@Schimanski Erstes Saisonspiel drei Tage rum und noch keine Analyse von dir? Wo siehst du Weiterentwicklung, Rückschritte, Auffälligkeiten, taktische Kniffe?
Ich versuche mich mal...
Vorweg: Ich finde es nachvollziehbar, sich nach den Erfahrungen der Rückrunde 22/23 von der Raute zu verabschieden. Sie hat einen hohen Aufwand (im Sinne von Laufbereitschaft, Ballsicherheit und Konzentration) eingefordert und wirkte trotzdem defensiv relativ anfällig (gerade auf den Flügeln, nach Verlagerungen und wenn der Gegner das Pressing umspielt bekam). Wenn die Abläufe im Anlaufen und das Ballbesitzspiel griffen, war sie zwar im Kern sehr dominant, aber der Mehrwert (im Sinne von Torchancen, Toren und Punkten) war nicht so ausgeprägt wie man hätte erwarten können.
Beim 4-2-3-1 der Rückrunde war es so, dass wir gefühlt mit weniger Aufwand einfacher zu besseren Torchancen kamen. Die Spielanlage war dann zwar reaktiver und passiver, aber wir standen kompakter und schufen mehr Situationen um Spieler wie Kölle und Hettwer in Szene zu setzen.
Genau den Ansatz verfolgten wir auch zum Saisonstart im Spiel gegen Freiburg. Wir liefen nicht (oder eher selten bzw. situativ) hoch an, sondern ließen den Gegner aufbauen, standen im Mittelfeld enger und lauerten dort auf Balleroberungen.
Die Formation war gegen den Ball oft so eine Art 4-4-1-1. Der höchste Spieler hatte meist die Aufgabe die Verlagerungsbälle zwischen den IVs zu erschweren und nach außen zu lenken, der Zehner kippte dahinter rein und unterstütze das "Abschneiden" der anderen Seite. Auch unsere offensiven Außen standen meist eng im Halbraum und lenkten nach Außen. Ziegner wollte mit aller Macht das Zentrum verschließen und Freiburg nur den Weg über die Flügel anbieten. Dieser Plan ging auch meistens auf. Falls die Bälle doch mal ins Zentrum gespielt wurden, bekam wir oft Zugriff und eroberte einige Bälle, aus denen wir den Großteil unserer erfolgreichen Offensivaktionen starteten.
Im Ballbesitz änderte sich die Formation in so eine Art 2-3-1-3-1. Die AVs gaben Breite, die zentrale Achse aus Sechser, Achter, Zehner und Stürmer standen meist im Zick-Zack leicht diagonal versetzt zueinander und die offensiven Außen pendelten zwischen Halbraum und Flügel. Erwartungsgemäß hielt sich Bakalorz im Aufbauspiel relativ stark zurück und es lastete viel Verantwortung auf Janders Schultern. Zu Beginn war Jander oft der Achter und positionierte sich - entsprechend seinen Fähigkeiten - zwischen den Linien. Er bekam dort aber nicht viele Bälle. Mit fortschreitender Spieldauer war Jander öfters der (tiefere) Sechser und versuchte das Spiel vom Raum vor oder zwischen den IVs anzukurbeln. Da konnte er zwar oft aufdrehen und hatte schnell offene Stellungen, aber vor ihm gab es im Zentrum ein Vakuum an Verbindungen, weil es generell keine so gute Idee war, Bakalorz im Druck zwischen den Linien anzuspielen und Jander selbst dort fehlte.
Generell war unser Ballbesitzspiel auch eher durchschnittlich. Wir versuchten zwar flach rauszuspielen, aber es fehlte Geduld. Schnell wurde zum langen Ball gegriffen, wir ließen uns leicht stressen, es mangelte vor allem im Übergangsspiel an Freilaufbewegungen und Mut zur spielerischen Lösung. Im Angriffsdrittel sah das für mein Empfinden aber trotzdem ganz gut aus. Es gab einige Versuche mit Unterstützung der AVs kurzfristige dynamische Überzahlen zu erzeugen und so spielerisch hinter die Kette zu kommen oder die Schnittstellen zu attackieren. Zudem erzeugte man mit invers geschlagenen Halbfeldflanken auf den zweiten Pfosten Torgefahr (Pusch auf Girth, Bakir auf Pledl). Auch das könnte ein verabredetes Mittel gewesen sein, um den Freiburgern weh zu tun.
Trotzdem tat sich die Mannschaft für mein Empfinden oft schwer in klar strukturierte Ballbesitzphasen zu kommen (was leider auch den Einfluss von Jander beschnitt, der gerade auch aus geordneten Ballbesitzmomenten viel Mehrwert erzeugen kann). Zu oft war man in hektischen, engen und umkämpften Situation technisch zu unsauber, um den Druck aufzulösen und verlor den Ball dann wieder. Oder aber man spielte unter Druck zu schnell (und erfolglos) den Flügel hoch. Da man auch aus dem Aufbauspiel nur sporadisch konstruktiv in die ruhige Ballzirkulation kam, war der Ball oft schnell wieder weg und man lief ihm dann wieder hinterher (was aber grundsätzlich nichts schlechtes sein muss, wenn der Gegner aus dem Ballbesitz wenig Profit schlagen kann und man selbst immer wieder die ggf. erwünschten Balleroberungen bekommt).
Die Umsetzung der Spielidee in Sachen Intensität und Disziplin fand ich auf einem ziemlich guten Niveau, Ausführung und Technik wechselhaft, das Gegenpressing meistens bissig, aber die Zweikampfführung für meinen Geschmack zu oft nah am Foul, was einige (unnötige?) Freistöße zur Folge hatte.
Übrigens: Freiburg fand ich besser als es viele hier dargestellt haben. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ihnen das gleiche Schicksal wie Bayern II vor drei Jahren ereilt. Sie dürften mindestens die Klasse halten, eingespielt kann es auch wieder Richtung obere Tabellenhälfte gehen.
Um deine Fragen konkret zu beantworten: Eine taktische Weiterentwicklung habe ich kaum erkannt. Das war in vielen Aspekten solide Hausmannskost gut umgesetzt. Einzig die lenkenden Elemente der offensiven Spieler waren ausgeprägter als in der letzten Saison, könnten aber auch eine Anpassung an den zentrums- und kurzpasslastigen Spielansatz der Freiburger gewesen sein. Mit Ball habe ich uns irgendwo zwischen der spielerisch eher armen Hinrunde und den starken Ballbesitzansätzen der Rückrunde der letzten Saison gesehen. Der Abgang von Frey schmerzte uns im Übergangsspiel, dafür belebte Pledl, die spielerischen Elemente in Strafraumnähe, auch wenn die Abstimmung mit den Mitspielern noch nicht optimal war.
So richtig schlüssig wird der 4-2-3-1-Mittelfeldpressing-Ansatz (der für mich so ziemlich genau das Klischee des NLZ-Schubert-Fußballs bedient) eigentlich erst mit mindestens einem dynamischeren Offensivspieler. Damit will ich nicht sagen, dass nicht auch Pusch, Bakir und Pledl als eher spielerisch starke und kreative Spieler ihre Aktionen hatten. Aber ohne Tiefe im Umschaltmoment ist diese Spielidee leichter zu verteidigen, was ja indirekt auch durch die offenen Kaderwünschen der Verantwortlichen bestätigt wird. Da muss noch was kommen. Ansonsten würde die Spielidee für mein Empfinden nur so semi zum Kader passen.