Ich finde, wenn Oliver Schmidt beim Spiel Costa Rica gg. Holland einen Schwalbenversuch eines Costa Ricaners so kommentiert, dass er meint, der macht jetzt auch schon den "Robben", ist das unterste Schublade. Davon abgesehen finde ich die Vorhaltungen gegen Holländer ausgerechnet bei dem Turnier wegen Unfairness unverständlich. Auch die kurzen Kontaktaufnahmen des Torwartes zum Elferschützen sind durchaus üblich. Kahn, der es eigentlich wissen muss, kannte es jedenfalls und nahm es eher als Anekdote. Dass Robben leicht fällt, davon konnte in dem ausgesprochen wichtigen Spiel vorgestern gar keine Rede sein, und die Holländer sind auch nicht dauernd wie verrückt auf den Linienrichter los, obwohl es von knappsten Abseitsentscheidungen wimmelte.
Insgesamt hält sich mein Mitleid mit Costa Rica in Grenzen, weil sie einfach spielerisch nix Aufregendes zu bieten hatten, ganz im Gegensatz zu den Niederländern. Wie van Gaal den Platz bespielen lässt, wie sie verschieben, wie sie blitzschnell vorne sind, ohne jemals tatsächlich die Kontrolle zu verlieren: erste Sahne. Unglaublich, dass sie nicht fünf Buden gemacht haben, und zwar pro Halbzeit. Und ein Systemwechsel braucht bei denen, anders als bei uns, nicht drei Spiele, sondern drei Minuten während einer Unterbrechung wegen Trinkpause/Verletzung, etc. Zudem sollte man sich mal angucken, was für Spieler van Gaal mit hat: ausser van Persie, Robben, Sneijder alles weitgehend bei uns nur den Spezialisten bekannte Leute, kaum welche, die internationale Erfahrung vorweisen können.
Für mich bleibt es dabei: die Holländer sind die aufregendste Neu/Wiederentdeckung dieser WM. Costa Rica, nicht anders wie schon Algerien, mit extrem hohem, laufaufwendigem Gegenpressing, das scheint die neue Methodik zu sein, um mit eigentlich technisch dem Vergleich nicht gewachsenen Personal dem Gegner dennoch den Schneid abzukaufen. Es erinnerte deutlich an bestimmte Entwicklungen in "unserer" dritten Liga: völlig gut austrainierte Athlethen, die über ein Höchstmass an Disziplin für ihr eigenes Stellungsspiel verfügen und von einem inspirierten Könner an der Seitenlinie sehr geschickt gecoacht werden. Dennoch: im Halbfinale haben die eigentlich, Sorry, doch irgendwie nichts mehr zu suchen gehabt.
So ist es viel besser: nachdem sich Argentinien im Spielaufbau deutlich steigern konnten, die Belgier aber auch ziemlich harmlos blieben, kommt es jetzt zum wirklichen Showdown der Philosophien: Europa gegen Lateinamerika, Personenkult gegen Systemfussball, mannschaftliche Geschlossenheit und taktische Disziplin gegen die anscheinend gottgewollte Inspiration. Und darüber hinaus sind die "Vertreter" der jeweiligen "Schulen" auch noch traditionell verfeindete "ewige" Rivalen: Deutschland/Holland ist ebenso brisant wie Argentinien/Brasilien.
Eine Neuauflage des Klassiker-Endspiels von 74 wäre natürlich ein Traum. Argentinien soll sich mal mit Brasilien um Platz drei zoffen. Vorauszusagen ist da kaum was, allerdings würde ich die Brasilianer keineswegs nur deshalb schon als leicht zu schlagen ansehen, weil sie anscheinend weniger geschlossen auf dem Platz agieren. Zum Teil können sie sich die Abstände halt leisten, da sie ausgesprochen passsicher sind, enormes Tempo aufbieten, wenn es drauf ankommt, und auch ihre Zweitbesetzung, etwa in der Innenverteidigung, ziemliches Niveau aufweist. Zudem sind sie nicht so freundlich wie die Franzosen, uns mit Überraschungen weitgehend zu verschonen. Einige von ihnen sind zudem Dauergäste in der Championsleague, und Leute, die ein Spiel allein entscheiden können. David Luiz hat es zuletzt gezeigt. Mit nur einer Standardbude kommen wir bei denen nicht aus, und Neuer sollte sich auch nicht am Mittelkreis erwischen lassen. Bei Argentinien hingegen ist ein wichtiger Mann nicht dabei, nämlich di Maria. Messi aber war noch nie besser in der Nationalmannschaft. Viellleicht war es klug, die Mannschaft konkret um ihn herum zu bauen
Noch zu den Schiris: bevor man die jetzt wieder komplett in den Senkel stellt, sollte man vielleicht noch mal abwarten, was noch über Vorgaben seitens der FIFA verlautbart wird. Bei jedem internationalen Turnier gibt es sie, und oft müssen die Schiris den Unmut der Zuschauer ausbaden, weil sie solche Vorgaben umzusetzen haben. Wie man nach der Gelbsperre für Thiago Silva und und der bisher sogar ungeahndeten Körperverletzung an Neymar immer noch annehmen kann, Brasilien werde von Schiris auf Anweisung bevorteilt, verstehe ich nicht. Mein Eindruck alles in allem: es sollen aus Gründen der erhalten bleibenden Attraktivität insgesamt möglichst wenige Gelbsperren zustande kommen, deshalb bleiben die grellen Kartons eher öfters mal stecken. Ausnahmen bestätigen die Regel.