Wenn die Spenderniere versagt
VON JÖRG ZITTLAU
(RP) Nierentransplantationen gehören zum medizinischen Alltag. Doch häufig stößt der Körper das neue Organ ab, so auch bei Fußballprofi Ivan Klasnic. Jetzt suchen Ärzte einen neuen Spender für den Bremer.
Bremen Als seine Mannschaft am Sonntagabend im Weserstadion den 3:0-Sieg gegen Hannover 96 feierte, lag Ivan Klasnic deprimiert in einem Bremer Krankenhausbett. Erst am Donnerstag war ihm eine neue Niere eingepflanzt worden, doch sein Körper nahm das Organ nicht an, und so wurde es am Freitagnachmittag wieder entfernt. Eine etwa sechswöchige Untersuchung soll nun klären, warum es zu der akuten Abstoßreaktion kam.
Die Krankenakte von Klasnic beginnt Ende 2005 mit einer Blinddarmoperation. Der Stürmer erreichte danach nicht mehr seine ursprüngliche Leistungsstärke. Er legte an Gewicht zu, und auf seinem Gesicht sah man immer wieder gelbliche Verfärbungen.
Nähere medizinische Untersuchungen ließen schließlich keine Zweifel mehr daran, dass ein Nierenversagen drohte. Ärzte und Patient entschlossen sich im Herbst 2006 zur Operation, um Klasnic ein lebenslanges Schicksal als Dialysepatient zu ersparen, der immer wieder ins Krankenhaus zur Blutwäsche muss. Schon wenige Wochen später fand man eine „Full-House-Niere“, deren Gewebeprofil optimal zum Körper des 27-Jährigen zu passen schien.
Ein Glücksfall, denn normalerweise dauert solch ein Fund mindestens sechs Jahre. Doch schon wenige Stunden nach der Operation wurde klar: Das Immunsystem wollte das neue Organ nicht akzeptieren - und aus der Krankenakte des Stürmers droht ein Drama zu werden.
Der „Fall Klasnic“ lenkt den Blick auf einen chirurgischen Eingriff, der in Deutschland mit fast 2200 Nierentransplantationen pro Jahr zur ärztlichen Routine gehört. Die Quote könnte sogar noch fünfmal so hoch sein, doch es fehlen Spenderorgane. Häufigste Ursachen der Niereninsuffizienz sind Diabetes, Bluthochdruck und Nierenentzündungen. Allein an der Medizinischen Hochschule in Hannover erhält etwa alle zwei Tage ein Patient eine neue Niere.
„Das erste Jahr nach der Operation haben wir weitgehend im Griff“, erklärt der Chef der dortigen Nephrologischen Abteilung, Hermann Haller. Mittlerweile würden über 90 Prozent der Patienten ein Jahr nach der Operation noch leben, akute Abstoßungen wie bei Klasnic seien selten, meistens kämen die Probleme erst später.
Mehr als die Hälfte der Patienten mit einer neuen Niere stirbt an Herzinfarkt oder Schlaganfall. „Jeder zweite bis dritte Patient entwickelt Diabetes, über die Hälfte eine Fettstoffwechselstörung“, erklärt Haller. Was deutlich macht, dass eine neue Niere das gesamte Organsystem beeinflusst. Nichtsdestoweniger lassen sich die geschilderten Probleme medikamentös in den Griff bekommen, sofern sie frühzeitig erkannt werden.
Arzneimittel gehören ohnehin zu den ständigen Begleitern eines Nierenempfängers. Denn damit die Abstoßungsreaktionen unter Kontrolle bleiben, muss er sein Leben lang einen Cocktail von so genannten „Immunsupressiva“ einnehmen.
Die Nebenwirkungen dieser Medikamente sind enorm. Allein ihr negativer Einfluss auf die Infektabwehr verträgt sich eigentlich nicht mit den Fitnessansprüchen, die an einen Spitzensportler wie Klasnic gestellt werden. Dafür liegen die Aussichten bei 82 Prozent, dass die neue Niere auch fünf Jahre später noch funktioniert. Vorausgesetzt, dass sie von einem Lebendspender stammt. Und die Chancen stehen noch besser, wenn der Spender ein naher Verwandter ist.
Laut Bericht der kroatischen Zeitung „Jutarnji“ stammt Klasnics nächste Niere möglicherweise von seinem Bruder Josip. Gesundheitliche Probleme, abgesehen von der prinzipiellen Belastung durch eine Operation, muss er nicht befürchten. Die verbleibende Niere des Spenders lernt im Laufe der Zeit, annähernd „für zwei“ zu arbeiten.
http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/sport/fussball/bundesliga/402161