Über "Wo fängt Sexismus an, was ist Überschwang?!" zu sprechen bedeutet immer, sich in einem Zusammenhang zu bewegen, wo tradierte Muster, auch von Menschen, die sich vermittels selbiger eine gewisse Lebenssicherheit extrem mühevoll erarbeitet haben, auf andere treffen, die Menschen tief prägten, für die ganz ausdrücklich das Gegenteil gilt. Die von tradierten Mustern erdrückt, benachteiligt, an jeder Form einer angemessenen Selbstverwirklichung systematisch gehindert werden.
Versammele 5, 50 oder auch 500 Menschen, die weiter nichts mitbringen müssen als den guten Willen, sich halbwegs anständig zu benehmen, in einer geeigneten Lokalität zu einer Diskussion darüber, und es wird immer etwas Interessantes dabei herauskommen. Die Menschen werden erkennen, dass alle Versammelten Menschen sind, menschliche Standpunkte einnehmen, es keinen vernünftigen Grund gibt, anderen Menschen nicht zuzuhören, selbst wenn sie aus einer völlig anderen Ecke heraus kommend sprechen, als man selbst.
Es genügt aber immer nur ein Funktionär, oder Politiker, der das Potential dieser Menschen mit dem persönlichen Ziel des Machterhaltens oder Machterweiterns selbstsüchtig verbindet, und lass dazu eine angemessene Kontrolle der Abläufe fehlen, und du kannst einen Krieg entfachen, der sich wie ein Flächenbrand beliebig weit ausbreitet.
Vor diesem Hintergrund ist die Affäre Rubiales für mich mal wieder ein direkter Link zur Funktionärsriege beim DFB, zu mächtigen Herren wie Infantino oder Rummenigge, zu per se feindselig gestimmten Konstrukten wie der DFL, zu Premium-Partnerships mächtiger Getränkemultis. Zu all dem, was Fussball ertragen muss, insofern er nicht einfach nur Fussball sein darf, sondern von Ausbeutern zu einer Gewinnoptimierungsmaschine, zu Machtmissbrauch, zur Selbstüberhöhung, zur systematischen Manipulation, um sich an seinem Geschick als Dirigent der Hunderttausenden zu berauschen, unmässig, eigennützig, immer im Grenzbereich des Verbrechens, angegriffen, erobert und verwandelt wird.
Gegen all das steht, da bin ich völlig kompromisslos parteiisch auf ihrer Seite, nur die Fussballfachfrau Jennifer Hermoso. Und zwar ganz allein, aber authentifiziert durch den Gewinn der Weltmeisterschaft, aus dem Nichts gekommen, dorthin gelangt, auf dieses Siegerpodest, wo der korrupte Machtmissbraucher versucht, in der Umarmung und mit diesem Kuss ihren Triumph für seine niedrigen Ziele zu adaptieren. Weil er zu dumm, zu faul oder zu ungeschickt ist, Fussball zu spielen, selbst die Welt mit der Größe des menschlichen Dramas zu bewegen, die der Fussball immer noch ist, so wie am allerersten Tag, als je jemand eine Pille aus was auch immer mit dem Fuss angestossen und gedacht hat: "Wow, fühlt sich irgendwie interessant an?!"
Hermoso zeigt, was in der menschlichen Natur steckt, als Selbstüberwindung, Leidensfähigkeit, Willen zum Miteinander, Frustrationstoleranz, Glauben an die reine Schönheit des perfekten Zusammenspiels. Und Rubiales zeigt einfach nur, wer bei solchen Siegerehrungen gar nicht auf Augenhöhe der ausführenden Athlethinnen gehört, sondern irgendwo hinten am Parkplatz zu warten haben sollte, bis er in dritter, vierter oder fünfter Instanz auch mal artig ein Händchen schütteln darf. Für das durchgreifend Einfache, fundamental sich selbst Zeigende, das Fussball in Vollendung immer ist, immer war, immer sein wird, steht Hermoso, steht das spanische Team, stehen auch Staff und Trainer.
Aber dieser Verbandsfuzzi da - nie im Leben?! Warum geht er nicht einfach, sein bisschen Restanstand zusammennehmend, zurück in die Anonymität, aus der ihn letztendlich erst Hermoso und ihre Mitspielerinnen geholt haben, grosszügig in der Bereitschaft, ihren Triumph mit allen zu teilen, die sich auch nur vorbehaltlos freuen wollten?!