Fussball-Bilanz nach der WM

Dieses Thema im Forum "WM 2006" wurde erstellt von Yike, 11 Juli 2006.

  1. Yike

    Yike verstorben

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    Meine positive Überraschung waren die Socceroos, die einen schönen, dynamischen und offensiven Fußball gespielt haben und sich damit wohltuend von vielen anderen Teams abhoben. Die zweite Halbzeit des Spiels gegen Japan gehörte für mich zu den Spielen, die mir wirklich Spass gemacht haben.

    Auf der anderen Seite haben mich die osteuropäischen Teams sehr enttäuscht. Ob mein Sympathieteam aus Tschechien, die Kroaten, die Polen, da kam sehr wenig. Die Ukraine hat zwar das Viertelfinale erreicht, bot aber meist Fußball zum Gruseln.

    Das gesamte Auftreten des brasilianischen Teams war eigentlich unzumutbar. Ich fand viele Spieler regelrecht faul, und statt eines natürlichen Selbstbewusstseins zeigte Brasiliens Team eine unpassende Arroganz.

    Am stärksten hat mich die taktische Einmauerung des Fußballs enttäuscht. Was durch den EM-Gewinn Griechenlands vor zwei Jahren ein Zwischenhoch erreichte, hat sich bei dieser WM noch verstärkt. Der Sicherheitsfußball dominiert, die Spielweise sehr vieler Teams ist ausschliesslich auf Torverhinderung ausgerichtet. Die Schweiz etwa schied ohne Gegentor aus der WM aus, ein absolutes Novum. Mannschaften wie Paraguay sind schon bei früheren Turnieren regelrecht destruktiv in Erscheinung getreten und haben sich seither nicht weiterentwickelt. Wozu auch? Die großen Fußballnationen machen es ja vor.

    Viele Mannschaften gehen nur noch mit einer Sturmspitze ins Spiel. Das war schon in der Champions League auffällig, hier fand es eine Fortsetzung. Es ist wohl einfacher, Spieler in Systeme einzubinden, als kreativen Individualisten ihre Freiräume zu erspielen. Zidane, Figo, Riquelme oder Shewa wirken inzwischen wie Auslaufmodelle. Auch ein Ballack ordnet sich vor allem ins System ein, schirmt gegnerische Kreativspieler ab, setzt aber nur selten offensive Akzente. Immerhin bereitete er das 2:0 gegen Equador und den Ausgleich gegen Argentinien vor.

    Dem haben taktisch noch unerfahrene Neulinge nur Lauf- und Einsatzbereitschaft entgegenzusetzen, die aber meist an der Unfähigkeit scheitern, gegen die dominierenden Abwehrketten Tore zu erzielen. Das fiel vor allem bei den afrikanischen Teilnehmern auf. Die neue Ausrichtung des spanischen Fußballs, wo Aragones ähnlich wie Klinsmann als Reformer antrat, wurde nicht belohnt, was ich sehr schade finde. Trotzdem ist Spanien für mich ein Hoffnungsträger für die Zukunft. Das waren auch mal die Niederlande, aber die fand ich bei dieser WM uninspiriert und ohne fußballerische Impulse.

    Das deutsche Team gehörte für mich zu den Mannschaften, die auch mit eigener Initiative Spiele entscheiden wollten. Allerdings war ab dem Viertelfinale auch eine Taktikänderung festzustellen. Den Argentiniern wurde die Spielfreude genommen, das war der Schlüssel zum Halbfinaleinzug. In diesem war es dann ausgerechnet Italien, die den Schalter entscheidend umgestellt hatten, und Deutschland mit einem Fußball schlugen, den das DFB-Team selbst etwa nach dem Rückstand gegen Argentinien spielte. Die ganz große Wiedergeburt des Fußballs ging auch von unserem Team nicht aus, immerhin, es reichte, um sich von vielen anderen Mannschaften positiv abzuheben, bei denen die Ketten mehr und mehr zu Fesseln des Spiels werden.

    Für die Zukunft stimmt mich die Erstarrung des Fußballs bei diesem Turnier sehr skeptisch. Denn ich glaube, viele Vereinstrainer werden mit dem Argument "so wird man Weltmeister" die Vorgaben des Turniers in ihre eigene Arbeit einfliessen lassen.
     
  2. OFCFanM

    OFCFanM Kreisliga

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    Was mir bei Deinen größtenteils guten Ausführungen am meisten ins Auge stach, war die Kritik an den Ketten, denn bis heute habe ich noch KEINE einleuchtende und unerschütterbare Begründung für das götzenanbetende hinterhergerenne ALLER Mannschaften/Trainer hinter diesen 4er-/3er- oder sonstwas-Ketten gehört oder gelesen.

    Modern hin, modern her, ich muß beileibe nicht das tun, wovon ich meine, daß es alle anderen auch tun ... Netzer sprach es aus, indem er sagte, daß es eine Art Kodex gäbe, daß z.B. Zidane niemals in Manndeckung genommen wird, obgleich das die unbestritten erfolgversprechendste Form der Ausschaltung eines gegnerischen Spielmaches wäre.
     
  3. Old School

    Old School 1. Liga

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    Ein ähnliches Fazit habe ich schon während der WM gezogen.

