Jede Minute zählt ... 31 - Pausenpfiff

shanghai

3. Liga
Im Rahmen des "Jede Minute zählt..." - Projektes:

Bitte hier Erlebnisse, Besonderheiten oder sonstig Erwähnenswertes posten/verlinken, alles, was sich rund um den MSV in den Spielminuten 31 bis zum Pausenpfiff zugetragen hat.

Datum, Spiel und Minute hinzufügen (wo möglich!).

Anmerkungen, Korrekturen etc. zu Posts bitte per PN an die OriginalautorIn, so dass diese/r die Korrekturen ggf. einarbeiten kann.
 
Freitag, 15. Oktober 1993. Der 12. Spieltag. Der MSV empfängt den ungeschlagenen Tabellenführer aus Frankfurt. Das wusste ich. Frankfurt. Tabellenführer. Ungeschlagen. Okocha. Yeboah. Das waren die Schlagworte, von denen mein Opa meinen damals 10jährigen Ich noch wenige Stunden vor dem Spiel geradezu ehrfürchtig berichtet hat. Dass der MSV zu diesem Zeitpunkt selbst auf Rang Sechs der Tabelle lag, mag er vielleicht auch erwähnt haben, die Tragweite jedoch dieser im historischen Kontext gesehen eher seltenen Platzierung erfassen konnte ich wohl noch nicht. Es war erst mein drittes Spiel, der dritte Besuch im Wedaustadion, und eigentlich wären wir gar nicht hier gewesen, mein Opa, mein Vater und ich, hätten wir nicht Freikarten gewonnen für dieses Gipfeltreffen. Zum Glück. Denn nun saßen wir hier, der Erinnerung nach auf der südlichen Seite der Vortribüne, auf absplitternden Holzbänken, und sahen auf dem in gleißendes Flutlicht getauchten Rasen eine Partie, die einen so ganz anderen Verlauf nahm, als ich es mir vorher ausgemalt hatte.

Okocha. Yeboah. Ungeschlagen. Wie ein furchtbares Ungeheuer mit scharfen Zähnen und einer übernatürlichen Anzahl an riesigen Pranken hatte sich die Eintracht in meiner kindlichen Vorstellung manifestiert. Was sollten wir, der kleine MSV, schon gegen diesen schier übermächtigen Gegner ausrichten? Vielleicht half die Tatsache, dass der gefürchtete Yeboah an diesem Abend gar nicht auflief und der ebenso gefürchtete Okocha nur die letzte halbe Stunde mitwirken durfte (zumindest laut Statistik, in meiner Erinnerung haben sie beide von Anfang an gespielt). Vor allem aber half ein Mann, der in der 42. Minute per Kopf Uli Stein im Tor der Hessen überwand und so den einzigen Treffer des Abends markierte. Sein Name war Michael Preetz, und das ganze besondere daran für mich war, dass ich an eben jenem Vormittag, als mein Opa mir so ehrfürchtig von unserem heutigen Gegner erzählt hatte, ein Tütchen Paninibilder aufriss, in dem sich auch das Bildchen von Michael Preetz befand. Ich hatte den Namen noch nie zuvor gehört, den MSV gab es in meinem Leben erst seit vier unschuldigen Wochen, und daher fragte ich: "Opa, wer ist das?" Und mein Opa sagte: "Mein Kind, das ist Michael Preetz, der ist Stürmer beim MSV. Und pass auf, der schießt heute Abend ein Tor."

Er schoss, und die Zebras schlugen die Unschlagbaren mit 1:0. Es war der erste Sieg, den ich mit den Zebras erlebte, genau genommen war es sogar auch das erste Tor, das ich sah, denn bei meinem ersten Besuch, einem 2:2 gegen Borussia Dortmund, waren mir die Zuschauer und alles andere im weiten Rund noch sehr viel spannender vorgekommen als das Geschehen auf dem Platz, so dass ich bei beiden Toren nicht hingeschaut hatte, und bei meinem zweiten Besuch sah ich ein torloses Remis gegen K*ln. Der erste Sieg, das erste Tor. Hätte man mir damals gesagt, dass ich von beidem in meinem Leben nicht übermäßig viele mit diesem Verein werde feiern können, wer weiß, ob ich dann der Fan wäre, der ich heute bin. Vermutlich aber schon.
 
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17.12.2017 Heimspiel gegen Dresden, 46. Minute

Es ist keine Minute, die mir besonders in Erinnerung geblieben ist, es sind 8 Sekunden:

Die Pause ruft - doch der King fängt links außen noch einmal einen Ball der Dresdner ab und legt diesen klug auf Fröde ab und der schickt mit einem wunderbar temperierten 40 Meter Pass Engin die Linie hinunter gen Grundlinie - und nun zählen die Sekunden.

Es ist schon erstaunlich, wie perfekt sich Frödes Ball im Feld an die Linie schmiegt - und vermutlich auch der erste Punkt, mit dem die Dredner nicht gerechnet hatten - aber noch erstaunlicher ist, was der junge Engin dann aus diesem Superpass macht.

Klar: Er sprintet ersteinmal die Linie hinunter aber erreicht ihn nur eine Spur früher, als der aus der Mitte zu ihm zurück eilende Dresdner Müller.

