Vorab: Ich habe nur die ersten 35 bis 40 Minuten gesehen, dazu noch in schlechter Auflösung, so dass ich die Spieler nicht erkennen konnte.
Genauso fand ich das, was ich gesehen habe, auch nicht so prickelnd. Aber ich versuche trotzdem mal der - teilweise heftigen - Kritik etwas entgegen zu setzen.
Tut denn eine solche Anpassung an einen Gegner wie Dresden Not?
In Aue hat letzte Saison eine taktische Anpassung den entscheidenen Schritt zum Klassenerhalt gebracht.
Eine schwächere Heimmannschaft kann ich mir kaum vorstellen, deren Lehren aus Platz 18 in der Heimtabelle der vergangenen Saison ein hohes Maß an Passivität waren.
Dresden hat unter Neuhaus immer einen gewissen Dominanzanspruch gehabt. Spielkontrolle über Ballbesitz und Ballzirkulation. Unabhängig davon wie erfolgreich das war, der Gegner musste sich oft Dresden anpassen, nicht umgekehrt.
So auch letzte Saison bei unserem Gastspiel. Der Großteil des Spiels waren wir reaktiv und abwartend. Passives und kompaktes 442-Mittelfeldpressing. 37% Ballbesitz bis zum Gegentreffer.
Gestern hatte ich den Eindruck, dass man den Dresdener die Spielkontrolle streitig machen wollte (ganz unabhängig davon, wie erfolgreich es am Ende war). Du schreibst es ja selber:
Allerdings: Was wir gestern gespielt haben, war ja nicht unbedingt defensiv veranlagt. Bei den derart weit nach vorne verschobenen Außenverteidigern wurde aus der alten 4er- häufig eine 3er Kette.
So ist es. Wenn man bei whoscored die Ballkontakte und Pässe von
Wolze/Wiegel mit denen von
Wolze/Klotz letzte Saison vergleicht, standen sie deutlich höher und breiter.
Und an dieser Stelle stört mich auch die Diskussion hier im Forum, dass das gestern eine Angsthasen- oder Mauertaktik war. War es nicht. Wir wollten Dresden gestern auf Augenhöhe begegnen. Wir sind aufgetreten wie ein etablierter Zweitligist und nicht wie ein Aufsteiger. Wenn man es positiv sehen will (fällt mir aber auch schwer

), war das gestern der Versuch, den nächsten Schritt in der Entwicklung zu gehen. Dabei sind Rückschläge normal und gehören zum Lernverlauf dazu.
Letzte Saison waren wir nach meiner Wahrnehmung im 442 defensiv relativ stabil, wenn der Gegner klaren Ballbesitz hatte. Die Anfälligkeit kam erst, wenn wir selbst das Spiel gemacht haben und der Gegner auf Konter gelauert hat. Und hier kommt die dreifach-Absicherung ins Spiel. Wenn wir selbst den Anspruch haben, einen Gegner zu dominieren bzw. auf Augenhöhe zu begegnen, kann es Sinn machen, den eigenen Ballbesitz dreifach abzusichern, und nicht zweifach wie bei einer Viererkette mit hoch gezogenen Außen.
Dass es gestern nicht am System lag, ist übrigens klar. Kein im Weltfußball erprobtes System ist von grundauf falsch. Du kannst damit Titel gewinnen, keine Frage. Aber wie du schon sagtest, gibt die Umsetzung den Ausschlag und diese hängt wiederum vom Spielermaterial ab.
Sehe ich auch so. Bei dieser Diskussion wird leider das Wort Taktik oft mit der formativen Anordnung gleichgesetzt. Und das ist schlicht falsch. Taktik und Formation müssen klar getrennt werden.
Was allerdings auch mich gestern gestört hat war die Umsetzung. Wenn ich im Mittelfeldzentrum drei Spieler in Dreiecksanordnung habe und wenn ich in der erster Aufbaulinie die Halbräume konstant besetzt habe, dann muss ich mehr Fussball, sprich Kurzpass, spielen. Dann kann ich nicht die Bälle immer wieder nach vorne dreschen und in den offensiven Umschaltmomenten so zögerlich und teilnahmslos im Freilaufverhalten sein. Sie können es doch viel besser. Ich habe es in Tirol mehrfach gesehen.
