Angriff der Angriffslosen, oder: Wie ich mit 30 Minuten Fussball nicht gewinnen kann
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich, für meinen persönlichen, auch optimistischen Teil glaube, daß es das war. Ich glaube nicht, daß der MSV es verdient hat in der ersten Liga zu spielen, und ich glaube, daß diese Mannschaft in ihrer gesamten taktischen Ausrichtung und ihrer Einstellung beinahe nichts in der höchsten deutschen Spielklasse verloren hat. Das alles stimmt mich nicht gerade positiv in Hinblick auf die kommenden Partien, aber bevor ich mir weiter das Maul zerreissen werde, um mir meinen, von dieser MANNSCHAFT verursachten Frust von der Seele zu tippen, sei hier ein kurzer Kommentar angemerkt: Es haben weder Rostock, noch Cottbus, Bielefeld, Nürnberg oder Duisburg was in dieser Liga verloren.... und es bleibt die Frage, ob der MSV drei Mannschaften hinter sich lassen kann, also drei Teams die noch blutleerer, spielerisch ärmer und phasenweise unglücklicher über den Platz taumeln, als dieses Team es mometan tut. Und ein Spiel wie heute stimmt mich in dieser Hinsicht nicht gerade zuversichtlicher. Kommen wir also dazu, jeden einzelnen unter die Lupe zu nehmen, was bei solchen Spielen nämlich nicht einfach ist, war doch zu vieles davon abängig, was dein Mitspieler tut. Heute ist mir zum ersten Mal aufgefallen, wie unkonstruktiv dieses Team in seiner Gesamtheit spielt. Nehmen wir z.B. :
-Tom Starke: Der mal in einem Kicker Interview gesagt hat, daß er den Abwurf dem Abstoss bevorzugt, weil das Spiel dadurch schneller wird. Wer jetzt noch Fragen hat, der sollte sich mal die Videos der letzten drei Spiele ansehen. Nichtsdestotrotz hatte er heute relativ wenig mit dieser gefühlten Niederlage zu tun. Denn, wie soll man von jemandem erwarten, daß er auf einen seiner Mitspieler abwirft, wenn er den Ball auch gleich selbst über das Feld hauen kann. Auf der Linie tadellos, Angst beim Rauslaufen. Solide.
-Tobias Willi: Wieder einmal der beste Mann auf dem Platz. Selbst von ihm verlorene Bälle werden komischerweise von dieser Mannschaft aufgefangen, da die Innenverteidiger mit nach außen rücken. Den Freistoß, der zum Tor gefürt hat, gut rausgeholt, Einsatzwille pur. Im Spielaufbau nach vorne die übliche Katastrophe. Aber beileibe nicht so schlecht, wie der neue Spezi, der die Rolle des Platzdeppen übernommen hat, sein Name ist:
-Christian Weber: Dessen Name in Zukunft ruhig mit dem Begriff Katastrophe in Verbindung gebracht werden kann. Der Kerl hat es heute geschafft über das gesamte Spiel mehr Fehler zu machen, als Tobias Willi in seinen grandiosesten Zeiten. Er schlägt keine einzige Flanke zielgerichtet in eine Richtung, er gewinnt kaum Zweikämpfe, und seine Offensivbemühungen sind unfassbar. Ich möchte mal ganz kurz eine Szene erzählen, bei der man vollends durchdrehen könnte. Ivo Grlic läuft in der 28.Minute parallell zur Viererkette der Rostocker. Wie üblich zieht erst der Außenverteidiger raus, verliert ihn und übergibt ihn an den Innenverteidiger, welcher auch rauszieht, Grlic verliert und somit an den nächsten Innenverteidiger übergibt. Ivo Grlic macht diese Aktion nicht, weil er das parallell Laufen zur Grundlinie so lustig findet, sondern weil er a) die Möglichkeit sucht zu schießen, oder b) einen Mitspieler, der mal eben auf außen durchstartet, um dann den Ball durch zwei Verteidiger durchstecken zu können. Diese Rolle sollte in diesem Fall Christian Weber übernehmen, der in seiner Standfestigkeit kaum von den hinter ihm stehenden Rollstuhlfahrern zu unterscheiden war und dabei aussah, als würde gerade vor ihm Unfassbares geschehen. Aber die Holzhacker Fraktion wird um zwei weitere Protagonisten ergänzt, wäre ja zu schön, wenn da nicht noch ein paar Experten herumturnen würden. Nämlich z.B.
-Iulian Filipescu: Dessen Auffassung von diesem Spiel an Einfältigkeit nicht zu überbieten ist. Anders lässt sich nicht erklären, warum er jeden Ball wie irre durch die Gegend geholzt hat. Beim Gegentor kapiert er nicht, was Beinlich da macht, er schenkt die Situation einfach weg. Das ist in seiner gesamten Bandbreite, gepaart mit Langsamkeit schlecherdings zu wenig für diese Liga. Diese Mannschaft kriegt das Spiel mitunter nicht schnell, weil zwei Leute zentral vor dem Tor stehen, die mit dem Ball überhaupt nicht umgehen können. Ich habe keine Situation erlebt, in der die Hintermannschaft des MSV unter Druck geriet, und diese Situation spielerisch auflöste. Sie haben gerettet, gerettet, gerettet, und damit selbst einen Gegner wie Rostock die Möglichkeit gegeben Druck auszuüben. Nicht unerheblichen Anteil daran hatte:
-Fernando Santos: Dessen Aufstellung ich nach dem Auftritt in Berlin nicht nachvollziehen kann. Wie letzte Woche unsicher in allen Bewegungen, wie seine Nebenleute vornehmlich darauf bedacht den Ball fernzuhalten. Was diese Hintermannschaft heute versucht hat, machen durchschnittliche Mannschaften bei 2:0 Führung ab der 85.Minute. Ich sah kein einziges Argument, das einem von beiden den Vorzug vor Avalos hätte geben können. Was sollte das?
