Korruption bei Firmen als notwendiges Übel - klingt zwar gut, wenn das einer schreibt, so als hätte er Insiderinformationen, ist aber generell niemals ein Kavaliersdelikt, sondern in seinen vielfältigen Ausformungen dasjenige, was aus demokratischen Gemeinwesen, und sogar autoritären Regimen, Bananenrepubliken macht. Wenn wir noch keine Bananenrepublik Deutschland sind, dann wegen unserem Hang zur Transparenz in diesen Dingen, und auch wenn sich das manchmal wie kleinkariertes Netzwerken der vereinigten Missgünstigen ausmacht, ist es allein das, was uns so weit voran gebracht hat, dass wir nach dem Krieg so schnell wieder eine führende Wirtschaftsnation, mit im Vergleich zu unserer Grösse geradezu beispielloser Potenz, geworden sind. Korruption und Vetternwirtschaft ist daher nicht gleichzusetzen mit Prosperität, schon gar nicht mit Fortschritt. Korruption bedeutet das Gegenteil davon. Was daraus wird, wenn sie als notwendiges Übel allgemeine Akzeptanz erreicht: siehe Griechenland, aber auch die DDR, und ungezählt viele andere.
Auch der Fussball ist durch Korruption in eine ernste Krise geraten. Natürlich kann man das persönliche Versagen der Handelnden in den Vordergrund stellen, und mit dem Finger auf Niersbach, Beckenbauer, Blatter oder Jack Warner und weitere zeigen. Allerdings führt dies nicht weit, die prinzipiellen, im System immanenten Andockstellen, an denen die Korruption zu wachsen beginnt wie ein Schimmelpilz, werden dadurch noch nicht zwangsläufig einer kritischen Prüfung unterzogen. Schön und gut auch, wenn man Katar jetzt an den Pranger stellt, aber immerhin verdanken wir dieser absurden Übertreibung, ausgerechnet dort das wichtigste Fussballturnier der Welt auszurichten, und der absoluten Ignoranz der dortigen Ausrichter, unsere "westlichen" Ansprüche etwa hinsichtlich von Arbeitnehmerschutz überhaupt nur zur Kenntnis zu nehmen, dass die ganze Sache so schnell so gross geworden ist, dass jetzt unumkehrbare Prozesse eingeleitet wurden.
Wir geben uns hierzulande schnell einen Überlegenheitsstatus, so als sei Korruption nunmal die Domäne Osteuropas oder Afrikas, ich glaube allerdings, das einzige, was uns vor ähnlichen Verhältnissen, wie sie dort gang und gäbe waren oder sind, schützen kann, sind miesepetrige Verwaltungsangestellte, humorbefreite Steuerprüfer, nach Schweissfüssen auf Teppichboden riechende Untersuchungsausschüsse, und weder ein sogenanntes freies Spiel des Marktes, noch gar die individualisierte Selbstkontrolle. Wenn es in weiten Landstrichen Afrikas offenes Rebellentum marodierender Horden, Hungersnöte und null Rechtssicherheit gibt, liegt dies zum grössten Teil an der Korruption. Sie ist dort die eigentliche Geissel der Menschheit, seitdem das Kolonialsystem abgelöst wurde, und sie führt im Endeffekt sogar dazu, dass sich Fundamentalisten zu regional allmächtigen Herrschern aufschwingen können, wie neulich der sogenannte Islamische Staat
Neoliberale Ansätze, die immer radikale "Öffnungen" von Märkten, auch im Bereich Profifussball einfordern, und zwar unter der Leitidee, dass sich dann eine Art selbstregulierendes System von selbst etablieren würde, sind in ihren theoretischen Ansätzen in Wirklichkeit irgendwo in den frühen Fünfzigern steckengeblieben. Diese Denkweise gehört auf den Schrottplatz der Geschichte. Ich finde auch das, was die Entwicklungsrichtung in der englischen Liga seit Jahren bestimmt, gehört auf den Schrott. Ausser monumentalen Umsätzen an Geld ist diese Liga im europäischen Vergleich jeden Beweis dafür schuldig geblieben, dass sie den besseren Fussball hervorbringt und dauerhaft liefert, was wohl überhaupt ihre einzige Rechtfertigung sein könnte.
Zur Verstrickung von Adidas wurde ja schon was gesagt. Ich finde, man darf erwarten, dass eine national so bedeutsame Organisation wie der DFB, europaweit die UEFA, oder international die FIFA, deren Grossteil aktiver Mitglieder Jugendliche sind, sich um mehr kümmert als nur darum, in welchem Luxushotel ihr Präsidum demnächst tagt, und/oder wie man die Landebahnen für globalisiertes Sponsorentum am einzelnen Austragungsort noch breiter und glatter hinkriegt. Jeder pädagogische Ansatz und soziale Impetus solcher Organisationen, die weltweit einflussreich sind, wird der Lächerlichkeit preisgegeben, wenn ihre Führungsspitze sich dabei erwischen lässt, wie sie mit der Hand in einem anderen Portemonnaie steckt, egal jetzt, ob sie was rausnehmen oder heimlich reinstecken wollte.
Für mich fängt dieser Skandal ganz unten an, bei Jugendlichen, die in ihrer Freizeit gern Fussball spielen, und die an der Spitze ihres Verbandes einen Präsidenten erwarten können, der integer ist, Verlässlichkeit und Souveränität sowie Pflichtbewusstsein ausstrahlt. Wie soll ein Trainer solchen Jungens sonst aufzeigen können, was Teamgeist, Fairplay und all dies zu bedeuten hat. Im Profitum mögen diese Kategorien mittlerweile zu belächelten Hirngespinsten von Weicheiern mutiert sein, im Amateurbereich sind sie die wichtige Grundlage dafür, dass Mannschaftssport überhaupt noch sinnvoll funktionieren kann. Kinder, die Fussball spielen, sind kreativer, intelligenter und sozial kompetenter, das belegen Studien. Jugendtrainer und auch Jugendliche selbst berichten einem immer wieder von der lobenswerten integrativen Funktion des Amateurfussballs. Selbst wenn du krankhaft schüchtern bist, gewinnst du Freunde durchs Kicken, selbst wenn du ein Zugereister bist, der sonst nirgends akzeptiert wird, akzeptieren dich deine Sportkameraden.
Das sind für mich die Dinge, die auf dem Spiel stehen, nicht, ob ein Herr nahe dem Rentenalter oder ein in den Alpen abgetauchter Multimillionär gerade eine nicht so gute Zeit hat. Und auch nicht, zuguterletzt, ob das nächste EM-Turnier mit bestechender Logistik aufwarten kann.