Im Gegenteil war das "nach-vorne-kloppen" nach meinem Empfinden ein elementarer Grund dafür, dass das 532 nicht gut funktioniert. Diese scheinbare Orientierungs- und Zugriffslosigkeit der einzigen Außen und die Tempoprobleme bei den Halbverteidigern wurden gerade in den Umschaltmomente offen gelegt. Und viele Umschaltmomente enstanden wiederum, als wir die Bälle lang geschlagen haben und als wir die Desdner dazu gezwungen haben, dies auch zu tun (z.B. durch hohes Zustellen, wie wir es teilweise gemacht haben (übrigens auch ein Zeichen dafür, dass wir mutiger als letzte Saison in Dresden gespielt haben)).
Für einen offenen Schlagabtausch, den auch wir provoziert haben, brauche ich kein zentrumslastiges 532. Da sollte man die Flügel doppel besetzt haben und mit klaren Aufgabenverteilungen, sprich Verteidiger und Angreifer spielen. Jede Hybridrolle erfordert enormes taktisches Verständnis und/oder mannschaftlich perfekte Einbindung. Ansonsten sieht es schnell nach Hühnerhaufen aus.
Mich würde aber mal interessieren, ob unser diesjähriger Kader nicht auch für ein offensives 4-3-3 geeignet ist. Diese Frage richte ich gezielt an unseren Cheftaktiker
@Schimanski . Wir haben meiner Meinung nach ballsichere Spieler für ein ordentliches Kurzpassspiel.
Ja, haben wir. Können wir auch. Trainieren wir auch. Fröde ist zudem am Ball stärker geworden und dreht sich geschickter auf. Leider sehe ich die gleichen Probleme wie du. IV sind zu langsam und zu spielschwach für ein dominantes 433. Zudem weiß ich aber auch, dass die Spielidee lang auf einen Stürmer (der die Bälle mit dem Rücken zum Tor verarbeiten kann) und dann auf die zweiten Bälle gehen, weiter elementarer Bestandteil unserer Spielidee bleibt. Sieht man ja auch an den Transfers im Sturm.
Deswegen glaube ich auch nicht, dass Gruev in näherer Zukunft von der Zwei-Stürmer-Taktik ablässt. Wir wollen Präsenz in der Box. Wir wollen Abschlüsse. Wir wollen den Gegner offensiv beschäftigen. Eine unserer Stärken von der letzten Saison übrigens.
In diesem Zusammenhang finde ich das Geschrei über unsere offensiven Außen, die nur auf der Bank saßen, auch etwas zu unreflektiert und einseitig. Stoppelkamp, Souza und Engin sind ja keine Außenspieler, die bis zur Grundlinie hoch rennen und dann die Bälle flanken oder in den Rückraum passen (Gyau übrigens auch nicht). Solche Situationen gab es auch letzte Saison ganz selten. Wir wollen in den Räumen neben den gegnerischen Eckfahnen nicht spielen. Letzte Saison nicht und diese Saison wohl auch nicht. Diese Räume sind für das Trainerteam unattraktiv. Das ist nicht Teil unserer Spielanlage. Letzte Saison sind unsere Außen bevorzugt in die Mitte gezogen, also in den - im 442 eigentlich unbesetzten - Zehnerraum. Im 532 sind diese Räume schon formativ besetzt, also im Kern besser über Passspiel und Ballzirkulation erreichbar. Da muss man halt abwägen, worauf man sich fokussieren will. Das hängt natürlich auch vom Gegner, dessen Stärken und Schwächen und Spielweise ab.
Die Transferpolitik deutet aber nicht darauf hin, dass man den Weg der letzten Saison aufgeben will. Ich denke und hoffe, man möchte durch das 532 variabler sein und vielleicht auch - über die Saison gesehen - etwas dominanter auftreten, um sich in der Liga zu etablieren. Gestern war es sicherlich in vielerlei Hinsicht schlecht und unpassend/fehlerbehaftet umgesetzt, aber Leben ist Scheitern......und der Kluge steht wieder auf und weiß danach ein bisschen mehr