Kommen wir zur Mittelfeldachse, in der mittlerweile einzig und allein:
-Ivo Grlic überhaupt noch irgendeine Funktion hat. Den Freistoß grandios geschossen, hatte er durchgehend mit der Unfähigkeit seiner Nebenleute zu kämpfen. Mit der Leistung Christian Webers hinlänglich beschrieben, mussten viele Versuche ins Leere laufen. Ansonsten für mich kämpferisch ein Vorbild, der seine Führungsqualitäten Ernst genommen hat.
-Mihai Tararache: Entwickelt sich immer mehr vom durchschnittlich bis überdurchschnittlichen Sechser, zum soliden Arbeiter seiner Zunft. Bemüht, aber ebenso ängstlich wie der Rest der Bande. Kämpferisch nichts vorzuwerfen.
-Christian Tiffert: Der, bis auf seine Torchance ein furchtbares Spiel hingelegt hat. Beteiligt sich nicht mehr am Spielaufbau, doppelt die Seite nicht, geht nicht in den Raum. Wirkt in seinem Auftreten resigniert, schlägt keine Flanken. Erfüllt das Anforderungsprofil seines Berufes nicht.
-Blagoy Georgiev: Wäre er mir in irgendeiner Hinsicht aufgefallen, könnte ich was dazu sagen.
Kann man über den Sturm was schreiben? Wenn mit Ishiaku schon der Mann ausfällt, der einen Ball 20 Meter vor dem Tor abschirmen kann? Wenn mit Niculescu jemand kurz vor Schluss gezeigt hat, zu was er imstande wäre, wenn diese Mannschaft nur endlich mal ein OFFENSIVSPIEL aufziehen würde. Ich kann nicht von jedem Charakter erwarten, daß er den Ball im Mittelfeld erkämpft, um sich dann durchzutanken. Niculescu, zu wenig, klar, aber im Mindesten bemüht am Spiel irgendwie teilzunehmen, wenn ihn schon seine Mitspieler im Stich lassen.
Die Einwechslungen:
-Bojan Vrucina: Kein Ishiaku Ersatz, oft im Stich gelassen, am Ball gut. Keinerlei Auffälligkeiten.
-Maicon: Die Ecken besser geschlagen als Grlic, ließ er durch seine rausgespielte Chance kurz aufblitzen, zu was er fähig sein könnte. Aber über die Dauer nicht einzuschätzen...
Fazit: Ich verstehe es nicht. Der MSV hat 10 Minuten ordentlichen Fußball gespielt, das Spiel in Führung gebracht, und sich dann jämmerlich hinter den eigenen Unzulänglichkeiten verschanzt. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Mannschaft weiß, was sie kann, vielmehr: Was sie nicht kann... Sie kann nämlich nicht eine 1:0 Führung verwalten, in der Hoffnung, daß sich irgendwann Räume ergeben, aus denen man heraus das 2:0 erzielen könnte. Dafür ist der Abwehrverbund zu schwach und das Spiel des MSV zu langsam. Sie fahren ihre Konter mit 2 Leuten, die kurze Zeit später gegen 6 Rostocker stehen, während ich mir gerade in der Sportschau ansehen durfte, wie der KSC mit vier Spielern auf einer Linie vorrückt, und drei Spieler so in Bewegung sind, daß sie potentiell jederzeit durchstarten könnten. Ich will hier nicht Äpfel mit Birnen vergleichen und der KSC spielt eine Ausnahmesaison, aber: Mit der Spielweise des MSV lassen sich selbst Mannschaften wie Rostock nur ganz schwer besiegen, und einfacher wirds nur noch einmal. Der MSV hat den Ernst der Lage erst ab der 70.Minute erkannt, womit es was mit dem Willen zu tun hätte. Was ist aber, wenn es schlichtweg an der Auswechslung Stefan Beinlichs lag, daß das Spiel des MSV irgendwie Fahrt aufnehmen konnte? Denn dann ist die Saison schlichtweg gelaufen...
Dementsprechend fällt mein Fazit, welches nächste Woche schon wieder ganz anderes aussehen könnte, auch äußerst ernüchternd aus: Während Rudi Bommer seinen Spielern technische Mängel nicht mehr nehmen wird, und bei allem Verletzungspech, daß diese Mannschaft hat, glaube ich, daß er nicht imstande ist diesem Team auch nur ansatzweise Leben einzuhauchen. Denn jedem sollte klar sein: Mit 30 Minuten Kampf kannst du in dieser Liga nichts mehr holen.
Und sich darauf zu berufen, daß unter Umständen drei Mannschaften schlecher sind, hat was mit Hoffnung zu tun, die bekanntermaßen der Schlußpunkt der Betrachtungsweise ist, denn Hoffnung bedeutet, daß man keinerlei Möglichkeit sieht, die Situation eigenhändig meistern zu können.
Gruss aus Essen
Micha