Puh, das ist zum Teil echt hart hier. Das trifft aber wie so oft für beide Seiten einer Münze zu - und in diesem Fall gibt es in diesem Portal immer noch überraschend viele und gute Grautöne, die das Lesen lesenswert machen und da sollte man sich nichts einreden lassen. Abgesehen von ein paar Ausschlägen in die 'alles Mist' oder 'alles supi' Richtung, die sich dann gegenseitig den Vereinswechsel nahelegen, habe ich hier eine überwiegende Mehrzahl an guten Posting gesehen, die alle vor allem ihre große Sorge um den Meidericher Spielverein ausdrücken. Das man hier nicht immer einer Meinung ist, ist klar. Sonst bräuchten wir dieses Forum nicht.
Was die heutige Ankündigung angeht: Das war für mich ein echter Schuss in den Ofen.
Wie das ganze kommunikativ aufgezogen wurde, halte ich schon für sehr fragwürdig. Ich würde Andreas nicht bitten, mit der Kommunikation aufzuhören, sondern einfach, diese anders zu gestalten. Es hätte doch ausgereicht zu sagen, dass man derzeit Strategiegespräche führt und der Verein am Dienstag darüber kommunizieren wird. Das hätte auch Spekulationen angeregt, wenn man es schon unbedingt vorher kommunizieren will, aber keine konkreten Erwartungen geweckt.
In einer neuen Ära fühle ich mich nicht, wenn ich jetzt ein Fan eines AUSBILDUNGSVEREINS bin, wenn dazu so wenig Fakten kommen. Für mich ist diese gesamte Mitteilung eine Reihung von besten Phrasen aus dem Baukasten einer Clubpräsentation. Wer ist denn schon gegen Durchlässigkeit in der Jugend? Wer ist gegen die Grundtugend der Arbeit? Wer möchte nicht nachhaltigen Erfolg? Wer möchte nicht jung und dynamisch sein, wer nicht gleichzeitig erfolgreich, wer nicht der neue SC Freiburg sein? Nur sehe ich da diverse Schwierigkeiten, den AUSBILDUNGSVEREIN zu verkünden. Wenn man nun davon ausgeht, dass kein Verein im deutschen Profifußball ausschließt, eigene Talente zu entwickeln und einzusetzen, dann ist entweder jeder Verein ein Ausbildungsverein oder ein AUSBILDUNGSVEREIN ist etwas, was darüber hinaus geht. Da stellt sich nun die Frage: Welcher deutsche Verein neben dem oft zitierten Freiburg ist denn ein solcher Verein? Und wenn es da eine Lücke gibt, kann der MSV dieser andere Verein sein?
Da habe ich doch diverse Fragen:
1. Ausbildungsverein wird man nicht per Ausrufen in CAPITAL LETTERS sondern durch kontinuierliche Arbeit in dem Bereich. Das heißt: Von heute auf morgen geht das nicht, es ist ein langer Weg. Guckt man auf die Resultate unserer Jungendabteilungen, wird es nicht instant möglich sein, umfänglich auf die Resultate unserer Ausbildung im Profifußball zurückgreifen zu können. Das muss daher ein mehrjähriger Prozess sein, bis diese Bemühungen erstmals in konkreten Resultaten einen Ausdruck finden. Es kann natürlich sein, dass durch die Transfers talentierter Spieler von anderen Vereinen dieses erst einmal kompensiert werden kann. Doch an diesem Punkt stecken wir doch in der ersten Zwickmühle: Nur weil der MSV sich nun als Ausbildungsverein verkauft, stecken wir immer noch in einer komplizierten Situation: So kann unsere Nachwuchsinfrastruktur schlichtweg nicht mit Gladbach, Gesindelkirchen, Dortmund, Fortuna, und den Pillen mithalten. Selbst auf geringerem Niveau haben wir überlegene Konkurrenz in Bochum, beim SC Paderborn, bei Arminia Bielefeld. Wir haben kein tolles Internat, keine Sportgymnasien, keine Fahrservices, und auch nicht die Perspektive auf Liga 1 oder gar Liga 2 derzeit. Und das in dieser Wettbewerbssituation in NRW. Also kombinieren wir ein schlechteres Umfeld mit einer schlechteren sportlichen Perspektive (Liga 1 oder 2) mit einem Umfeld, wo das geringste Zeichen von größerem Talent direkt aufgefressen wird. Man kann sich natürlich die tiefere Sinnfrage stellen: Ist es für einen Spieler nicht geiler, in Liga 3 Profi-Fußball zu spielen, als beim BVB 2 durch die Regionalliga zu ackern? Ja. Kann sein. Aber der Spieler, der wirklich Potenzial hat, der profitiert von einer Ausbildung eines der 'großen' enorm, ohne evtl. jemals in der ersten Mannschaft zu spielen. Gerade die 2. Liga ist durchsetzt von Spielern, die diesen Weg gegangen sind und zunehmend landen diese Spieler auch im finanziell lukrativen Ausland.
