Das war heute -genau wie gegen Uerdingen- zu großen Teilen spielerische eine reine Katastrophe.
Ich denke, heute lohnt es den Blick aufs Detail zu werfen und einige Aspekte differenziert zu betrachten.
Als erstes:
@HJG: Das 4-2-3-1 war doch die bessere Wahl. Das Trainerteam des MSV brauchte für diese Erkenntnis aber eine Halbzeit. So viel zum Thema Einsicht ist der erste Weg der Besserung
Zum Matchplan in Halbzeit 1: Lieberknecht war in der PK richtig angefressen und er haderte wohl selbst mit der Entscheidung auf die gleiche Elf wie in 1860 zu setzen. Ich denke, er war von dem einen oder anderen Spieler stark enttäuscht, allen voran wohl Krempicki oder auch Karweina und Kamavuaka (dessen Limits auf der Acht aber alle kennen sollten). Aber er war wohl auch von der taktischen Marschroute enttäuscht, die defensiv wenig und offensiv gar nicht aufgegangen ist. Formativ war es gegen den Ball ein klares 4-3-3, mit Ball konnte ich es nicht erkennen, wir hatten den Ball ja fast nie. Muss wohl irgendwas zwischen 4-3-3 und 4-4-2-Raute gewesen sein. Ist aber auch pupsegal. Wir werden es so sowieso nicht nochmal probieren.
Um unsere Leistung richtig einzuordnen, muss man aber auch einfach Saarbrücken loben, die bärenstark gepresst haben, sowohl taktisch als auch von der Intensität. Trotzdem hätten wir es letzte Saison geschafft gegen so ein Pressing rauszuspielen, übrigens unter dem gleichen Trainer. Wieso klappt es im Moment nicht?
Zum einen denke ich, dass man ein wenig auf den Erfolgen von Unterhaching und Sechzig aufbauen wollte, die durch eher reaktive Spielweisen zustande gekommen sind, also mit einer eher passiven und kompakten Verteidigung und dem Warten auf Konter. Das war auch beim Aufbauspiel von Saarbrücken zu sehen, als wir ein eher abwartendes gruevsches Mittelfeldpressing spielten. Im Endeffekt war es trotz der drückenden Überlegenheit und der Tatsache, dass Kwasniok das bestes Saisonspiel seine Mannschaft gesehen hat, in letzter Linie doch noch ziemlich stabil verteidigt (ausgenommen dem Gegentor nach einem Standard).
Besonders problematisch war dann leider das Fussballspielen gegen den Pressingdruck der Gäste. Sinnbildlich die unzähligen Fehlpässe von Sicker, die nicht nur auf ihn, sondern auch auf die fehlende Bereitschaft der Mitspieler fürs Freilaufen und Anbieten zurück gegangen sind. Wenn wir dann doch mal das Pressing umspielen konnten (zur Not per Bolzen), bestand unser Angriffsspiel aus isolierte Einzelaktionen oder improvisiertem Zusammenspiel, das dazu noch technisch schlecht umgesetzt wurde. Kurzum: Es war mit Ball in jeder Hinsicht gruselig schlecht.
Und hier kommt ein ganz wichtiger Punkt, den ich gebetsmühlenartig seit Jahren predige: Wenn du nur aufs Abwarten und Umschalten setzt, verlierst du a) deine Sicherheit im eigenen Ballbesitz und hast b) keine sauberen Abläufe in den Ballbesitzphasen. Die Leichtigkeit im Zusammenspiel kommt zum einen durchs ständige Üben und zum anderen durch das geduldige Vorbereiten von Angriffen (aka Spielidee

). Die vielen Fehlpässe gehen genau auf diese fehlende Leichtigkeit zurück. Natürlich ist Jansen unter Druck nicht ganz so konstant wie Ben Balla und die IV nicht ganz so aufbaustark wie Boeder und Commper, aber der Leistungsabfall von Sicker sollte deutlich machen, dass die Probleme nicht nur individueller Natur sind, sondern auf fehlende mannschaftstaktische Abläufe und Sicherheit zurück gehen.
Zur Halbzeit 2 wurde auf 4-2-3-1 umgestellt und auch vorwärtsgerichteter angelaufen und ab da lief es in jeder Hinsicht besser. Ich finde auch nicht, dass die ersten 70 Minuten schlecht waren. Man spielte schon nach der Pause absolut gleichberechtigt mit und für mich kam das Billard-2:0 fast ein wenig überraschend. Die Wechsel waren dann von einem gewissen Wahnsinn geprägt (Stoppel spielte die zweite Sechs

), aber es war ab dann ein geiles Spiel. Zu den letzten spielentscheidenen Minuten enthalte ich mich. Hier im Thread wurde ja schon ausführlich dazu Stellung genommen und Kwasniok hat es auch sehr gut auf dem Punkt gebracht (faire Analyse von ihm übrigens).
Saarbrücken hat zwar durch die Fehlentscheidung des Schiris - aber in Summe auch nicht unverdient - gewonnen, weil sie dominant waren. Schon vor dem Spiel habe ich sie mit dem MSV aus der Saison 19/20 verglichen. Gutes Ballbesitzspiel, aktiv vorwärtsverteidigend, immer um Spiel- und Ballkontrolle bemüht. Die Tore sind zwar etwas glücklich und per Standards gefallen, aber sie wurden durch die Spielanlage erzwungen. Wir hatten gegen diese Dominanz keine Antworten, weil wir im eigenen Ballbesitz in Halbzeit 1 zu schwach waren. Erst als wir in Halbzeit 2 (durch die Systemumstellung, mehr Ruhe und Mut am Ball, das aktivere Anlaufen und die Wechsel) besser im eigenen Ballbesitz wurden, konnten wir das Spiel offen gestalten und dann sogar auf unsere Seite ziehen.
Interessant ist: Das Spiel negiert eigentlich die bisherigen Saisonerfahrungen, in denen wir dreifach gepunktet haben, als wir nicht so viel den Ball hatten und reaktiver spielten. Diese Unkonstanz ist aber typisch für Spielweisen, in denen man die Spielkontrolle dem Gegner überlässt. Das heutige Spiel hat uns wohl deutlich vor Augen geführt, dass wir wieder versuchen sollten, im Ballbesitz das Niveau der letzten Saison zu erreichen, Geduld und Rückschläge eingerechnet.
Die taktischen, formativen und personellen Experimente werden also weiter gehen. Das sture Festhalten am 4-1-4-1 mit den einstudierten Rochaden wurde nach Uerdingen eingestampft. Und heute wurde uns die pragmatischere Vorgehensweise um die Ohren gehauen. Komischerweise lässt mich dieser Umstand relativ optimistisch zurück und ich bin nach wie vor der Meinung, dass es ein anderen Trainer auch nicht besser (nur vielleicht anders) machen würde. Ich bin gespannt wie es weiter geht...