eines Profis überfordert, und wird noch einige Jahre brauchen, um überhaupt in diesem Geschäft Fuß fassen zu können. Mit Niculescu wurde ein ordentlicher zweiter Stürmer verpflichtet, der alleine kaum hilfreich ist. Ach ja, Idrissou war ja auch noch da, bedarf aber keiner weiteren Erklärung. Die Stolperversuche der letzten anderthalb Jahre reichen als Argument gegen ihn vollkommen aus.
Ailton, Roque Junior: Der MSV durfte einmal große weite Welt schnuppern, Torjägerkanone und Weltmeisterglanz. Da in dieser Saison aber alles schief ging, was nur schiefgehen konnte, entwickelten sich diese beiden Geschichten zur Farce, die den MSV immer mehr wie einen Pseudo-Bundesligisten aussehen ließen. Ailton schoß ein einziges Tor, für das er sich auch noch entschuldigte, derweil Roque Junior ein paar Auftritte bewies, daß er dem Rest des Teams um Längen voraus ist, was auch der Grund gewesen sein dürfte, warum er mir nichts, dir nichts den Verein Richtung Wüste verließ. Soviel dazu. Von Ailton wurde sich eine Menge erhofft, gerne wurde er in der 70. Minute eingewechselt, um dann festzustellen, daß seine Wunderheiler-Fähigkeiten auch sehr begrenzt sind. Alle Vorahnungen, die man hatte, bestätigten sich. Ailton stellte sich als der Spinner heraus, für den man ihn schon immer gehalten hatte, derweil Rudi Bommer bewies, daß er mit Typen dieser Art nicht umgehen konnte. Summa summarum: Ein einziges Fiasko.
Verletzungspech: Traf den MSV hart, gar keine Frage. Neben vielen anderen Dingen, sicherlich einer der Gründe, warum es so schwierig wurde. Leider aber auch nicht die finale Ausrede für diese Saison. Das Verletzungspech hat schließlich nicht die Spiele gegen Karlsruhe, Bochum, Hannover, Cottbus, Rostock, Dortmund oder Stuttgart aus der Hand gegeben. Es waren spielerische Mängel, die dazu geführt haben, daß der MSV die engen Partien nicht zu seinen Gunsten entscheiden konnte.
Trainer: Eigentlich möchte ich mir darüber keine Meinung erlauben. Also hier mein dilettantisches Fazit, absolut spekulativ und wenig aussagekräftig. Rudi Bommer hat zu lange an seinem 4-5-1 festgehalten, er hat sich in der Öffentlichkeit einen richtigen Fehler erlaubt, er hat Ailton zwar desöfteren gebracht, dann aber gerne gegen einen tiefstehenden, zumeist in Führung liegenden Gegner, der die Räume eng gemacht hat. Er hat es zwar geschafft sein Team auf den Abstiegskampf einzuschwören, hat es aber versäumt, daß dieses in den entscheidenden Momenten den Sack zumacht, bzw. das Blatt zu seinen Gunsten wendet. Die Matchbälle lagen auf dem Präsentierteller und man hatte genug Zeit wenigstens einen bis zwei zu verwandeln. Darüber täuschen auch nicht die Siege gegen Bremen, Hamburg und Leverkusen hinweg, die eigentlich nur Vorspiel zu den richtig großen Momenten sein sollten. Insgesamt hatte er die Mission Klassenerhalt, und es war das Saisonziel, daß unter seiner Leitung verfehlt worden ist. Und sie verfehlten dieses Ziel, weil sie in ihrer ganzen Anlage zu schnell auszurechnen waren. Der MSV verlor ganz schnell seine spielerische Linie, und hätten wir nicht 6-8 Geistesblitze oder Standardsituationen gehabt, wäre diese Saison schon viel eher vorbei gewesen.
