Was mich nervt: wer die anderen kleinredet, schmälert am Ende nur seine eigene Leistung. So ist auch der grandiose Einzug ins Finale mittlerweile bei einigen zu einem reinen Spassevent degradiert worden, wo man so ein paar Sambalocken mal gezeigt hat, wo der deutsche Bartel den Most holt. Ich finde, das entspricht überhaupt nicht dem, was man tatsächlich gesehen hat: eine kluge Mannschaftsleistung, hervorgerufen durch ein überlegtes Steuern eines Trainerteams, welches grundsätzlich, und im Unterschied zu anderen Teilnehmern, stets wieder bereit war, Fehler zu korrigieren. Spieler, die vorsichtig auf die richtige Gelegenheit warteten, die Schwächen des Gegners zunächst analysierten, und nach dem Führungstor mit Präzision und im Kollektiv eine Weltklassepartie aufgezogen haben. Grandios, wie sie nicht danach total triumphierten, sondern erstmal die Brasilianer trösteten und dann Erwartungen im Bezug auf den Titel sowie die eigene, gerade vollbrachte Leistung relativierten, um den sich wie ein Virus ausbreitenden Favoritenbonus zu bekämpfen!
Klose, Schweini und Khedira wurden von vorneherein sowieso nicht als Superheroen aufgebaut, die alle Endgegner problemfrei wegtackern, sondern ihre nach Verletzungen begrenzte Einsatzfähigkeit wurde klug optimiert, und dann in Szene gesetzt. Eine Steigerung, die wir alles in allem wohl nicht zuletzt Müller-Wohlfahrt zu verdanken haben, und die ganz eindeutig eine Leistung des Kollektivs ist. Löw hat am Ende recht behalten, auch gegenüber einem van Gaal, der radikaler auf den Nachwuchs setzte, und auch gegenüber den Kritikern, die wie ich vor dem Ganzen befürwortet hatten, dass wir auch radikal auf den Nachwuchs setzen.
Aber Durchmarsch, endgültiges Verstummen aller Kritik, weil allen das Maul gestopft wäre? Mitnichten! Ich bin stolz auf diese Deutschen, sogar zum Bersten stolz, aber deshalb, weil sie keine Hacker sind, keine Chaoten, sondern kluge Jungens, die ihre Möglichkeiten wahrnehmen. So ähnlich, wie sie es 90 waren, und wie sie auch 74 waren. Wenn wir triumphieren, wird es ein Fanal der Klugheit sein, auch der Selbstbescheidung, jener Dreifachbewegung von Versuch, Irrtum, Analyse, die erst dazu führen kann, dass sich eine echte Mannschaftsleistung ergibt.
Hier waren wir den anderen am Schluss überlegen. Aber man hat gesehen: gegen Frankreich, die auch aus dem Kollektiv heraus spielten, war es knapp. Und Argentinien hat ebenfalls mannschaftlich geschlossen agiert, und ist weiter damit gekommen als irgendeine andere Mannschaft. Ein Messi hat sich ganz in den Dienst der grossen Sache gestellt. Die flache Hierarchie hat das ganze Turnier sowieso dominiert.