Vielleicht selbst naiv, vielleicht aber auch einfach deshalb, weil ich es irgendwie so haben will: Ich nehme Beckenbauer seine behauptete Naivität und Ahnungslosigkeit durchaus ab.
Aber auch abgesehen von meinem aus anatomischen Gründen kaum zu vernachlässigenden Bauchgefühl, sprechen auch einige Fakten dafür, daß Beckenbauer durchaus kein Mensch ist, der komplexere Sachverhalte durchblickt oder gar selbst konstruieren könnte.
Schauen wir allein auf seine Biographie der jungen Jahre, stelle ich fest, daß der junge "Franzl" bis zu seiner Vereinnahmung durch Robert Schwan nichts anderes war, als ein Franz Roth oder ein Katsche Schwarzenbeck (beides Synonyme für kreuzbrave Bayernburschen, deren Horizont bis heute, sehr überspitzt und vielleicht auch völlig ungerecht dahergesagt, exakt an der Eingangstüre ihres Schreibwarenladens endet), der halt zufällig einen Tacken besser kicken konnte. Der Beckenbauer Franz als solcher war im Prinzip nicht weiter als der aus Nördlingen hinzugekommene Müller Gerd. Woher sollte es bei all diesen Buben auch gekommen sein? Daß diese jungen Spieler über eine gewisse ziemlich typisch bayrische Gewitztheit und Bauernschläue mitgebracht haben, ist nicht der Punkt. Fakt ist, daß Beckenbauer dann im Laufe der Zeit durch Robert Schwan zwar auch in gewisser Weise geformt, hauptsächlich aber gelenkt worden ist. Denn Robert Schwan war ganz sicher vor allem eines klar: Mache ich den Beckenbauer selbst zum Schwan, braucht der Beckenbauer keinen Schwan mehr. Ergo: Beckenbauer wurde höchstvermutlich begleitet, abgeschirmt, behütet, keinesfalls aber zu einer Art Ziehsohn erzogen, der des Meisters Ränke später für sich selbst nutzen können sollte.
Und so ist er bis heute geblieben, der Franz. Zwar ist er weit herumgekommen, zwar kannte und kennt er sämtliche Mächtige der Welt von Mao über Reagan und Kaiser Bokassa bis zu Michael Jackson oder sogar Elvis, er selbst war und ist aber niemals derjenige, der das Klavier der Macht selber klimpert. Für mich geht der Franzl noch heute staunend, charmant instinktiv und komplett im Augenblick lebend, durch die Welt und macht dies und macht jenes, wenn ihn seine Spezl nur ganz herzlich darum bitten. Teamchef? Jo mei, mi homms halt gfragt. Bayernpräsi? Jo klor, i hob ja Zeit. Bayerntrainer? Wanns kan Anderen hobn. Alle haben sie ihn gefragt, den Franz. Der Schön Helmut, der Neudecker Willi, der Weisweiler Hennes, der Hoeness Uli, der Tapie Bernard und dann halt auch der Blatter Sepp, der Zwanziger Theo und der Niersbach Wolferl. Alle kennt er, der Franz und für alle meint er es gut. Und weil das alles so leicht und unbeschwert ist, sagt der Franz anno 1987 halt auch dem Uwe: "Präsident? Super Sache Dicker. Ich bei den Bayern, Du beim HSV". Daß dann der Uwe nicht mehr schlafen konnte, nur weil man später seine Vertrauten unlauterer Geschäfte verdächtigte, was sich dann auch als wahr herausstellte, kann der Franz bis heute nicht so ganz verstehen.
Nein. Je länger ich darüber nachdenke, halte ich Beckenbauer immer weniger für den korrupten und intriganten Strategen, der nun, allerdings zu Recht und vielleicht sogar zu seinem eigenen Besten, im Fokus der Justiz steht.