Absolut ärgerlich. Cottbus war an diesem Spieltag absolut schlagbar, aber wir haben meines Erachtens – und so hart darf man mit der Mannschaft auch mal ins Gericht gehen – wie ein Absteiger agiert. Die ersten 60 Minuten waren die schlechtesten, die ich in den letzten zwei Jahren gesehen habe (Hoffenheim habe ich verpasst). Keine Körperlichkeit, kein Kampf, kein Abnutzen, fehlende Eier, Angst vor Fehlern, ein Fehlpass-Festival und kein Spieler, der das Zepter in die Hand nimmt. Mich hat das Ergebnis enttäuscht, natürlich. Viel enttäuschender fand ich aber diese ersten sechzig Minuten eben.
In erster Linie hast du gesehen, dass es bei Fleckstein so bleibt, dass er ein sicheres (Abwehr-)Umfeld benötigt, um sein Spiel durchzubringen und seine Boss-Aura, die er schon in den letzten Monaten an den Tag gelegt hat, aufzubringen. Bei Mert hatte ich seit Aachen kein gutes Gefühl, schon da rettet er zwar einmal bärenstark, hat sich aber dermaßen überlaufen lassen und war unsicher, auch offensiv, dass der Ersatz von Bitter noch einmal schwerer gewogen hat. Wenn man Jessen den Ersatz nicht zutraut, muss man hier nachlegen. Gökan war aber einer der Unsicherheitsfaktoren in der Abwehr, komplementiert mit Fleckstein, der einen rabenschwarzen Tag erwischt hat. Sein viel zu langes Nachdenken war sinnbildlich dafür, dass wir die Rolle des Spitzenreiters nicht wiedergegeben haben, sondern eingeschüchtert wirkten. Das erste Gegentor geht komplett auf seine Kappe, nach der Pause ebenfalls ein absoluter Blackout. Das hat uns Punkte gekostet.
Bis zur 60. Minute waren wir eben überhaupt nicht da, Ballverluste, die für mich teilweise echt unerklärlich waren, die ich so eben auch noch nicht gesehen habe. Gökhan, Fleckstein, Hahn, Müller, Meuer – Totalausfälle. Mit den Wechseln, die meines Erachtens viel zu spät kamen, konnten wir noch einmal Druck aufbauen und sind zum 2:2 gekommen. Dass wir beim 3:2 so eine Kirsche fressen, ist sinnbildlich für das Spiel. Bulic ist für mich in erster Linie der Hauptverursacher. Cottbus ist tot, denen schlottern die Knie, wir sind in einem aussichtsreichen Angriff, unser Zerstörer Bulic besinnt sich nicht auf seine Kernkompetenzen, das Spiel zu zerstören, sondern will mit dem Kopf durch die Wand und gegen 2–3 Spieler durch. Dann wird das Spiel von Cottbus einfach nicht unterbunden, ein Cigerci wird weder gestellt noch angegriffen. Dass er alleine zum Schuss kommt, zeigt unsere Performance an diesem Tag.
Ich muss hier aber auch Braune absolut mit reinnehmen. Diesen Ball MUSST du halten, Cigerci schießt aus 17–18 Metern, Braune steht viel zu weit vor dem Kasten. Er antizipiert abermals die Situation falsch. Langsam wird die Liste der Fehler echt lang. Ich bin ganz ehrlich: Unser Spiel ist hintenrum fußballerisch aufgebaut, das kannst du mit einem Hanin oder Paris nicht spielen. Braune ist für sein Alter ein absolut ordentlicher Keeper, aber er hat hier auch einen Status inne, den ich einfach nicht sehe. Er ist nicht diese MSV-Jugendikone, zu der er gemacht wird. Er ist aus dem Schalker NLZ hierher gewechselt, hat in der Jugend kaum Spiele absolviert, war jahrelang unser 3. Keeper, irgendwann 2. Keeper – wie viele Spiele aber hat er in wichtigen Entwicklungsjahren gesehen? Nicht viele. Für mich ist und bleibt er ein durchschnittlicher Torwart.
Ich würde einem entwicklungsfähigen Keeper diese Fehler und Entwicklung zugestehen, das tue ich bei Braune übrigens aktuell auch noch. Aber wir sind schon an einem Punkt angekommen, wo wir das Torwartspiel reflektieren und perspektivisch bewerten müssen. Für mich ist Braune eben nicht dieser entwicklungsfähige Keeper, dem ich den Überdurchschnitt (wie einst Flekken) zutraue.
Weinkauf war bspw. meines Erachtens damals einige Klassen besser. Was der uns an Punkten rausgeholt hat. Ich weiß aber durch die damalige Mannschaft, dass er nicht DAS Nervenkostüm hatte, um Bundesligaspieler zu werden. Der hat zu viel nachgedacht, Fehler mit nach Hause genommen und sie wieder produziert – Nervenflattern. Bei Braune fehlt mir dieser „Souveränitätsfokus“ eben auch. Ich sehe da auch ein Nervenkostüm. Bei Torhütern geht es um Sekundenentscheidungen, gerade deshalb ist dem Job so Respekt zu zollen, aber da musst du einfach da sein und performen. Die Fehler wiegen eben schwerer. Braune behauptet aber selber von sich, sich nicht lange mit Fehlern zu beschäftigen, darüber zu stehen und eben ein sehr stabiles Nervenkostüm zu haben. Woran liegt es denn dann?
Alles in allem: zu viele individuelle Fehler in den letzten Wochen, als dass wir da so durchmarschieren. Die Mannschaft lebt nicht von Individualisten, wir haben Jungs im Kader, die nachweislich in der Spitzengruppe der dritten Liga nicht bestanden haben, bei denen es der zweite oder gar dritte Anlauf ist. Da kommst du über das Kollektiv, über die Gier, über das „Gras fressen“ und die Überzeugung, jeden Gegner schlagen zu können. Hör dir z. B. den Podcast der ersten Wochen von unseren Jungs an: Da hörst du Überzeugung pur. Jetzt ist eben der Alltag eingekehrt, Niederlagen gehören mittlerweile auch zur Normalität, Unentschieden ebenfalls, das Siegergen hat Lack abbekommen.
Alles ist gut, keine Sorge. Wir stehen fantastisch da – aber ob wir wirklich aufsteigen können, steht eben in den Sternen, und das ist okay so. Nur appelliere ich da an Ali, der gesagt hat, dass wir uns immer darauf verlassen können, dass 1902 % gegeben wird. Das habe ich in den 60 Minuten, bei aller Liebe und Respekt davor, dass Fußball viel komplexer ist, nicht immer gesehen. Die Jungs waren von der Rolle.
Jetzt Mund abputzen und weitermachen. Die Liga ist ausgeglichen, nächste Woche haben wir Aue, andere Mannschaften klauen sich gegenseitig die Punkte. Das kann auch wieder unser Spieltag werden.