Jetzt habe ich es leider doch getan und mir trotz momentaner Lungenentzündung (schon über dem Berg) diesen Thread gegeben. Und diesmal möchte ich genau diesen Beitrag, in Teilen stellvertretend für andere, dazu nutzen, um dringendst den Druck auf meinem ganz persönlichen Kessel zu reduzieren. Denn allmählich bin ich über das bloße Kopfschütteln hinaus und kann mir auch nicht mehr einreden, daß ich hier ja nur in einem Forum lese und daß es weiß Gott andere Proböleme in meinem wirklichen Leben gibt.
Ich stelle zunächst fest, daß das gestrige Spiel nicht die Bohne interessiert. Viel wichtiger scheint, übrigens schon seit einigen Spielen zuvor inklusive Confed-Cup, das emotionabehaftete Dreieck "RB Dosenstadt - Nationalmannschaft - Timo Werner". Gut, kann man machen. Aber nicht so! Egal nach welchem Spiel kann ich die Uhr stellen, ab wann die Gebetsmühlen rattern. "Interessiert mich null", "Kommerzbande", "Friedefreudeeierkuchenbäckerei", "Popellöw", "Repto-Bierhoff", "Bayernwolfsburgbayerhoffendosenplastiktruppe" usw. usf. Immer derselbe Chor. Immer dieselben Sänger. Klar, es ist jedermanns gutes Recht immer wieder dasselbe zu verkünden, es wird aber bei jedem weiteren Mal nicht unterhaltsamer oder auch nur interessanter. Zumal im Umkehrschluss damit auch alljene der Kommerzhörigkeit, Kritiklosigkeit und dergleichen Kokolores bezichtigt werden, die bis heute eine andere Sicht auf die Nationalmannschaft haben. Ich selbst jedenfalls empfinde das mittlerweile genauso und meine schon fast irgendeiner Art "Gülen-Bewegung" des deutschen Fußballs anzugehören. Und das ist es auch, was mich ganz besonders daran ärgert.
Nun ausnahmsweise direkt zum Autor des Zitierten:
In dem o.a. "Chor" gibst Du aus meiner Sicht den Dirigenten. Mit wirklich gekonnter Süffisanz dirigierst Du von Allegro zu Scherzo, von Werner zu Löw, von Löw zu den Kommentatoren und von dort wiederum sonstwohin weiter. Allen Zielen gleich ist Deine vollkommene Ungnade. Kommentator x ist zu stromlinienschleimig, Gastexperte y kann es einfach nicht, Müller-Hohenstein sieht einfach nur aus, Spieler a nix, Spieler b nix und Löw, ja Löw ist im Grunde Dein ganz spezieller FC Bayern auf 2 Beinen. Gut, der "Geist der stets verneint" ist ja ein ausgewiesener Klassiker und als solcher ja vermutlich auch ein nicht unwesentlicher Bestandteil der neuerdings festgeschrieben deutschen Leitkultur aber immer und immer dargeboten ist das schon extrem schwere Kost. Widerworte werden dabei zwar klug zugelassen, meist aber doch mit einer Art "wohlwollendem Kopfstreicheln" wieder auf den Weg geschickt. Ich finde das, chapeau an dieser Stelle, irgendwie bewundernswert. Wie auch immer, vielleicht gelingt es mir oder noch besser Dir selbst, hier und da ein paar Dinge rund um die Nationalmannschaft zu entdecken, die Du möglicherweise einmal so durchgehen lassen kannst. Ich bin gespannt darauf.
Zum Schluß noch ein paar ganz subjektive Gedanken zu dem 20 - jährigen "Herrn" Werner:
Daß der Junge kicken kann, steht überwiegend außer Frage (bis auf.....nun ja), weshalb ich mir da meine Bemerkungen klemme.
