02.12.2023 - Heimspiel MSV VfB Lübeck, 92. Minute
Es ist Dezember und auch die Stimmung bei MSV frostig wie schon lange nicht mehr. Die Mannschaft quält sich durch eine Saison, die primär dazu gemacht zu sein scheint, die unendliche Leidensfähigkeit der MSV-Fans in nochmals neue Regionen zu treiben. Gefühlt 47 Formationen in 16 Spielen haben unter 3 Trainern nicht wirklich funktioniert - man ist abgeschlagen Letzter, und das verdient.
Doch da: Unter der Woche trotzt die Truppe den ambitionierten Saarbrückern, die im Pokal gerade die Bayern bezwungern haben, im Nachholspiel auf einem zünftigen Kartoffelacker ein im wahrsten Sinne des Wortes dreckiges 0 : 0 ab - und entzündet damit eine erste winzige Hoffnungsfunzel.
Nun ist es Samstag: 91 Minuten mühen sich die Jungs schon vor 8000 Unentwegten gegen die direkten Abstiegskonkurrenten aus Lübeck. Vieles sieht passabel aus - aber ein Tor will einfach nicht fallen - schlimmer noch: Ein reguläres Tor Niklas Kölles wird wegen Abseits aberkannt und man entrinnt in der Folge zwei Mal nur ganz knapp einem erneuten Gegentreffer, einem erneuten Rückstand - soll es diese Saison einfach nicht sein?
Die Mannschaft sagt: Doch, es muss!, und marschiert. Noch einmal wird das Herz in die Hand genommen. Kapitän Mai spürt dabei zunehmend die gemachten Meter. Es ist ein gequälter Kampf, vielen Unsauberkeiten - aber es ist ein Kampf.
Noch einmal erzwingt eine scharfe Hereingabe Feltschers eine Ecke.
Pusch oder Pledl? Pusch!
Im Strafraum das übliche Gedrängel - Pusch hebt den rechten Arm, läuft an und zieht die Kugel sauber Richtung erster Pfosten. Da steht Knoll bereit, wird aber übersprungen: Vom Kopf des Lübeckers geht der Ball steil nach oben und in weitem Bogen Richtung zentraler, hinterer 16er, wo der Lübecker Velasco mutterseelenalleine wartet, sich vorbereitend, den Ball endgültig klären zu können. Doch der MSV will jetzt einfach die Entscheidung. Aus dem Rückraum kommend, stielt sich Pledl an den nur nach oben schauenden Lübecker heran und hat so unerwartet von Hinten kommend das bessere Timing: Er gewinnt den Kopfball und noch einmal geht das runde Leder nach norne Richtung 5er.
Lübeck versucht abermals zu klären, aber statt nach weitem Ausholen volley in die Umlaufbahn gejagt zu werden, prallt der Ball vom Knie des Verteidigers nur unkontrolliert in flachem Bogen wieder gen Strafraummitte. Genau da steht der gerade 19 gewordene Castaneda - zwei Lübecker stürzen sofort auf ihn zu, doch er schaltet am schnellsten, bringt den linken Fuss auf den Boden - der Ball springt schräg vor ihm auf und Castaneda nimmt ihn leicht verdreht mit Rechts direkt als Volley, Dropkick oder was auch immer es war - die Welt steht ganz kurz still - gefühlt unendlich langsam fliegt der Ball durch die beiden Lübecker hindurch und an Stierlin vorbei - um dann tatsächlich unhaltbar in den rechten Winkel des Lübecker Tores einzuschlagen - Ausnahmezustand: In der Kurve, in Wohnzimmern und Kneipen vollzieht sich eine tausendfache emotionale Explosion, Schreien, Weinen, Tanzen, Umarmen. Ey wie geil, ey wie lang war das her, so ein Moment, so ein absolut geiler Moment: DANKE!!! WEITER!