Danke, endlich mal ein positiverer Ausblick und man saugt so etwas ja förmlich auf.
Kam mein Beitrag wirklich so positiv rüber? Von den fünf Gegentoren sind zwei taktisch begründet, aber auch bei den drei Standardtoren muss man die Frage stellen, wie es zu den Standards kam. Und da wird die Taktik auch eine Rolle gespielt haben.
Kurzum: Die beste taktische Idee nützt nix, wenn die Umsetzung fehlerhaft ist. Und an diesem Punkt sind wir im Moment. Man erkennt, das Ziegner etwas anders machen will. Aber konkurrenzfähig ist das alles noch nicht.
Allein, dass es nicht "wir stellen mal ein 4-2-3-1auf und dann regeln wir es über Intensität und Einstellung" ist sondern offenbar tiefergehende Überlegungen dahinter stecken lässt mich schon wieder Bock auf die Saison haben...
Hart formuliert, aber so haben ich Hagen Schmidts Pressing auch oft wahrgenommen. Wenn man keinen Zugriff bekam, wurde das über fehlende Intensität oder Gier begründet. Selten darüber ob der Plan vielleicht gar nicht so ausgeklügelt war.
Ich möchte es mal so sagen: Wenn der Plan nur daraus besteht, den Ball überall auf dem Platz zu jagen, wird man es schwer haben. Dafür ist der Fussballplatz einfach zu groß und auf Profiniveau die Gegner auch zu ballsicher. Man läuft sich den Arsch ab und ist schnell demotiviert, weil man viele Wege umsonst macht. Natürlich hatte Hagen Schmidt auch passive Phasen, aber eigentlich war die Idee von ihm schon den Gegner stets zu stressen. Und das war für mich oft zu plump umgesetzt.
Ziegner macht es nach den samstäglichen Eindrücken (keine Ahnung ob die repräsentativ für die Saison sind) etwas anders. Er läuft die gegnerischen IVs und Torwart nur situativ und wenn, dann lenkend an. Diese Spieler sind aufgrund ihrer offenen Spielstellung sowieso schwer zu pressen. Eine Balleroberung ist da kaum möglich. Dadurch spart man Kräfte und steht im Mittelfeld kompakter (wo man aufgrund der meist geschlossenen oder halboffenen Spielstellung der Gegenspieler viel besser zupacken und erobern kann).
Ich unterscheide da bei meiner Mannschaft gerne zwischen statischem Pressing und jagendem Pressing. Wenn man lenkend anläuft ist das Pressing eher statisch (und kostet wenig Kraft). Es sind nur ein oder zwei Spieler (mit Lenken) aktiv, der Rest "wartet" und macht die Räume eng, in die gelenkt werden soll. Dort wird dann auf Zugriff spekuliert. Weil man in diesen Räumen kompakt und nah dran ist, braucht man dann auch nur ein, zwei Sekunden volle Intensität. Da die ganze Mannschaft, den Moment des geplanten Zugriffs kennt, hat man einen kollektiven Gedankenvorsprung. Obwohl der Gegner den Ball hat, ist der Ansatz in dem Moment trotzdem aktiv und bestimmend.
Das jagende Pressing kommt dann zum Tragen, wenn der Gegner das Lenken umspielt und in die Räume kommt, die man eigentlich "abschneiden" wollte (Samstag wären das die AV von H96 gewesen). Da müssen dann alle mal vier, fünf Sekunden voll drauf punchen (weil man weiter weg von den Gegenspieler steht). Aber auch hier zieht man Kraft aus der kollektiven Idee. Man läuft nicht minutenlang "blind" hinterher, sondern muss nur für einen Moment gemeinsam alles reinwerfen. Mit jedem Pressingerfolg (also Balleroberung oder Klärung) wächst das Vertrauen der Mannschaft in diese Idee und jeder ist bereit den Weg mitzugehen. Dann hat man den Vibe, den man für ein gute Pressing braucht. Der fehlte letzte Saison oft (man sah das an unüberzeugendem Alibi-Anlaufen, abfälligen Handbewegungen und hängenden Schultern).
Auch wenn Ziegners Pressingidee bei der Spieleröffnung des Gegners etwas passiver und abwartender wirkt, ist sie trotzdem mutig. Postionell ist der Unterschied daran zu erkennen, dass unsere offensiven Außen meist höher als die AV des Gegners stehen. Im klassischen 4-2-3-1 oder 4-4-2-Pressing stehen sie dahinter und schieben erst aus der Tiefe auf den Mann bzw. die Seite, wenn der Ball dort hin gespielt wird. Man hat also meist fast alle Spieler hinter dem Ball. Samstag standen unsere Außenstürmer oft zwischen IV und AV des Gegners (um von dort in die Mitte zu lenken und den AV "abzuschneiden", also in den Deckungsschatten zu nehmen). Das ist positionell riskanter, hat aber auch den Vorteil, dass man im Umschaltmoment schon viel Personal "hoch" hat. Aber die Abläufe müssen halt sitzen, sonst brennt`s hinten schnell.
