Ich habe einen Kommentar auf spielverlagerung.de zum MSV geschrieben.
Beim Schreiben ist mir aufgefallen, dass er auch hier sehr gut reinpasst, auch wenn er nicht ins Detail geht, sondern eher allgemein gehalten ist.
Beim MSV, den ich fast jede Woche sehe, fallen zwei Kernpunkte in der Spielanlage auf:
- möglichst viel Action und Abschlüsse im gegnerischen Drittel (Ball schnell nach vorne und dann druff)
- im eigenen Ballbesitz werden Situationen, die dem Gegner Konter, Umschalt- und Pressingaktionen ermöglichen, grundsätzlich vermeiden, also Risikominimierung.
Konkret heisst das:
- lange Spieleröffnung, wenn der Gegner lauert oder zustellt
- flache Anspiele auf die Sechs werden nur bei ausreichend Zeit und Raum gespielt, meist geht`s den Flügel hoch
- passives Mittelfeldpressing wenn der Gegner aufbaut, um die Kompaktheit zu wahren
- auf Balleroberungen im Mittelfeld lauern und dann schnell umschalten (Stürmer kommt zum Ballhalten und Klatschen lassen entgegen, die Außen werden in die Räume und in Dribblings geschickt)
- situativ wird auch mal höher angelaufen oder zugestellt
- situativ wird auf einen Pressingtrigger auch mal aktiver und kollektiver angelaufen, aber beides nur phasenweise
- bei Ballverlust im eigenen Ballbesitz aggressives Gegenpressing in Ballnähe, der Rest lässt sich eher fallen
Interessant ist der Ansatz deswegen, weil man in der 3.Liga noch auf viel geduldigen Spielaufbau und Spielkontrolle über Ballbesitz gesetzt hat. Jetzt ist mehr Chaos. Aber die passenden Leute wurden dazu verpflichtet. Schnelle, mutige und ggf. auch mal ballhaltende und abschlussuchende Außen, die invers spielen, so dass man mit den zwei Stürmern vier Spieler in "Boxnähe" hat. Ein kopfballstarker Sechser, der gebolzte gegnerische Bälle kontrolliert. Ein Stürmer, der sich fallen lässt und situativ den Zehnerraum bespielt.
Interessant ist auch noch die Personalie Schnellhardt, der von den Anlagen so eine Mischung aus Kroos und Max Meyer ist. Er ist beidfüssig sehr passstark, kann sich mit kurzen Körpertäuschungen und Drehungen aus Engen und Pressingsituationen befreien, verlagert stark, hat einen unberechenbaren, kreativen ersten Kontakt, ist aber in den klassischen Sechsertugenden eher schwach. Der jetzige Spielansatz fokussiert seine Stärken nicht mehr zwingend und die Einbindung ist von einer gewissen Unkonstanz geprägt. Aber er ist trotzdem oft wertvoll, weil er in dem Chaos eine Anspielstation in der Tiefe darstellt bzw. Engen gut auflösen kann. Zudem kann er im Ballbesitzsspiel, wenn der Gegner sich komplett zurückzieht und nur noch reaktiv verwaltet, wichtig sein. Er ist dann der Ankerpunkt im Plan B, dazu die Ballbesitz-Erfahrungen des ganzen Teams aus der 3.Liga.
Nichtsdestotrotz ist der MSV individuell und fussballerisch den meisten Teams in der Summe unterlegen. Im Moment kommt halt der Faktor Selbstvertrauen, breite Brust, wenig Verletzte und eingeschworene Gemeinschaft hinzu.
Zudem ist der MSV in der Hinrunde ein paar Mal verhauen worden (Nürnberg, Düsseldorf) als man zwar das Spiel machte, sich aber auskontern ließ. Diese Erfahrungen stärkten den Glauben bei Mannschaft und Anhang, dass das meist passive Mittelfeldpressing für die Kaderqualität alternativlos ist. Das ganze wird seitdem nach meiner Einschätzung noch geduldiger und kollektiver durchgeführt.
In der Summe also taktisch nicht besonderes, teilweise sogar ziemlich bieder und wenig hipp. Aber alle Spielphasen werden kollektiv und klar umrissen umgesetzt. Das reichehme dafür malt im Moment für Platz 5 (für den Aufstiegskampf aber natürlich nicht, auch wenn ich mich selbst dabei erwische, den Abstand nach oben zu checken

).