Erst einmal möchte ich vorausschicken, daß ich während meines ganzen passiven Fußballerlebens noch nie meine Mannschaft oder einen einzelnen Spieler dieser Mannschaft während eines Spiels ausgepfiffen habe. Und dabei wird es auch bleiben. Der Grund dafür ist, daß ich aufgrund gewisser Erfahrungen immer noch an eine magische 4. Minute der Nachspielzeit glaube. Außerdem glaube ich nicht daran, daß ausgerechnet mein Pfiff irgendwelche vermissten Kräfte freilegen würde. Nach Abpfiff stellt sich die Sachlage allerdings anders dar und ich habe dann, aber halt erst dann, durchaus hier und da eine gewisse Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation zu verstehen gegeben. Aber auch das nur als Vorsichtsmaßnahme bevor mir der Hals explodiert und nicht etwa in der Hoffnung, daß ausgerechnet mein Eskalieren die Truppe in die Schuhe bringt.
OK, dieses Spiel hat mich wirklich nicht zufriedengestellt. Nach einer durchaus hoffnungsvollen Anfangsphase mit einem blitzsauber herausgespielten Tor und insgesamt stabiler Defensive, hat mich dann aber schon der im Grunde aus dem Nichts möglich gewordene Lattentreffer von Grüttner nichts Gutes ahnen lassen. Halbzeit 2 war einfach unterirdisch und da bleibe ich unterm Strich dabei, auch wenn es durchaus objektive Gründe dafür gibt, wie beispielsweise die dank Schiri bestehende Mehrfachgelbbelastung, die unsere Truppe sichtbar in ein Korsett gezwängt haben, das letztlich zu der Passivität beigetragen hat. Aber wie auch immer, liegt es in der eigenen Wahrnehmung gerne nahe, daß die 2. Halbzeit in der letztlichen Spielbewertung die 1. Halbzeit überdeckt und insofern kann ich auch durchaus nachvollziehen, daß hier nicht selten das Fazit eines absolut unbefriedigenden Heimspiels gezogen wird. Das ist erstens jedermanns gutes Recht, zweitens auch aus o.a. Gründen nachvollziehbar. Schlußendlich dürfte uns aber einen, daß wir (einmal mehr) mehr erhofft haben.
Daß hier und da durchaus in der Kritik überzogen wird, sehe ich auch so. Ich glaube aber nicht, daß diese überzogene Kritik mit einem völligen Fehlen von Kritik argumentativ gekontert werden kann. Es ist halt mittlerweile doch eine ganze Reihe von insbesondere Heimspielen, die man nicht einfach so stehen lassen kann. Wir haben zwar diese noch immer durchaus komfortable Tabellenführung nicht in der Tombola gewonnen, Souveränität und Stabilität sieht aber schon etwas anders aus. Und was die Mannschaft aus welchen Gründen auch immer nicht in sich trägt, kann man aus meiner Sicht vom Umfeld nicht einfordern.
Sind die Maßstäbe zu streng und die Erwartungen zu hoch? In Teilen sehe ich das, wenn es um Spielkultur, Dominanz, Tempo bei publikumswirksamer Technik und dergleichen geht, nicht aber wenn es um Dinge geht, die auch auf Asche eingefordert werden. Einfallslose Standards, dämliche Fouls, aberwitzige Laufwege und schließlich suboptimale Zweikampfführung sägen doch ziemlich am Nerv und ich habe mich selbst schon öfters dazu ermahnen müssen, jede Situation doch bitte neu zu beurteilen, anstatt alle Aktionen einfach in den bereits köchelnden Topf zu werfen und dann womöglich die ungenießbare Pampe anschließend hier im Portal zu kredenzen. Leider gelingt mir es aber nicht immer, objektiv und sachlich zu bleiben und ich meine fast, daß ich da nicht der Einzige bin.
Was meine ganz spezielle momentane Haltung zur aktuellen Mannschaft betrifft, drückt dieser Passus des Kollegen Spartacus ganz gut aus:
Warum die Mannschaft das Ding gestern nicht nach Hause gefahren hat, warum sie in der zweiten Halbzeit zwei oder mehr Gänge zurückgeschaltet hat, werde ich genauso wenig nie verstehen, wie die unglaublich leblose Leistung in der Relegation.
Tatsächlich muß ich nämlich zugeben, daß ich noch immer einen "Würzburg-Rucksack" trage, der es der Truppe zusätzlich erschwert, mich zu überzeugen. Das ist erstens ungerecht, zweitens aber leider nicht zu ändern. Die Pleite in Würzburg unmittelbar nach dieser beeindruckenden Aufholjagd, die ich nicht mehr für möglich gehalten habe, hat mir irgendeinen Knacks versetzt, der bis heute nachwirkt. Gut, das ist durchaus mein Problem und das weiß ich auch, es beeinflußt aber trotzdem meine Sicht auf die Dinge bis heute.
Nach diesen beiden Halbzeiten bin ich nicht schlauer, nicht pessimistischer oder optimistischer, wie vorher. Auf der Guthabenseite stehen aber ein Spiel weniger bei noch ansehnlichem Vorsprung. Und schon in Kürze die Möglichkeit in Rostock zusätzliche Wahrscheinlichkeiten für den Aufstieg zu schaffen. Ich stelle daher vorsichtig optimistisch wieder auf "Null".