Höner hat aber auch betont, dass es durchaus das Ziel sei, mehr Ballbesitz zu generieren. Konkret sprach er das Hochschieben der ersten Pressinglinie und das daraus resultierende Absenken des PPDA-Wertes von etwa 13 auf etwa 8 an, was im Verlauf der Hinrunde schon gelungen sei. Das stimmt ja auch.
Genau. Auf der einen Seite wird man damit dem selbst formulierten Heavy Metal-Anspruch gerecht, auf der anderen Seite hatten die drei Aufsteiger, die direkt wieder abgestiegen sind, auch durch die Bank kleinere PPDA-Werte als die, die durchmarschiert sind.
Kurz und knapp formuliert heißt das: Dominanz, die man übers Pressing erlangt hat eine Liga höher nicht mehr so viel Wert, weil die Gegner dort technisch und taktisch sauberer spielen und Lösungen gegen das Pressing haben. Umgekehrt hatten die Durchmarschierer größere PPDA-Werte (gleichbedeutend mit tieferem und "weniger" Pressing), aber bessere Werte im Ballbesitz. Dominanz und Spielkontrolle über Ballbesitz scheint perspektivisch wertvoller als Dominanz übers Pressing zu sein.
Natürlich ist ein hohes Pressing deswegen per se nicht schlecht und die Entwicklung des MSV im Laufe der Hinrunde habe ich ja auch positiv bewertet. Aber wenn man den Gegner hoch anläuft und stets unter Druck setzt (diesem also wenig Zeit am Ball gestattet, zu Fehler zwingt und dann auch selbst schnell wieder in den Ballbesitz kommt), aber trotzdem 17. der Ballbesitztabelle zeigt das schlicht und einfach das man selbst mit dem Ball nicht so viel anfangen kann oder möchte.
Etwas schwach kam er für mich nur rüber, als er zum Thema Ballbesitz meinte, dass man in der RL mit "Hacke-Spitze 1 2 3" nicht weiter komme. Das war mir zu plump, weil Ballbesitz ja rein gar nichts mit Schönspielerei zu tun hat. Aber gut...
Genauso ist das. Es geht halt auch im die Entwicklung von Spielerpotentialen. Überspitzt und vereinfacht gesagt: Wenn man einem Messi, einem Musiala, einem Wirtz stets gesagt hätte, höre auf mit der Trickserei und spiel den Ball ab, sie wären niemals zu Weltstars gereift. Und das kann man auf jede Liga und jedes Alter übertragen. Wenn wir jetzt sagen, dass man mit so einem Fußball in der Regionalliga nicht weiter kommt, ist das für den Moment vielleicht richtig, aber dann werden wir es eine Liga darüber auch nicht können. Und diese Aspekte werden zu höheren Ligen immer wichtiger. Das zeigen eigentlich alle Statistiken deutlich.
Am Beispiel Michelbrink erklärt: Ich finde ihn am wertvollsten, wenn man mit ihn als Lockspieler und zum Zerschießen des gegnerischen Pressingtriggers einsetzt. Wir spielen den Ball in den Sechser-/Achterraum, was eine sehr wertvolle Zone für den Gegner in Bezug auf Balleroberungen ist (Stichwort: geschlossene Stellung, Attackieren über die "blind side", Beispiel: das erste Tor von Gütersloh im Rückspiel).
Michelbrink ist ein starker Fintierer, hat einen sauberen ersten Kontakt und eine gute Orientierung. Er kann solche Situationen in neun von zehn Fällen auflösen (hat er unter Schommers oft genug bewiesen). Löst er das auf und kommt idealerweise dann noch in einer Verlagerung, die in mannschaftstaktische Abläufe eingebunden ist (beispielsweise hirschtypische Läufe hinter die Kette), können wir das nicht nur für unsere Zwecke nutzen (also variabler und unberechenbarer sein), sondern auch dem Gegner seine Pressingidee "klauen".
Angenommen Michelbrink "übt" das eine ganze Regionalligasaison. Er wird es auch eine Liga darüber beherrschen und eine enorme Sicherheit und Routine darin haben. Auch wenn er den Ball einige Male verlieren wird und wir vielleicht ein, zwei Gegentore bekommen, es wird ihn langfristig besser machen. Das wird auf der Bank nicht passieren.
Hirsch (und Höner) stellen auf Michelbrinks Position (und auf der Zehn auch) lieber einen guten Zweikämpfer/Läufer, meiden eigene Zuspiele in den Raum, geben dem Ball lieber dem Gegner und versuchen selbst über Zweikämpfe in diesem Raum Bälle zu erobern. Diese Taktik ist legitim und hat in der Hinrunde oft genug funktioniert. Aber er ist - alleine anhand der Daten, die ich zusammen gesucht habe - perspektivisch nicht so wertvoll wie die Entwicklung des eigenen Ballbesitzes. Zudem ist die Idee im Kern reaktiv und es gibt eine stärkere Abhängigkeit von Spielstil und -qualität des Gegners. Er muss die Bälle in die Zonen spielen, wo Hirsch gerne erobern möchte und dann dort auch Unsauberkeiten zeigen (was in höheren Ligen weniger vorkommt), die wir ausnutzen können. Spielt er nicht rein oder macht keine Fehler, verpufft unsere Spielidee.
Und nochmal: Die Daten habe ich nur zusammen gesucht, um die Perspektive zu beleuchten. Ich bezweifle nicht, dass der derzeitige Ansatz funktioniert.
Und da geht es auch um Zweikämpfe, wo Höner meinte, dass man sie in jeder Liga braucht. Natürlich stimmt das. Ohne Zweikämpfe wird man im Fußball immer scheitern. Aber es gibt in höheren Ligen schlicht weniger (vgl.
Defensivduelle), weil das fußballerische Potential größer ist und es weniger chaotische und umkämpfte Spielphasen gibt. Wenn die offensive Spielidee hauptsächlich darauf fußt, dass man Bälle über Zweikämpfe gewinnt, man diese Zweikämpfe in höheren Ligen aber weniger bekommt, wird man schlicht offensiv ungefährlicher.
Was kann dann nur die Lösung sein? Torgefahr aus dem eigenen Ballbesitz erzeugen. Und das kann man am besten üben, wenn man es jetzt schon in der Regionalliga stärker fokussiert. Und davon haben auch Elversberg, Münster und Ulm eine Liga höher profitiert.