Trotz all der (zum Teil berechtigten) Lobpreisungen bleibe ich dabei: in taktischer Hinsicht bleibt Sasic ein absolut durchschnittlicher Trainer (da muss man nicht mal den lächerlichen Eckentrick anführen, mit dem er im Profifußball nahezu alleine dasteht). Er hat uns mit seinen taktischen Ausrichtungen auch schon in einigen Spielen Punkte gekostet (wobei wir das Pokalfinale sicher auch ohne die viel zu offensive Ausrichtung verloren hätten). Zudem scheitert seine Lang-und-weit-Strategie, wenn ein entsprechender Spieler (wie Maierhofer) im Sturm fehlt. Das wird man nächste Saison sehen, falls Jula sich mal verletzt
1. Lang-und-weit: Falsch, es ist eines der Mittel, das gewählt wird, um z.B. Bälle aus der Gefahrenzone zu bekommen oder wenn der Kader nichts anderes hergibt. Die spielerische Anlage des MSV war zumindest in Bestbesetzung und in der Hinrunde darauf ausgelegt, die Bälle im Mittelfeld zu erobern und dann schnell umzuschalten. Siehe Tore gegen Bielefeld, Hertha, Augsburg, Köln etc. Schnelles Umschalten nach der Balleroberung ist für z.B. für die Spielanlage der deutschen Nationalmannschaft, Borussia Dortmund oder Mainz 05 fundamental, nicht die unmodernsten Teams, die ich kenne.
2. Sasic als konservativer Trainer: Natürlich gab es unter Sasic Spiele, die nach ganz erbärmlichen Fußball aussahen, siehe die Spiele mit dem Kader der letzten Saison, siehe Spiele, die der MSV absolviert hat, als man ihnen mit Baljak und Koch das spielerische Potential nahm und mit Maierhofer das kämpferische. Ab dann schaltete der MSV wieder in seinen alten Modus zurück, aber die Grundanlage in Bestbesetzung war immer noch eine andere. Ich habe de facto wenige Mannschaften hier gesehen, die mir in der 2. Liga - zumindest in der Hinrunde - ein derart konstruktives Spiel zeigten, welchem eine deutliche Handschrift anzulesen war. Siehe die Offensivaktionen nach dem gerade erzielten 1:0 gegen den FSV Frankfurt. Die anschließenden zehn Minuten waren perfekter Zweitligaoffensiv-Fußball, der nicht zum Torerfolg führte. Da wurden Zweikämpfe im Mittelfeld gewonnen und du siehst, wie drei Mittelfeldspieler und ein Stürmer gleichzeitig in die Gassen starten. Das war nicht konservativ, das war schlichtweg stark.
3. Sasic und die Kondition: Für diese Art des Fußballs ist Kondition immens wichtig, weil du in die Zweikämpfe kommen, das Spiel antizipieren und weite Wege gehen musst. Der Kader unter Neururer konnte diese Aufgabe gar nicht in der Kürze der Zeit meistern, so dass Sasic - siehe oben - diesem Team auch keinen Stempel aufdrücken konnte und ein anderes Spiel spielen ließ. Ein Spiel, wie von mir oben beschrieben, hätte die letztjährige Mannschaft auch gar nicht aufziehen können, schon alleine, weil das erste wichtige Dreieck, die zwei Innenverteider und der defensive Mittelfeldspieler mit den Namen Fahrenhorst, Schlicke und Bodzek hinreichend gekennzeichnet sind. Wie hätte diese Trias das Kombinationsspiel z.B. bereichern können, wo sich doch alle drei Genannten eher dadurch auszeichneten, dass sie den Ball entweder auf oder an richtig guten Tagen sogar über die Tribüne kloppten. Ich will nicht wissen, wie viele aus dem Fenster gelehnte Rentner im Umland des Stadions von den Protagonisten entweder ins Krankenhaus oder direkt über die Wupper gejagt wurden, als an einem dieser legendären Sonntage Björn Schlicke sich aufmachte, dass 300. Field Goal seiner Karriere zu erzielen...
4. Sasic und Maierhofer: Maierhofer ist ein gutes Beispiel Wenn du dir den Aktionsradius von Stefan Maierhofer auf etwaigen Statistik- oder Spielanalyseseiten anguckst, wirst du zum einen feststellen, wie groß dieser war, zum anderen wirst du, wenn du dir anschließend die Spielzüge, die zu Torerfolgen führten, anschaust, bemerken, dass nicht wenige von diesen Treffern von Stefan Maierhofer eingeleitet wurden. Maierhofer war kein klassischer Wandspieler, sondern ließ sich oft genug ins Mittelfeld fallen, wo er Zweikämpfe gewann, Kopfballduelle für sich entschied und dadurch die oben genannte Taktik einleitete, nämlich schnelles Umschalten nach Balleroberung. Ebenso wirst du feststellen, dass Maierhofer und Baljak diese Positionen im Laufe der Spiele der Hinrunde sogar mehrfach während des Spiels getauscht haben, Baljak sich also fallen ließ, um das spielerische Element im Mittelfeld zu bereichern, und wieder umgekehrt, wenn dies nicht funktionierte. Ich sehe in Maierhofer keinen klassischen Wandspieler, der sich durch präzise Kopfbälle auszeichnete.
