@Okapi
Noch kurz zu deinem Beitrag von Mittwoch: die Sache mit der Vorbildfunktion ist ganz klar in den Vordergrund gekommen, seit Bierhoff Manager und Löw Trainer ist. Gerade war in meinem lokalen Wurstblatt so ein Interview mit Paul Breitner, da ging es darum, dass der sich früher mal beim Lesen der Mao-Bibel hat fotografieren lassen, und wie egal das allen intern war, wieviel Palaver das aber draussen bei Presseleuten und konservativen Fussballfreunden auslöste. Auf einen Breitner wurde deswegen aber keinesfalls verzichtet, egal, was die 'Bild' schrieb. Das war für mich immer der Massstab, der für die Nationalmannschaft gelten soll: dort die Leistung bringen, dann ist es egal, wieviel mal du geschieden bist, ob du mit der Frau oder Freundin deines Vereinskameraden im Bett warst, was du politisch denkst, oder ob du mehr ein offen unpolitischer Dampfplauderer bist, der sich ständig intellektuell selbst überschätzt, ob du die Hymne mitsingst oder lieber Kaugummi kaust, um dich zu konzentrieren, etc.
Ich finde, im Grossen und Ganzen hat das bis zum Bundestrainer Klinsmann so gegolten, auch bei dem gab es noch richtg schräge Figuren, etwa einen Lehmann, Ballack, Frings, und andere.
Wenn heute die öffentliche Selbstdarstellung von "Die Mannschaft" bis ins letzte Detail verspachtelt erscheint, etwa die ganze Siegesfeier in Berlin eine durchchoreographierte Werbeveranstaltung des Hauptsponsors Mercedes war, der sogar unseren vierten Stern in Besitz nahm, so ist für mich definitiv zu hinterfragen, wer eigentlich die Massstäbe entwickelt, die im Bezug auf die Nationalmannschaft so unter "Vorbildfunktion" in der Öffentlichkeit emittiert werden. Sollen das auch weiterhin sportliche Vorbilder sein, oder sind die von Marktstrategen entworfen, um junge Menschen für die Produkte zu interessieren, mit denen Nationalspieler angeblich herumfahren, die sie zu trinken und zu frühstücken vorgeben?
Und wenn man mit der Vorbildfunktion so mächtig herumfuhrwerkt, dann ist es auch legitim, dass hinterfragt wird, inwieweit die Werbespots, in denen die Nationalmannschaft auftritt, tatsächlich den gewünschten Vorbildcharakter transportieren können. Die machen Werbung für Bier, zwar die alkoholfreie Variante, aber jeder weiss wohl, dass auf der Fete dann der "echte" Bölkstoff in rauhen Mengen fliesst, wohl auch schon für Minderjährige. Die Mercedes-Werbung ist für mich eine beständige Aufforderung, zu rasen - umso zynischer, wenn der Vorbild-Herauskehrer Löw dann selbst auch noch seinen Lappen abgeben musste, und ein anderer Leistungsträger der Mannschaft sogar jahrelang keinen besass, aber trotzdem fleissig Auto fuhr. Schliesslich Nutella, eine ekelhafte Pampe, die Millionen kleine dicke, ständig hibbelige Schulkinder hervorbringt, jedenfalls dann, wenn man sie sich als solche Schicht draufschmiert, wie unsere Weltmeister in den Spots.
Wie gesagt, mir wäre es auch lieber ohne alles das, aber wenn man das strategische Netzwerk mit den Werbepartnern und die detailoptimierte Corporate Identity haben will, muss es auch stimmen, und wird man auch gefragt, was es bedeutet, und ob es nicht Bigotterie ist, wenn man die ganze Zeit als Bundestrainer in der Art von Vorbildern redet, wie Löw es tut.