Weiter, weiter...
Sehr geehrte Damen und Herren,
huppsalla, was ist denn da passiert? Nicht, dass ich der Mannschaft solche Auftritte generell nicht zugetraut hätte, aber mit welcher Vehemenz sie das Ding nach Hause gefahren haben, das hatte schon was. Natürlich gibt das Spiel keinen Anlass zu unausgegorener Euphorie, schließlich war der Gegner von ganz schwachem Format. Man sollte aber ebenso zur Kenntnis nehmen, dass es heute auch relativ wenig Anlass zu, sonst immer wieder gern gesehener Kritik gibt. Von Serge Brancos Defensivverhalten mal abgesehen.
Jesses..
Marcel Herzog: Strahlte in den wenigen Szenen, die seiner Präsenz bedurften (Abschläge und Flanken des Gegners ins Nichts) die gewohnte Ruhe aus. Ansonsten gibt das Spiel keinerlei weiteren Anhaltspunkte über seine Qualität.
Markus Brzenska, Björn Schlicke: Der Verbund sah bei dem Gegentor wirklich übel aus. Die Vorwärtsbewegung von Demir wird nicht mitgemacht, der Herr durfte sich unbedrängt die Ecke aussuchen und konnte nebenher noch den Oddset-Schein ausfüllen. Unnötig, so ein Spiel noch mit kurzer Spannung zu versorgen, wo die Messe doch eigentlich nach dem 2:0 schon gelesen war. Die Nummer-Sicher-Nummer mit anschließendem Ball auf die Tribüne wichsen, haben heute dann auch beide konsequent durchgezogen, wobei mir, schlimm genug, dass ich sowas mal sagen muss, die Offensivansätze Schlickes zwischenzeitlich sogar gefallen haben.
Oliver Veigneau: Gewohnt stark in der Ballbehandlung und -sicherheit, heute komischerweise mit einigen Defiziten im läuferischen Bereich. Aber natürlich hat der ein gutes Spiel gemacht, gar keine Frage.
Serge Branco: Dass es für unseren Frisurdilettanten auch noch einen Assist Punkt gab, ist für den modernen Fussball eine mittelschwere Katastrophe. Serge Branco bleibt defensiv ein Unruheherd und ein spielerisches Desaster, aber zu seiner Ehrenrettung sollte man auch die Kehrseite der Medaille erwähnen. Er sorgte permanent in des Gegners Hälfte für Wirbel, setzte seine Gegenspieler gehörig unter Druck, zwang sie zu Fehlern, foulte clever und hatte den Kopf weit genug oben, um seine Mitspieler nach der Balleroberung in Szene setzen zu können. Ab der Mittellinie ein ganz feines Spiel, davor der übliche Irrsinn.
Mihai Tararache: Mein Gott, was ein Elfer... ansonsten mit der Aufgabe in der defensiven Zentrale nicht überfordert. Extrem solides Spiel mit der nötigen Abgewichstheit, um solche Spiele souverän nach Hause zu fahren.
Ivica Grlic: Beim 4:1 hatte ich fast Tränen in den Augen, so schön war der Spielzug, vom 6:1 wurde mir nur berichtet, da ich, verdammt nochmal, einen Zug erwischen musste. Grlic hat das Spiel gekurbelt, schoss zwei Tore aus dem Spiel heraus und war massgeblich daran beteiligt, dass der MSV den Hebel blitzschnell umschalten konnte. Mit genug Schaum vor dem Mund, hat er heute das Anforderungsprofil eines Kapitäns zu 100% erfüllt, alte Stärken gezeigt und genug Raum und Platz gehabt, um die klug durchdachten Sahnestücke zu liefern.
Cedrick Makiadi: Vehement, aggressiv und omnipräsent. Gegen einen besser aufgestellten Gegner wäre dieses Überall-und-nirgends Gerenne der glatte Selbstmord gewesen, heute war es genau das richtige Mittel, um die komplette Ingolstädter Hintermannschaft in den Wahnsinn zu treiben. Gutes Spiel.
Gregory Christ: Man merkt ihm an, dass er genau weiss, was er tut. Er besitzt eine gehörige Portion Spielintelligenz und hat die technischen Fähigkeiten, um diese gezielt einsetzen zu können. Mitte der ersten Halbzeit spielt er einen Pass in den Lauf von Grlic, den ich in solcher Form schon lange nicht mehr gesehen habe. Ich lehne mich weit aus dem Fenster und behaupte, dass der Kerl ein echtes Juwel ist. Nebenher ackert er noch wie ein Tier. Für mich sollte die Raute, auch in dieser Konstellation erstmal gesetzt sein.
Kouemaha: Extrem wackliger Typ, dessen Berücksichtigung ich in einem 4-4-2 nachvollziehen kann. Dort bindet er durch seine wuchtige Art und die Fähigkeit der Ballbehauptung genug Gegenspieler, um den Filigranen Räume aufzumachen, die sie dringend benötigen. Ausserdem muss er sich nicht in diese abartigen Duelle begeben, in denen er dann zu Offensivfoul 150 bis 162 gezwungen wird. Das Tor ist ihm allein schon aufgrund des betriebenen Aufwandes zu gönnen.
Sandro Wagner: Der höchstwahrscheinlich eine arrogante Pissnelke ist, was mir vollkommen gleichgültig zu sein hat, sofern er Spiele wie heute abliefert. Ich mag Stürmer dieser Art, die nebenher noch die Fähigkeit besitzen, als Anspiel- und Mitspielstation dienen zu können. Nebenher zieht er gradlinig zum Tor und sucht konsequent den Abschluss. Dass er nach dem ersten gelungenen Hackentrick, auch noch Nummer 2 und 3 folgen lassen will, sollte man ihm schnellstens austreiben. Das Spiel war eines seiner besten.
Das Spiel: Das 4-4-2 war die logische Konsequenz der Ankündigungen, die im Laufe der Woche seitens der Verantwortlichen durch den multimedialen Äther gejagt wurden. Die Zebras nahmen sich vor in die Zweikämpfe zu kommen, diese auch zu gewinnen, den Gegner frühzeitig unter Druck zu setzen, den finalen Pass besser zu spielen und die 3 Punkte nach Duisburg zu holen. All das haben sie umgesetzt, und wie. Das Power Play der zweiten Halbzeit, als die Elf nicht mehr aufhörte zu marschieren, war beeindruckend. Sie hätten das Spiel nach dem 3:1 verwalten können, aber als die Maschine ins Laufen kam, gab es kein Halten mehr. Mit dem ständig aufrückenden Branco, Makiadi, Christ, Grlic, Wagner und Kouemaha verfolgte die Offensive irgendwann nur noch den Plan, den Gegner komplett auseinanderzupflücken. Die Spielfreude und der Witz machten Hoffnung, der Wille in den Gesichtern ließ darauf schließen, dass hier jemand mal ein Zeichen setzen wollte. Sie haben ihren Worten Taten folgen lassen, das gilt es in einem ersten Schritt zu honorieren.
Das Meisterstück war es nicht. Der Gegner war erschreckend schwach und ließ sich zu haarsträubendsten Fehlern hinreissen. Schön war, dass sie diese Fehler konsequent ausgenutzt haben. Es war genau das richtige Spiel, um sich für den Kracher nächste Woche aufzuwärmen. Dann können sie beweisen, dass sie zurecht zum Kreis der Aufstiegsanwärter gehören. Vielleicht hat heute die Saison begonnen, das wäre uns allen zu wünschen.
Ab nach Mainz. Ich bin gespannt....
Gruss aus Essen
Micha