Ich sehe auch Ingolstadt nächstes Jahr ebenfalls zu den Überraschungsmannschaften für den Abstiegskampf. Auf den ersten Blick mag es überraschen, den FC Ingolstadt in einem Atemzug mit Abstiegskandidaten zu nennen. Doch eine differenzierte Analyse der jüngsten Entwicklung offenbart eine Vielzahl struktureller und sportlicher Probleme, die in ihrer Gesamtheit durchaus die Prognose rechtfertigen, dass der FCI in der kommenden Drittliga-Saison gegen den Abstieg kämpfen könnte. Alles natürlich aus Stand jetzt.
In die letzte Saison ging man mit dem klaren Anspruch, um den Aufstieg mitzuspielen. Die Realität war ernüchternd: Platz 10 in der Endabrechnung, exakt 11 Punkte Abstand sowohl nach oben wie nach unten. Was auf dem Papier nach Mittelmaß klingt, relativiert sich beim Blick auf die Rückrunde – dort belegte Ingolstadt nur Rang 15 der Tabelle. Die sportliche Tendenz zeigte also deutlich nach unten.
Diese Diskrepanz zwischen formulierten Zielen und gezeigter Leistung hat nicht nur sportliche, sondern auch strukturelle Ursachen – und sie spiegelt sich in der öffentlichen Wahrnehmung wider. In Fanforen liest man altbekannte Floskeln, die wir unter Ivo in vergleichbaren Situationen oft gehört haben:
„Söldnertruppe“, „fehlende Identifikation“, „die Spieler rufen ihr Potenzial nicht ab“, „bei anderen Klubs blühen sie plötzlich auf.“ Solche Aussagen sind nicht bloß emotionale Reaktionen, sondern Ausdruck einer nachhaltig gestörten Kaderstruktur.
Die Transferpolitik des Sommers 2024 ist ein Paradebeispiel für konzeptlose Kaderplanung. Man verpflichtete mit Dühring, Heike, Hoppe, Borkowski, Simoni und Besuchkow Spieler, die auf dem Papier den Qualitätsanspruch eines Aufstiegskandidaten erfüllen sollten. Ergänzt wurde das durch vier Talente aus der U19. Der einzige Abgang von Gewicht war Jannik Mause – sportlich sicher schmerzhaft, aber keineswegs ein Aderlass, der eine Destabilisierung rechtfertigt.
Doch das Projekt scheiterte auf ganzer Linie:
- Dühring wechselte nach einem Jahr zum KSC,
- Heike und Borkowski schlossen sich unserem Klub an,
- die Leihe von Simoni wurde im Winter beendet,
- Hoppe absolvierte kein einziges Spiel,
- einzig Besuchkow steht noch im Kader.
Von den U19-Spielern konnte Zeitler mit seinen 10 Treffern nachhaltig auf sich aufmerksam machen. Doch unterm Strich steht eine Transferbilanz, die sportlich und wirtschaftlich als vollkatastrophe einzustufen sind.
Die Entwicklungen beim FC Ingolstadt in dieser Sommerpause werfen aus sportlicher Perspektive ernstzunehmende Fragen auf. Es geht längst nicht mehr nur um einzelne Kaderbewegungen – der Verein verliert aktuell seine gesamte sportliche Basis.
Was nach einer normalen Fluktuation aussehen könnte, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als tiefgreifender Aderlass:
- Mit dem Abgang des Stammtorhüters verliert man nicht nur einen Leistungsträger, sondern auch eine kommunikative Schlüsselfigur.
- In der Abwehr verabschieden sich gleich mehrere Eckpfeiler: der etatmäßige Rechtsverteidiger, der beste Innenverteidiger sowie die Nr. 3 auf dieser Position, der obendrein auch noch bester Vorlagengeber der Schanzer war.
- Im zentralen Mittelfeld gelingt es immerhin, die Struktur weitgehend zu erhalten – doch im Sturm klafft ein Loch: Testroet geht, Grönning (17 Saisontore) ist weg, Heike und Borkowski ebenfalls.
- Faktisch bleibt von der Offensivabteilung nur der junge Zeitler übrig.