Doch, eine hätte ich, nämlich die Bemerkung, daß man Werner das "blitzschnelle Reagieren" eben nicht bei Dosenbull "noch und nöcher eingetrichtert" hat, sondern daß ihm das von den Bambinis an beim VfB Stuttgart antrainiert worden ist. Werner hat hier bereits 2 Saisons lang dem Bundesligakader angehört und nicht etwa bei Dosenbach angefangen.
Was nun seine Person betrifft, habe ich da einen gewissen lokalen Informationsvorsprung, den ich hier gerne mit Euch teile.
Werner war zu Beginn seiner Profikarriere schlanke 17 und hier in Stuttgart unter steter Vollbeobachtung seines damals schon über 60 jährigen, sehr dominanten und omnipräsenten, Vaters. Für seine Persönlichkeitsentwicklung war das nicht gut und wenn jeder von uns sich einmal vorstellt, was ein solcher Argus in der Familie für uns bedeutet hätte, gehe ich davon aus, daß die Allermeisten unter uns das Grauen zumindest ansatzweise ahnen können. Mit dem alten Herrn haben hier Betreuer, Trainer, Präsidenten im Interesse von Verein und Tobias Werner manch Strauß ausgefochten, letztlich aber den Kürzeren gezogen. Wie genau es ausgerechnet Rangnick gelungen ist, die festgeschmiedete Zwangsbande zu lösen und Werner in eine fremde Stadt mitzunehmen, ist ein leider gut gehütetes Geheimnis. Geld alleine kann es nicht gewesen sein. Dann also Leipzig. Ohne diesen seltsamen Vater aber auch ohne die wenigen Freunde und ohne die wenigstens väterlich zur Seite stehenden bisherigen Mannschaftskollegen, wie beispielsweise Gentner. Das Vakuum füllt: Rangnick. Und dieser Einfluss ist für einen 19 jährigen nicht gerade derart, sich zu einem charakterstarken und fest auf dem Boden der Anständigkeit stehenden Erwachsenen weiterzubilden. Und ganz im Gegenteil zu alljenen, die Werner nun gnadenlos sämtliche Schwächen vorwerfen, weise ich antizyklisch auf das Gute hin, das sich Werner bis heute bewahrt hat. Dazu gehört nicht wenig und wenn ich hier Stimmen zuhöre, die einen wirklichen Draht zu Timo Werner hatten, ist für mich vollkommen unstrittig, daß dieser Jung sich in seinen naturaliter angelegten guten Charaktereigenschaften in keinster Weise von seinen Altersgenossen, egal ob im Bereich des Profifußballs oder sonst, unterscheidet.
Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der das Wort "Shitstorm" nicht viel anderes bedeutet hat wie extrem unangenehme Wretterverhältnisse und ich kann auch heute nicht einmal ansatzweise etwas mit diesem Phänomen anfangen. Und ganz ehrlich, manche Bemerkungen hier lassen mich wirklich daran zweifeln, ob ich es hier vollumfänglich mit Erwachsenen zu tun habe. Mit Menschen, die beispielsweise die "Lizenz zur Erziehung von Blagen" haben. Mit Leuten, die im Leben stehen, Leuten die Prioritäten setzen können. Aus meiner Sicht ist das hier wirklich ausgeartet und Maß und Ziel sind teilweise abhandengekommen. Die Fähigkeit jedermann faire zweite Chancen einzuräumen ist für mich eine Charakterstärke, von der im Übrigen im Fall der Fälle jeder hier genauso profitieren können soll. Und die allgemeine kollektive Lebenserfahrung schließt niemanden von diesem potentiellen Bedürfnis aus, den auch der Charakterfesteste oder Selbstgerechteste (die Grenze ist nicht besonders undurchlässig) kann unversehens in Situationen geraten, die er nicht für möglich gehalten hätte.
Wie immer: Könnt Ihr auch alles anders sehen. Übrigens ist der Beitrag viel zu unwichtig, um ihn nun mit PNs "geraderücken" zu müssen. Macht einfach weiter oder eben auch nicht.
Und jetzt widme ich mich wieder meinem Antibiotikum und halte die Schnauze.