Geschichten aus Afrika

Dieses Thema im Forum "WM 2010" wurde erstellt von Yike, 8 Januar 2010.

  1. Yike

    Yike verstorben

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    Tanzania
    "Fußball ist der Grund dafür, dass wir Füße haben"


    Eine Fußball-WM findet 2010 erstmals in Afrika statt - der Ball aber wird auf dem Kontinent wirklich überall gespielt: Während der Gefechtspausen in Mogadischu, in den Flüchtlingslagern Sudans, in den Slums Nairobis. Thilo Thielke hat sich für sein Buch "Traumfußball" auf Entdeckungsreise begeben.


    Fußball ist in Afrika überall: Das durfte auch der neue ungarische Coach der ugandischen Nationalmannschaft erleben. Kaum war Csaba László im Lande - das neue Haus noch nicht bezugsfertig und die Familie deshalb für zwei Monate im noblen Sheraton Kampala einquartiert - als er auf der Hotelterrasse entspannte und glaubte, er höre nicht richtig. Es war ein Mittwochabend, da erscholl von überallher Jubel - "Goooooooooal, wie in einem richtigen Stadion". Der Trainer dachte, schön, da findet wohl in der Nähe gerade ein Spiel statt. Da ertönte es aus einer anderen Richtung: Goooooooooal", und plötzlich "Goooooooooal" von Norden und "Gooooooal" von Süden, aus allen Himmelsrichtungen.





    Csaba László wunderte sich: "Müssen die hier viele Stadien haben, müssen die viele Spiele austragen, müssen die viele Fans haben." Aber ach, es kam heraus, die Premier League spielte. Und wenn an der Anfield Road oder an der Stamford Bridge gekickt und gerusht wird, dann sitzt halb Kampala versammelt in irgendeiner Kaschemme vor der Glotze, vor sich ein Bell Bier und am Leib ein Hemd in rot oder blau oder rotweißgestreift, und feuert Vereine im fernen Albion an - in der Heimat der einstigen Kolonialherren wohlgemerkt. Rule Britannia also immer noch, auch mehr als vierzig Jahre nach der Unabhängigkeit - was für eine Ironie der Geschichte. Welch ungewöhnliche Fußballbegeisterung.

    Der Reisende, der sich Deutschland zum ersten Mal nähert, nimmt vermutlich gepflegte Hecken, vollgeschmierte Häuserfassaden und wohlsortierte Schaufensterauslagen im Neonlicht wahr. Er sieht Menschen in Mänteln, die an roten Ampeln warten, und Autos, die nicht hupen, und Mauern aus gelben, grünen und schwarzen Mülltonnen. Mit Fußball aber kommt er ausgerechnet im Lande des dreimaligen Welt- wie Europameisters nur in Berührung, wenn er ein Stadion (neudeutsch: Arena), einen eingezäunten Bolzplatz oder einen eingetragenen Verein (e.V.) betritt - oder meinetwegen in einer Fernsehkneipe landet, in der das gemeinschaftliche Fußballgucken jetzt lustigerweise "Public Viewing" (englisch so viel wie: Tag der offenen Tür oder Leichenbeschau) genannt wird.


    Quelle und weiterlesen: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,668739,00.html
     

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