Zebrastreifenblog – Zwei beeindruckende Dokumentationen über Fußball und Ruhrgebiets-HipHop

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Kees Jaratz

Wenn in TV-Dokumentationen mehr erfahrbar ist als das ursprüngliche Thema, werden sie erst richtig interessant. Dann lässt sich nicht nur das Nischenpublikum des Special Interest gewinnen, dann erhalten Zuschauer grundsätzliche Einsichten in das Funktionieren dieser Welt. Man braucht also kein besonderes Interesse für den TSV 1860 München und den HipHop im Ruhrgebiet, um sich durch zwei ARD-Dokumentationen bereichert zu fühlen.

Wenn wir als Anhänger vom MSV Duisburg die fünfteilige Dokumentation über den TSV 1860 München sehen, werden wir viele Gemeinsamkeiten in unser beider Vereinsgeschichten erkennen. Wir werden uns mit den Anhängern der Münchner Löwen gut identifizieren können. Vielleicht führt das dann auch zu den vielen freundlichen Begegnungen neulich beim Auswärtsspiel dort, von denen MSV-Anhänger berichten konnten.

In der ARD-Mediathek findet sich die fünfteilige Dokumentation zur Geschichte des TSV 1860 München, in der es hauptsächlich um die jüngste Vergangenheit seit dem Einstieg des Investors Hasan Ismaik geht. Um diese letzten Jahre zu verstehen, wird aber auch auf die Präsidentschaft von Karl-Heinz Wildmoser zurückgeblickt.

Die Parallele für beide Vereine liegt auf der Hand. Wildmoser träumte Ende der 90er, Anfang der 00er-Jahre zu Bundesligazeiten des TSV 1860 München von der Glitzerwelt des Fußballs mit dem Stadionneubau der Allianz Arena in Kooperation mit dem FC Bayern München. Bei der Finanzierung des Projekts berücksichtigte er allerdings nicht, was geschieht, wenn die Münchner Löwen in die Zweite Liga absteigen. Das kommt uns doch sehr, sehr bekannt vor. Wer absteigt, gerät schnell in finanzielle Schwierigkeiten. Das ist in München nicht anders als in Duisburg. Später ist der Verantwortliche für diese Begebenheit allerdings nicht mehr im Amt. Andere versuchen den Karren dann aus dem Dreck zu ziehen. Sie sind allerdings Getriebene. Denn der Druck auf die Verantwortlichen im Verein wird groß und größer. Immer kürzer wird die Zeit, in der gehandelt werden kann. Immer schneller müssen Entscheidungen getroffen werden. Bis es schließlich heißt, friss oder stirb. Es bleiben wenige Minuten, um zu überlegen, was tun.

Sieht man diese Bilder über die Münchner Löwen, erhalten auch wir in Duisburg eine Ahnung davon, wie es hinter den Kulissen in den letzten Jahren zugegangen sein muss. Vielleicht werden so jene Kritiker nachsichtiger, die Ingo Wald selbst sein Handeln in Finanzfragen zum Vorwurf machen. Vielleicht erkennen sie dann, unter welchem Druck auch Ingo Wald gestanden haben muss.

Darüber hinaus wird in den vielen Interviews das Atmosphärische dieses Fußballbetriebs deutlich. Es wird erkennbar, wie abhängig der Erfolg ist vom Entstehen einer Gemeinsamkeit im Verein. Fußballprofis erzählen von den Einflüssen des Umfelds, die ihre Leistung mitbestimmt haben. Den Machern der Doku gelingt es, die Persönlichkeiten vieler Protagonisten verstehbar zu machen. Beispielhaft stehen sie für Menschen, wie wir sie auch in Duisburg haben kennengelernt und die wir selbst sind, wenn die Anhänger zu Wort kommen. Die Interviewausschnitte weisen oft über das Gesagte hinaus. Das große Ganze deutet sich dann an – vom Menschen oder vom Fußballbetrieb. Die Doku über die Münchner Löwen ist für jeden MSV-Fan mit Interesse an den Strukturen des Vereins ein Muss, da sie hilft, die Jahre seit Hellmich bis in die Gegenwart hinein besser zu verstehen.

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Folge 1: We go to the top

Folge 2: Der Griff nach den Sternen

Folge 3: Der Anfang vom Ende

Folge 4: Der Fluch der Arena

Folge 5: Einmal Löwe immer Löwe


Vom Fußball zum HipHop führt ein kurzer Weg, weil viele der Ruhrgebiets-Artists auch Anhänger von Fußballvereinen sind. Auf jeden Pottverein wurde schon einmal gerappt, auch auf den MSV, Barracuda tat sich in den Zeiten des Zwangsabstiegs hervor. Zeitloser geht es hier bei Matena zu.

Der HipHop gehört für das im Zebrastreifenblog gesammelte „Heimatlied – Sektion Ruhrstadt“ zu den produktivsten Genres. Seit den 1990ern entstanden Songs, in denen sich auf unterschiedliche Weise die Verbundenheit der Artists mit der Städtelandschaft ausdrückt. Sie rappten über Werte im Arbeitermilieu, über Bedingungen des Aufwachsens in migrantischen Subkulturen oder die Mythen der Region.

Nun ist eine großartige dreiteilige Dokumentation entstanden, in der nichts geringeres als die HipHop-Geschichte des Ruhrgebiets erzählt wird. Es entstand eine Dokumentation, die zugleich zur Kultur- und Strukturgeschichte der Städtelandschaft wurde. Wer sich nur im entferntesten für das Ruhrgebiet und seine Geschichte interessiert, wird an dieser Dokumentation seine Freude haben.

Lakmann One war in den 1990ern Teil von Creutzfeld & Jacob, die natürlich auch in der Heimatliedsammlung ihren Platz haben. Er erzählt als Beteiligter diese Geschichte, er besucht und spricht mit Weggefährten und allen, die ihnen bis in die jüngste Vergangenheit folgten. Dabei beschäftigt ihn und damit auch die Doku die Frage, warum erhält im öffentlichen Bewusstsein der Ruhrgebiet-HipHop nicht die Bedeutung anderer Orte und die ihm durch seinen überregionalen Erfolg eigentlich zustehen müsste? Damit steht er vor derselben Frage, wie sie Schriftsteller früher stellten, die Filmemacher beantworten mussten. Damit wirft er die grundsätzliche Frage auf, wie das Ruhrgebiet als kulturelle Region wahrgenommen wird und was die Künstlerinnen sowie die Künstler selbst dazu beitragen.

Die Folgen dauern jeweils um die 36 Minuten. Auch diese Dokumentation ist sehr lohnenswert. Nebenbei gesagt, das Entstehen solcher Dokumentationen bietet zudem gute Argumente, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Debatten der Gegenwart zu stärken.



Folge 1 – Alte Schule

Folge 2 – Der Pott is back

Folge 3 – Neues Erbe

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Also Teil 1 der HipHop Doku hat mich maximal abgeholt, als 84er Jahrgang genau meine Zeit mit Deutschrap in den Kinderschuhen und die Jungs um Too Strong, RAG, Creutzfeld Jakob sind mir in vorherigen Dokus auch immer zu kurz gekommen.
Klarer Daumen hoch und absolut sehenswert
 
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