Ich kann Flick gern darüber aufklären, was ich als DFB-Mitglied und zahlender Fussballfan fachlich und menschlich von einer so hochdotierten Rolle im direkten Staff der Nationalmannschaft erwarte, wie sie bisher Oliver Bierhoff eingenommen hat: Dass nicht so ein Foto entsteht, das unsere deutschen Weltklassespieler im Netz zur internationalen Lachnummer macht. Dass man eine richtige Interpunktion zwischen politischer Stellungnahme und sportlicher Notwendigkeit, sofern man zugesagt hat, an dem Turnier teilzunehmen, schon vorher ausgearbeitet hat und in einer Weise kommunizieren kann, die nicht so wirkt, als wäre man inzwischen selbst eine Figur aus einem Nutella-Werbespot geworden, die sich sympathisch "lost" einen abstammelt, und dabei auch noch einen berühmten Satz des Sozialdemokraten Otto Wels aus einer Rede zur Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes zweckentfremdet. Dabei war das Problem keineswegs die Armbinde - sondern das komplett erstaunte Getue wegen des letztendlichen Verbotes durch die FIFA.
Das war genauso vorhersehbar unprofessionell wie damals die Kommunikation zu Mesut Özil. Wie die Kommunikation zum chronisch schlechten Abschneiden bei den letzten Turnieren, trotzdem der DFB im Vergleich zu anderen Teilnehmenden, die viel weiter gekommen sind als wir, ein wahrer Gigant ist. Im Endeffekt war die Katastrophe mit Flick und Bierhoff diesmal noch vollständiger als vorher mit Löw und Bierhoff. Denn Löw war wenigstens vor Turnieren immer vorsichtig in seinen Prognosen. Diesmal musste aber die Zielvorgabe "Weltmeister" sein - für mich eindeutig ein Anheizer, um die verlorene Bindung an die Nationalmannschaft wieder hochzupushen. Dafür war aber ausgerechnet die Boykottstimmung, die schon lange im Vorfeld geherrscht hat, einfach nicht das passende Umfeld.
Auch Bierhoff hätte sich offensiv zu der Verschwendung, der Selbstpräsentation eines Mega-Reichen-Ressorts, der offenkundigen Großoffensive im Bezug auf mit Geld eingekaufter "Fankultur", äussern können oder müssen. Vielleicht mit einer Ansage, dass wir auf Werbeeinnahmen dieses Mal verzichten, oder diese den Armen in Katar zukommen lassen, weil wir eben ein stinkreicher Gigant sind. Man hätte es aber einfach auch machen können, wie die Niederländer: Einfach sagen, dass man sich entschieden hat, in Katar mitzumachen, und es ab jetzt von der Mannschaft aus nur noch um Fussball geht. Leider scheint keine dieser Optionen für Bierhoff klar und einfach möglich gewesen zu sein. Statt dessen hat er alles wieder mal an den entscheidenden Punkten falsch eingeschätzt. Ich wage mal die Behauptung, aus unheiliger Bigotterie in dem Versuch, einen perfekten Spagat zwischen kritischer Öffentlichkeit und Anssprüchlichkeiten der zahlungskräftigen Werbetreibenden hinzukriegen.
Natürlich geht es auch um das Sportliche: Grosse Talente, wie Musiala, Havertz, oder Sane, sehen in der Nationalmannschaft immer schlechter aus, als in ihren Vereinen. Es gibt ein durchgreifendes Manko im Spiel gegen den Ball, eine Kritiklosigkeit gegenüber den Fehlern von Neuer, eine chronische Labilität, wenn wir aus reinem Angriffsfussball in einen anderen Modus umschalten müssen, weil unsere Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt sind. Oder einfach gegen einen Japaner, der alles auf eine Karte setzt, die Nerven behalten müssen. Inzwischen haben wir gar keine Aussenverteidiger mehr, die auch verteidigen können oder wollen, und unsere Innenverteidiger spielen so, als hätten sie sich fünf Minuten vor dem Kick zum allerersten Mal gesehen.