Erste Halbzeit fand ich sehr stark. Sehr gutes Positionsspiel (viel Bewegung, gute Dreiecksbildung, ständige Aktivität, sinnvolle Verlagerungen, viel Spielfreude), wenn auch wenig klare Torchancen, dafür aber große Dominanz. Ingolstadt bis auf die letzten zehn Minuten fast ohne Zugriff und mit limitierter Spielanlage.
Zweite Halbzeit dann zum Teil schwer zu erklären. Ich versuchs trotzdem. Dass Ingolstadt unter Oral nach der ersten Halbzeit jetzt erstmal mit der Brechstange (sprich Offensivpräsenz, wildes Anlaufen, Zweikampfhärte, Ball in die gegnerische Hälfte zwingen) aus der Kabine kommt war doch absolut erwartbar. Aber anscheinend nicht für unsere Mannschaft. Wir können einfach nicht gegen einen intensiv pressenden und anlaufenden Gegner Fussball spielen. Die ganze Spielfreude dahin. Keine Sicherheit und Ruhe mehr. Schon der missglückte Abwurf von Weinkauf, der zum Elfer führte, habe ich überhaupt nicht nachvollziehen können. Anstatt die Dynamik der Audis zu brechen, macht er das Spiel schnell, während der Rest der Mannschaft auffächert. Der FCI fängt den Ball ab und erwischt uns im ungeordneten Zustand. Beim 2:1 fehlte schlicht die nötige Intensität und Konzentration. Unsere Sechser bekommen kein Druck auf Stendera, Schnittstelle zwischen Schmidt und Sauer zu groß, falsch getimetes Rausrücken, und Weinkauf sieht auch nicht gut aus (steht viel zu weit am kurzen Pfosten). Beim dritten Tor zerrt sich Schmidt, fehlt im Zentrum, die Unordnung nutzt Ingolstadt eiskalt.
Und spätestens danach passiert anscheinend im Kopf etwas. Ein Problem, was sich schon durch die ganze Saison zieht. Offensive und Defensive trennen sich, sind keine Mannschaft mehr. Die Offensive hilft nur noch alibimäßig nach hinten mit, die Defensive fühlt sich alleine gelassen. Ist sowieso alles scheissegal, gerettet sind wir seit gestern, Zweckgemeinschaft Profifussball. Die Zocker wollen nicht mehr arbeiten, die Arbeiter wollen die
nicht alleine ausbügeln. Selbst Weinkauf passt sich an. Beim 4:1 steht er schon wieder zu weit innen. Das 5:1 zeigt das Problem der schlechten Rückwärtsarbeit sinnbildlich. Obwohl der Ball vor dem finalen Abschluss nochmal zurück gespielt wird, steht der Torschütze komplett frei. Aber: Das ist Fussball. Sowas ist auch schon mal in WM-Halbfinals vorgekommen. Und die Mannschaft hat die letzten Wochen auch oft unter großem Druck gestanden und am Limit performt. Gestern war die Luft dann nach dem Rückstand raus, der Stecker gezogen, der Akku leer.
Ich bin gespannt wie der Kader nächste Saison aussieht. Ich traue mir nicht zu, die faulen Äpfel ausfindig zu machen. Ich denke wir haben wirklich ein paar geile Kicker. Das konnte man auch gestern in Halbzeit 1 sehr gut sehen, wo wir einem Aufstiegskandidaten sehr gut bespielt haben. Aber es fehlt auch an Kohärenz und Sicherheit in der Spielanlage um flexibel auf Rhythmusänderungen der Gegner zu reagieren. Und dann sind wir in Sachen Rückwärtsarbeit und der Bereitschaft, kollektiv gegen den Ball zu arbeiten, zu wankelmutig. Und unsere Defensive ist einfach nicht gut genug, um das alleine zu verteidigen. Zudem haben wir die ganze Saison keine Konstanz in der Defensivformation gehabt.
Womit wir bei der Kaderstruktur wären. Drei Trainer haben sich an diesem Kader probiert. Alle mit einem gewissen Renommee. Lettieri ist schon mal aus der 3.Liga aufgestiegen, Dotchev ist Drittligarekordtrainer, Lieberknecht hat in Braunschweig Großes aufgebaut. Alle drei mit unterschiedlichen Spielansätzen und Führungsidealen. Alle drei sind an diesem Kader mehr oder weniger gescheitert. Selbst die Dotchev-Bilanz liest sich mit sechs Siegen, vier Unentschieden und fünf Niederlagern mittlerweile durchschnittlich und würde - hochgerechnet - nicht annähernd die Saisonziele bedeuten, die der Sportdirektor für diesen Kader ausgegeben hat...