    Deutschland ist gegen den Strom geschwommen, indem es in jedem Spiel mit zwei lupenreinen Sturmspitzen auftrat und sich die meisten Torchancen aller Teilnehmer herausspielte. Dabei überraschend, dass Deutschland die meisten Tore herausspielte oder durch sehenswerte Distanzschüsse erzielte. Vor der WM gingen viele noch davon aus, Deutschland werde überwiegend durch Standardsituationen Gefahr in gegnerischen Strafräumen heraufbeschwören können. Klinsmann hat Mut bewiesen und wurde belohnt.

    Zu Deutschland ist genug gesagt.

    Die anderen Teilnehmer:


    Costa Rica: Erwartungsgemäß.

    Ecuador: Widerlegte seine Kritiker, es könne nur in der Höhe erfolgreich sein.

    Polen: Leidenschafts- und ideenlos.

    England: Mittelalterlich.

    Paraguay: Alles nur nicht Fußball.

    Trindad und Tobago: Konnte nicht anders als sympathisch zu sein.

    Schweden: Hochgeredet.

    Argentinien: Stark aber erfolglos.

    Elfenbeinküste: Es fehlte vielmehr als manche glaubten.

    Serbien: Ohne Leben.

    Holland: Individualismus und Rooben bis zum bitteren Ende.

    Mexiko: Blieb hinter den Erwartungen seiner vielen Fans zurück.

    Iran: Ohne Chance.

    Angola: Auch hier blieb die Überraschung aus.

    Portugal: Tricks statt Klasse.

    USA: Zurück zum Entwicklungsland.

    Tschechien: Potential ohne Widerstand.

    Italien: Ritter des Glücks.

    Ghana: Erfrischend.

    Australien: Hohe Moral und viel Frische.

    Japan: Der Kampf eines Zwergs.

    Korea: Im Zeugnis steht: Stets bemüht...

    Togo: Uneffektiv und geldbesessen.

    Frankreich: Kompakter Vizeweltmeister.

    Schweiz: Große Chance vertan.

    Brasilien: Keine Mannschaft, keine Disziplin.

    Kroatien: Mit begrenzten Mitteln fast alles versucht.

    Spanien: Wie immer.

    Ukraine: Unattraktive Maurermeister.

    Tunesien: Hätte man mehr zugetraut.

    Saudi Arabien: Wird immer ein Zweg bleiben.
     
  4. JimPanse

    JimPanse 3. Liga

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    Tja leider gibt es scheinbar keine Spiele mehr der Güte "offener Schlagabtausch". Das letzte Spiel, dass diesem Prädikat gerecht wurde, haben uns der MSV und und Burghausen geschenkt. Das legendäre 4:3!!
    Kann mich sonst an kein Spiel erinnern, welches so mitreissend und spannend war. Oder?
     
  5. Kersch

    Kersch Bezirksliga

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    Also mein Favorit der letzten Saison war das UEFA-Cup-Rückspiel Hamburg-Bukarest. Sehr packend bis zum Abpfiff, am Ende fehlte dem HSV ein mageres Törchen zum Weiterkommen.
    Bei der WM hat mir Argentinien-Elfenbeinküste sehr gut gefallen. Die Ivorer haben eine Art, Fußball zu spielen, die mich fasziniert hat. Allein die Ballannahme ...:rolleyes: Schade, dass es nicht zu mehr gereicht hat.
     
  6. Für mich war es die schönste WM, an die ich mich erinnern kann, allerdings mit dem schlechtesten Fussball.
     
  7. Hagi

    Hagi Regionalliga

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    vom wm feeling her war das schon ne geile sache, aber was die leute da auf dem rasen gezeigt haben :mecker:

    zum gück geht die bundesliga bald wieder los, da sind diese starren systeme zum glück nicht praktikabel bzw der leistungsunterschied zu hoch, so dass es offensiveren fußball zu sehen gibt!

    bin mal gespannt in welcher form die T-Com Bundesliga von der wm profitiert, ich glaub das wird bitter...
     
  8. Gizmo

    Gizmo Casanova

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    Zwra beide mit schlechtem Ende für uns, aber beide male sind 8 Tore gefallen un das find ich schon offener Schlagabtausch ;)

    Also in der Bundesliga sieht man das gerade bei Bremen oft... wird alles bissl schlimmer gedreht, als es eigentlich ist.
     
  9. Auf die Bundesliga wird das null Auswirkungen haben. Du benötigst ja in der Regel 3 Punkte und kannst dich nicht in irgendeine Verlängerung oder Elferschießen retten. Siegen oder Fliegen!

    Meine Vorfreude hielt sich schon vor der WM in Grenzen, weil das spielerische Niveau seit Jahren nicht so hoch ist, wie es immer gepuscht wird. Ich glaube einfach, dass die Mannschaften in der Ch-League mehr auf dem Trichter haben. Lasst mal Italien, Deutschland oder Frankreich gegen Bayern, Mailand, Chelsea, Madrid antreten.Ich glaube, die Vereine würden sich in der Mehrzahl durchsetzen.

    Die Nationalteams sind erstens nicht eingespielt, außerdem sind dann viele Positionen mit Spielern besetzt, die nur spielen, weil das Land nichts Besseres hergibt. Umgekehrt spielen bei kleineren Nationen oft Topstürmer wie Drogba, die dann vorne verhungern. Deshalb sollte man den fußballerischen Aspekt einer WM nicht so hoch ansiedeln.

    Im Übrigen würde ich mal vorschlagen, die WM nicht in einem Land, sondern Hin-und Rückspiele in den Ländern der Teilnehmer auszutragen, also im Ch-League-Modus.
    So Enttäuschungen wie Brasilien oder England hätten sich sicher vor eigenem Publikum anders verkauft.
     

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