Zudem darf man nicht vergessen, dass H96 und Leitl in einem Testspiel gegen einen unterklassigen Gegner den Anspruch haben alles flach und spielerisch zu lösen. Es gab für uns also viele Gelegenheiten das lenkende Pressing zu üben (man sah da ja auch Anpassungen in Halbzeit 2 was die Intensität und die Pressingauslösung betraf). In der 3.Liga muss man damit rechnen, dass die Gegner unseren Plan kennen, einen Teufel tun werden den Ball in unsere "Pressingfalle" zu spielen und ihn einfach lang drüber bolzen.
Und dann ist der Plan von der Balleroberung nah am gegnerischen Tor erstmal dahin. Aber wenn man die gebolzten Bälle einsammeln kann (was in den meisten Fällen eigentlich kein Problem sein sollte) tritt man in eine Spielphase ein, die ich persönlich sehr gerne mag: Den eigenen Ballbesitz. Und das ist eigentlich die größeren Baustelle. Denn beide Spiephasen (Ballbesitz und Pressing) stehen in einem engen Zusammenhang. Der beste Pressingplan nützt nix, wenn der Gegner drüber bolzt und wir dann mit dem Ballbesitz nix anzufangen wissen. Im Gegenteil. Umso besser wir mit dem Ball sind, desto ungerner gibt der Gegner den Ballbesitz ab und versucht vielleicht doch selbst zu spielen und gibt uns die Möglichkeit aus dem Pressing Torgefahr zu erzeugen. Genauso gilt, umso besser wir pressen, desto aktiver können wir uns den Ballbesitz sichern bzw. zurückholen.
Und der Ballbesitz war am Samstag zwar bemüht, aber zu ungeduldig. Wir sind zu selten in die Halbräume kommen, sondern haben uns auf den Flügel drücken lassen und dann panisch die Linie hoch gespielt.
@Schimanski Was mir zudem noch aufgefallen ist... Die deutlich erkennbare Dreiecksbildung. Das was wir schon in den letzten beiden Spielen in der letzten Saison häufig gesehen haben.
Egal ob im Aufbau oder im Pressing. Das Lenken funktionierte meiner Meinung nach auch deshalb so "akzeptabel" weil die Dreicke ziemlich gut standen.
Das wird oft falsch eingeschätzt (weil man mit gutem Verteidigen immer Ketten verbindet). Eigentlich sind Dreiecke aber auch gegen den Ball sinnvoll (gerade wenn man vorwärts und aktiv verteidigt). Weil das Anlaufen diagonal abgesichert wird. In diesem Zusammenhang wäre eine breite 4-4-2-Raute übrigens noch besser als das 4-3-3 von Samstag, weil der Zehner das Anlaufen der Stürmer absichert.
Und eine weitere Anmerkung. Das ist zwar formativ irgendwie ein 4-3-3 gewesen, aber zumindest in meinem Eindruck standen die offensiven Flügel doch eher in den halbräumen oder?
In meinen Augen im modernen Fussball unabdingbar. Eine statische doppelte Flügelbesetzung ist mit Ball zu ausrechenbar und gegen den Ball zu leicht zu umspielen. Ich bin ein großer Freund von situativen Flügelbesetzungen. Und dann nicht nur von zwei, sondern von drei Spielern: AV, Achter und Stürmer (ggf. sogar noch IV). Da kann man den Flügel sogar mal für einen Moment mit drei Spielern überladen, aber halt nicht dauerhaft. Dafür brauchst du spielintelligente, mutige und kreative Spieler, die die Räume flexibel und fluid besetzen, natürlich immer davon abhängig, wo die anderen zwei und die Gegenspieler stehen. Wichtig ist ständiges Movement und immer eine Dreiecksstruktur zwischen den Dreien zu haben. Dabei ist es egal, wer breit und wer im Halbraum steht. So bekommst du dann auch ein ambitioniertes Pressing angelockt, umspielt und kannst dann über die zentrale Achse (Torwart, Sechser, Zehner) verlagern oder Richtung Grundlinie durchbrechen. Diese Flexibilität hast du nur in den Halbräumen. Sie sind für Ballbesitzmannschaften der wichtigste Raum.