Öffentlichkeitsarbeit: Unglaubliche Katastrophe. Was sich Hellmich und Co. dieses Jahr geleistet haben, geht auf keine Kuhhaut. Erst der Ailton Transfer, massenmedial aufbereitet, komplett gescheitert, hinüber zum Presseboykott, der irgendwie keiner war, ein kleiner Seitenschwenk auf die Fans ("Nur ein paar Idioten"), bis hin zur Jahreshauptversammlung und der nicht erfolgten Entschuldigung, ein einziges Trauerspiel. Der Mann sorgte in schöner Regelmäßigkeit dafür, daß der MSV negativ in die Schlagzeilen geriet, machte sich lächerlich, wo er konnte und war so weit von der Realität entfernt, daß er nicht mehr merkte, wie seine Durchhalteparolen in der Wirkungslosigkeit verpufften. Wirtschaftlich den Verein wieder aufgepeppelt, hofft man, daß durch die Verpflichtung Bruno Hübners, Walter Hellmich sich ganz schnell auf das besinnen wird, was er kann. Dass er in schöner Regelmäßigkeit mit vereinsfremden Schals gesichtet worden ist, zeigt nur an, wie wenig Feingefühl dieser Mann, der sich so gerne als Kind der Strasse und Stehaufmännchen präsentiert, gegenüber den eigenen Fans besitzt.
Jeder hat die Spiele des MSV gesehen, und es macht keinen Sinn, sich jetzt noch die Finger wund zu tippen. Als letzte Form der Eigentherapie vielleicht noch angebracht, möchte ich diese Saison so schnell wie möglich vergessen. Selten habe ich ein Jahr erlebt, welches so viel Zündstoff und Diskussionsbedarf erzeugte, selten so viele dilettantische Reaktionen der Vereinsleitung erlebt, welche sich doch so gerne Profis schimpfen. Vor allem das mangelnde Feingefühl aller Beteiligten, ging unglaublich auf den Senkel. Selten habe ich einen so unorganisierten MSV erlebt, der Ailton, Roque Junior und Mokhtari überleben musste. Dessen spielerische Einfallslosigkeit einem so oft, mindestens eine Halbzeit lang präsentiert wurde, siehe Stuttgart, Rostock oder Hannover. In Berlin, Wolfsburg, Rostock, Karlsruhe liessen sie sich vorführen, derweil sie nur in Bochum bewiesen, daß sie einen Gegner kontinuierlich beschäftigen konnten. Und auch wenn sie die Spiele seltenst hoch verloren, meistens lange im Spiel blieben; spätestens wenn sie zurücklagen, hätte man das Stadion verlassen und nach Hause gehen können. Ob es Charakterschwäche war? In manchen Momenten vielleicht, spielerisch war es phasenweise katastrophal. Zwar sahen die Tore irgendwann einfach nur noch wahnsinnig aus, derweil dieser Umstand gleichzeitig ein Indikator dafür war, daß der MSV die Saison nicht spielerisch über die Runden wird bringen können. Und daher war der MSV nicht Fisch nicht Fleisch, irgendetwas zwischen dem Versuch spielerisch zu glänzen und gleichzeitig den Kampf aufzunehmen. Und bei dem Versuch das alles unter einen Hut zu bringen, machten sie sich lächerlich, wo sie nur konnten und zeigten phasenweise nicht mehr zu ertragenden Leerlauf.
Ich danke allen Beteiligten, die mir diese Saison dennoch irgendwie versüßt haben. Dem Mob aus Bochum, dem Mob in Dortmund, der richtig gute Leistungen abgeliefert hat. Man könnte noch viel mehr schreiben, die Saison war lang. Belassen wir es dabei und denken an die Zukunft.
Ich wünsche allen, nichtsdestotrotz eine schöne Sommerpause und eine mehr als geile EM, in der Hoffnung, daß Bruno Hübner und co. für die nächste Saison ein Team zusammenstellen, daß diesen Namen wieder verdient hat.
Gruß aus Essen
Micha