In Fankreisen wird das als Chance gefeiert:
„Endlich sind die Söldner weg“ . Und grundsätzlich ist ein personeller Neuanfang in einem stagnierenden Umfeld nicht falsch. Problematisch wird es jedoch, wenn es – wie so oft unter Ivo – an Konzept, Timing und strategischer Tiefe fehlt.
Trotz frühzeitigem Klassenerhalt und klaren Signalen einer notwendigen Neuausrichtung steht der Verein aktuell bei 13 Abgängen lediglich 6 Neuzugängen gegenüber. Viele davon – wie Christensen oder Kaygin – sind ohne Frage talentiert, kommen aber gemeinsam auf gerade einmal 10 Pflichtspieleinsätze in der vergangenen Saison. Das sind keine Spieler, die kurzfristig Führungsrollen übernehmen oder das Niveau sofort anheben können.
Hinzu kommt ein strukturelles Problem, das sich unter Ivo wie ein roter Faden durch die Jahre zieht: Beim Trainingsauftakt steht regelmäßig nur eine Rumpfelf zur Verfügung. Die Kaderplanung zieht sich in aller Regel bis in die ersten Spieltage hinein. Das bedeutet:
- Kein eingespieltes Team zum Saisonstart,
- keine gewachsenen Hierarchien,
- fehlende Abläufe und Automatismen,
- eine insgesamt instabile Frühphase.
All das sind Risikofaktoren, die sich erfahrungsgemäß direkt auf die Punktausbeute auswirken – insbesondere in einer ausgeglichenen und engen 3. Liga.
Eine fachliche Bewertung ist mir von Sabrina Wittmann nicht möglich. Was aber realistisch bedacht werden muss, ist die Tatsache, dass der Männerfußball ein äußerst traditionelles Umfeld ist. Es wäre naiv zu glauben, dass alle Spieler ohne Weiteres damit umgehen können, sich von einer Frau führen zu lassen. Auch wenn es nicht politisch korrekt klingt: Fußballer sind in ihrer Mentalität oft impulsiv, statusbewusst und in vielen Fällen wenig reflektiert – um es diplomatisch zu sagen. Vielleicht interpretiere ich in Borkowskis Aussage aus dem Donaukurier: "Ich habe hier in Ingolstadt zwar herausfordernde Momente erlebt, dadurch aber auch viel über mich als Fußballer und Mensch gelernt, sodass ich die Schanz mit sehr vielen prägenden Erinnerungen verlasse. Jetzt freue ich mich auf die neue Aufgabe in Duisburg".
Bevor der Eindruck entsteht, es handle sich hier um pauschales
„Ivo-Bashing“, möchte ich eines klarstellen: Ich habe persönlich großen Respekt vor Ivo Grlic. Als Mensch schätze ich ihn – und auch sportlich hat er in der Vergangenheit, insbesondere beim MSV, zweifelsohne gute Saisons verantwortet. Er hat bewiesen, dass er in bestimmten Konstellationen funktionierende Teams zusammenstellen kann.
Doch was ich ihm – sportlich gesehen – abspreche, ist die Fähigkeit zur nachhaltigen Lernkurve. Die von ihm durchgeführten Saisonanalysen waren regelmäßig gut gemeint, aber selten konsequent in der Ableitung und Umsetzung. Viel zu oft wurden falsche Schlüsse gezogen – mit dem Ergebnis, dass die darauffolgende Saison nicht besser, sondern in vielen Bereichen sogar problematischer wurde.
Gerade dieses Muster erleben wir aktuell auch bei Ingolstadt wieder:
Die Parallelen zum MSV Duisburg unter seiner sportlichen Leitung sind frappierend.
- verpasste Transfers zum Saisonstart,
- verspätete Kadervervollständigung,
- strukturelle Instabilität trotz klarer Zielsetzung.
Das sind keine Einzelfälle, sondern wiederkehrende strukturelle Defizite, die sich – so ehrlich muss man sein – auch bei seinem neuen Klub fortsetzen. Aber die Vorbereitung hat noch gar nicht richtig gestartet, vielleicht Straft mich Ivo doch Lügen

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