2. Mir fehlt die langfristige Perspektive. Es wurde schon angesprochen: Es ist schön und gut, sich wieder regionaler, jugendlicher, ausbildender zu verkaufen. Dummerweise wurde uns über geraumen Zeitraum eingeimpft, wir könnten in der dritten Liga nicht dauerhaft überleben und müssen deshalb einen gewissen sportlichen Erfolg haben. Den Ausbildungsverein kennzeichnet aber, dass er sich über einen gewissen Zeitraum Misserfolg erlauben kann. Freiburg kann mal absteigen; Dortmund mal die Championsleague verpassen. Die müssen dann nicht ihre Ziele umwerfen und neu definieren. Wir können das eigentlich nicht. Wir müssen, bis zu dem Zeitpunkt zumindest, wo wir einmal entschuldet sind, immer auch den Erfolg im Zweifel erzwingen wollen und nicht im Selbstzweck den Misserfolg in Kauf nehmen. Dieser Spagat wird mir hier gar nicht erklärt. Kann der MSV denn nun auf diesem Kurs weiterhin überleben in der dritten Liga? Oder müssen wir, wie Eintracht Braunschweig in dieser Saison, notfalls in der Winterpause mit Erfahrung nachlegen. Das wird mir überhaupt nicht klar, wie diese Ziele 'Erfolg' und 'AUSBILDUNGSVEREIN' zusammen gehen sollen in dieser Saison, gerade wenn man auf die derzeite Kaderplanung guckt. Das wird eine knüppelharte Saison in einer Liga, in der man sich für Jugend nicht viel kaufen kann. Das freundlich-frische Jugend forscht wird hier nämlich einfach mal mit Grätsche in die Bande geschickt. Das wir auf längere Sicht uns eher an den Kurs von Paderborn oder Regensburg anlehnen, und jüngere Spieler verpflichten mit der klaren Zielsetzung, diese ggf. gewinnbringend auch weiterzuveräußern, finde ich legitim, aber auch wird man ein Image nur durch Taten, nicht durch Ausrufen erzeugen können.
3. Was hat sich der MSV bei dieser Art der Kommunikation in Bezug auf das Umfeld erhofft? Ganz klar lässt sich doch eines festhalten: Das Umfeld ist gereizt. Das steigert sich im Extremen hier im Portal zu der Polarisierung zwischen gewissen Usern hoch (auch wenn es hier allgemein wirklich gut gesittet zugeht immer noch - man muss auch nicht jede missliebige Meinung gleich mit der Forderung nach einem Schließen des Freds oder einer Sperrung eines anderen Users kommentieren), aber viel mehr und viel erschreckender ist für mich, was man so im Alltag mitbekommt. Bitte WEN lockt denn jetzt diese Kommunikation hinter dem Ofen hervor, den der MSV jetzt wirklich demotiviert hat. 'Hurra, wir haben endlich eine Strategie!' wird wohl keiner rufen, sondern die meisten fragen sich doch eher: 'Und was war das dann die letzen Jahre?' Nein, so bekommen wir keinen aus seiner MSV Lethargie gerissen, vielmehr schütteln die allermeisten nur den Kopf, sofern sie das hier noch verfolgen oder einfach nur die MSV Homepage lesen. Ich habe selten so viel Sarkasmus, und daran mangelt es in einem MSV affinen Umfeld nie, gehört, wie heute zu dieser Kommunikation. Das war schlichtweg komplett dilletantisch, so ehrenhaft das Anliegen auch sein mag. Fakt ist: Keine Botschaft wird das Umfeld aus der Agonie holen, das kann nur eine gute Mannschaft mit guter Leistung und einem Aufstieg am Ende. Sonst werden wir uns auf viele Jahre des Harderns einstellen müssen, bis wir vielleicht die nächste Dornröschen Geschichte sind. Bis dahin kann aber gut Wasser den Rhein runterfließen. Die meisten MSV Fans wollen aber jetzt eine Sache für das Hier und Jetzt und wer realistisch ist, weiß, dass das nur die Perspektive auf Liga 2 sein kann und darf. Diese Ankündigung, flankiert vom Trainingsbeginn mit einem Kader, der nicht einmal das Attribut Rumpfkader verdient - auweia.
Also mein Anspruch an den MSV ist höher als das, was uns der MSV in den letzten Tagen geboten hat. Ich schaue mit größerer Sorge als jemals zuvor in die Zukunft unseres Vereins. Das muss man auch so schaffen...