Im Grunde ist die Szene da durch, denn was will Engin nun mit dem Ball da Außen gegen einen frei parallel laufenden Verteidiger machen?

Das denkt sich wohl auch Müller - und wird einen Ticken langsamer.

Engin dagegen macht genau das Gegenteil: Kaum hat er den Ball am Fuß startet er nochmals durch, und zieht fast gleichzeitig nach innen, den geplätteten Müller kreuzend!

Sensationell!

Müller versucht ob dieser dramatischen Wendung kurz verzweifelt mit den Armen nachzufassen - aber vergebens:

Hatte er Engin gerade noch sicher neben sich an der Außenlinie, zieht dieser nun unaufhaltsam entlang der Grundlinie zum Tor.

Wie schon auf Pauli geht dort der Kopf hoch - und wo am Kiez ein Lupfer kam, schickt Engin dieses Mal den Ball dem zweiten Dresdener Abwehrspieler ganz trocken durch die Beine ins Zentrum.

Dort steht Stani bereit und schiebt ein: 1 : 0!

Pausenpfiff - ein grandioses Jahr 2017 scheint einen wunderbaren Abschluss zu nehmen - und Ahmet Engin gibt nach etlichen Kurzeinsätzen und schon starken Spiel für Stoppelkamp auf Pauli endgültig seine Visitenkarte in Liga 2 ab.
 
04.11.2019 Heimspiel gegen den KFZ Uerdingen 46. Minute

Boah, was für ein dickes Brett das - seit 45 Minuten wogt das Spiel hin und her, besser stampft hin und her, auf diesem tiefen Geläuf. Immer wieder Regen. Unsere Jungs, oder soll man sagen die letzten Verbliebenen, führen, weil Daschi ein weiteres Mal zeigt, dass er in dieser Liga Extraklasse ist und mit einem wunderbaren Außenpann-Volley eine hohe Kopfballabwehr von Außen ins Tor nagelt.

Die Jungs, 6 unter 23, darunter der 19-jährige Gembalies, sind da, arbeiten, sind im Spiel aber ... - eben puhhh - das 1 : 0 ist so dünn.

Pause wäre jetzt schon gut.

Da bekommt Mickels außen kurz vor dem Strafraum noch einmal den Ball - er zieht nach innen, genau so wie er das eben macht, aber ich bin im Kopf von diesem Ackerspiel selbst schon zu langsam, um zu erkennen, was sich da gerade anbahnt, bis dann - bis es plötzlich BÄÄÄÄÄÄMMMMM macht - und Hammer - Wahnsinn - dieser Kerl die Kugel stramm und punktgenau zum Pausenpfiff in den rechten Winkel zimmert wie es schöner einfach nicht sein könnte!

Mein Gott, Mickels - Du Goldjunge!
 
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23.08.2025 Heimspiel gegen Ulm, 47. Minute

Eine drückend überlegen Halbzeit gegen überraschend mittellos agierende Ulmer am 3. Spieltag unserer Rückkehrtsaison in die 3. Liga geht ihrem Ende entgegen. 1 : 0 ist eigentlich zu wenig, aber es ist dann doch wieder eine Führung gegen einen Zweitligaabsteiger. Das ist schon nicht so ganz schlecht.

Trotzdem bin ich unruhig, weil ich eine Woche vorher in Ulm beim Pokalspiel gegen Elversberg live gesehen hatte, dass Ulm nicht so flügellahm bleiben muss. Die jetzt gesehene Halbzeit war safe in MSV Hand - aber was kommt da noch?

Direkt vor unserem Block wird gerade ein Ball ins Aus vertendelt. Unspektakulär. Borkowski will dem Ball mit der Hacke etwas Schwung geben, damit noch ein paar Sekunden weggehen. Als ihm das nicht gelingt, tippt er noch mal mit der Pike leicht nach und der Ball rollt dem sich gerade bückenden Ulmer Röser quasi durch die Hände, 3 Meter zur Bande. Der Ulmer richtet sich sofort auf und stösst Borkowski rüde weg. Ich sage noch zu meinem Bruder, dass Röser einfach gerne zündelt.

In diesem Moment kommt auch schon der japanische Austauschschiedsrichter Koki Nagamine gelaufen, baut sich aber nicht vor Röser auf, beachtet den garnicht, sondern geht direkt zu Borkowski, was dieser zuerst garnicht realisiert, aber spätestens dann doch, als Nagamine die gelbe Karte zückt - denn die genau hatte Borkowski schon bekommen, als er 15 Minuten zuvor den Ex-Duisburger Niki Kölle zugegeben wüst abgeräumt hatte, was dieser mit einer Verletzung bezahlte. Oh Shit! Und so folgt denn auch ein routinierter 2. Griff Nagamines in die Gesässtasche und es leuchtet gut sichtbar Rot durchs Stadion, Heidewitzka, was ein Dreck: 45 Minuten Unterzahl!!!

Meine Sch... - ungute Gedanken mischen sich in ein furioses Pfeifkonzert - Nagamine wird keinen schönen Tag mehr haben, das ist klar - aber wir ganz offensichtlich auch nicht - 45 Minuten sind richtig viel! Na wenigstens langweilig wird es nicht werden... - und das sei hier schon gesagt: Wurde es auch nicht.
 
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