5. Sasic und das System: Sasic ist kein Systemtrainer, sondern schaut darauf, welches Spielermaterial zur Verfügung steht und wie er dieses einsetzen kann. Dass er dabei auch zu konservativen Mitteln greift, konnte ich sogar angesichts der Verletztenmisere oder des letztjährigen Kaders verstehen. Wie willst du mit Nicky Adler Fußball spielen? Sasic erweitert diese taktische Ausrichtungen um ein paar Grundkomponenten. So betont er z.B. die Wichtigkeit von Standards und holt sich kopfballstarke Spieler wie Sukalo, Soares oder Bollmann ins Team, angesichts der "Enge" der Leistungsstärke der zweiten Liga, wo jeder für eine Überraschung sorgen kann, nicht das unprobateste Mittel. Wenn du mal einen der Grundsätze Milan Sasics ("Jeder muss dem anderen helfen") auf diese Taktikfolie legst, dann wird dir auffallen, dass viele Spieler zwei Aufgaben hatten. Maierhofer musste im Sturm und im Mittelfeld agieren, die zwei schnellen Außen haben sich nicht zuletzt durch ihre Zweikampf- und Defensivarbeit ausgezeichnet. Julian Koch spielte zwischenzeitlich alles, das Mittelfeld rotierte über die Positionen und agierte flexibel. Wenn Sasics Konzept eines nicht wahr, dann auf ein bestimmtes System festgelegt, sondern vielmehr reagierte er auf die Ansprüche, die der Gegner oder die Umstände (Verletzungen) ihm stellten. Dass man das als Laie nicht immer versteht, und manchmal kopfschüttelnd vor Auswechslung stand, versteht sich angesichts dessen von selbst. Sollte sich Sasic in dieser Hinsicht verzetteln und die Mannschaft dadurch keinen Erfolg haben, dann werden - wie überall - ganz normale Mechanismen greifen, die auch ihn in die Kritik ziehen.
6. Sasic und Berlin: Die Aufstellung von Berlin war die einzig mögliche, die diesem Kader überhaupt noch zur Verfügung stand, und angesichts drei potentieller defensiver Mittelfeldspieler, zwei agilen Außen, die sich auch durch ihre Defensivarbeit auszeichneten und einem nominellen Stürmer kann ich eine zu offensive Ausrichtung nicht erkennen. Dass die Mannschaft sowohl zu schwach war, als auch Pech durch zwei umgehend gelingende Aktionen der Schalker hatte, als auch womöglich ihre Aufgaben nicht richtig erledigte oder zu überfordert mit diesen war... ich weiß nicht, ob man Sasic dafür und angesichts der Umstände verantwortlich machen kann. Man darf nicht vergessen: Mit Koch, Baljak und Maierhofer wurde dieser Mannschaft das Herz herausgerissen, anschließend die Hände und vor lauter Spaß auch noch die Füße abgehackt. Es fielen nicht drei Spieler aus, sondern die drei zentralen Führungsspieler dieses Teams, die in Sasics taktischem Konzept eine - wenn nicht gar die - zentrale Rolle spielten. Leute wie Trojan haben leider nicht ihr vollständiges Leistungspensum abrufen können, zumindest er hätte spielerisches einiges kompensieren können. Aber dafür ist vielleicht eher er als der Trainer verantwortlich.
7. Sasic als Sportdirektor: Schaut man sich Sasic beim Zusammenstellen seines Kaders an, dann erkennst du in jedem Transfer einen Plan, einen Sinn, eine logische Besetzung oder ähnliches. Er spielt Schach und belegt die Positionen, er besetzt sie wieder multivariabel (Bollmann Innen wie hinten rechts) und er verbreitert den Kader. Ob er sich in der Anzahl dadurch neu entstehender Möglichkeiten verzettelt, wird die Zukunft zeigen, auch so ein Kader kann sicherlich seine Linie verlieren, wenn er sich nicht eingespielt hat oder wenn keiner mehr versteht, was Sasic mit seinen Auswechslungen bezweckt. Aber ich kann auch bei den Transfers keine starre Taktik erkennen, sondern vielmehr eine Erweiterung des Raums der Möglichkeiten, die sich diesem Kader bieten.
Ich will Sasic nicht in Schutz nehmen, beileibe nicht, die Ansprüche an diesen Kader wachsen mit jedem getätigten Transfer und ich erwarte von dieser Mannschaft mehr als zu Beginn der letzten Saison. Aber dieser ganzheitliche Ansatz, jetzt auch Leute wie Kastrati ins Boot zu holen und an sich zu binden, der Versuch Ivica Grlic ins Management zu ziehen, der Ethos, den Sasic vorlebt, lässt mich nichts konservatives erkennen, ausser dass er ziemlich hart und rauh werden kann. Sein Ansatz ist ziemlich ganzheitlich und entspricht dem Aufgabenprofil eines englischen Teammanagers, der vieles in Personaleinheit ist. Bricht Sasics System zusammen, dann wird er die volle Verantwortung tragen müssen, weil viele Maßnahmen anscheinend in enger Kooperation mit ihm abgesprochen oder von ihm komplett eingeleitet wurden. Aber jemand, der sich hinstellt, und sagt, was er haben will, was er sich davon erwartet und dem zahlenden Publikum Versprechen erteilt, an denen er sich messen lässt, ist mir weitaus lieber als ein Trainer, der dauerhaft die Außeneinflüsse, seien es die Fans (Bommer), sei es die sportliche Führung und deren Transfergebaren (Bommer) oder die Presse für die sportliche Talfahrt verantwortlich macht (Bommer und Neururer).
Sasic hat genug Ecken und Kanten, um an einer dieser andocken und sich über ihn auslassen zu können, das ist vollkommen richtig und den Eckentrick hab ich auch noch nicht richtig verstanden, gehe aber davon aus, dass es darum geht, einen zweiten Verteidiger aus dem Zentrum zu ziehen, um, siehe oben, Vorteile bei dem Standard zu haben. Aber diesen Trainer auf nur eine einzige Taktik zu reduzieren, ist angesichts der Darstellungen der Rück- und phasenweise der Rückrunde schlichtweg eine falsche und jederzeit widerlegbare Aussage.