Mir geht die Bayern-Selbstüberhöhung mal wieder extrem auf den Keks. Das ist der eigentliche Grund, warum so viele die hassen, und so viele andere eben wie verrückt deren Trikots einkaufen, als seien die irgendwie magisches Voodoo. Was wie immer dabei auf der Strecke bleibt, ist jeder Respekt vor den Gegnern oder der Würde des Spiels an sich. Fing schon wieder mit Rummelflieges unsäglichem Schiri-Bashing, diesmal schon vor der Partie, an. Ging dann damit weiter, dass man aus der angeblich drückenden Hinspielüberlegenheit (naja, ganze acht Minuten oder so hat man ja zuhause tatsächlich auch geführt!) ableitete, dass man in Madrid eigentlich nur alles richtig machen müsste, um den Sieg als berechtigte Selbstverständlichkeit davonzutragen, ganz so, als sei Real an sich eher Laufkundschaft, und ein Zinedine Zidane so einer dieser von echtem Fussball keine Ahnung habenden "Laptoptrainer". Klar, dass Ulreich auch aufgrund des sehr effektiven gegnerischen Forecheckings dieser veritable Patzer unterlief, die Bayern beim ersten Benzema-Tor in der Defensive komplett locker ausgespielt wurden, dass Real diese Angriffe mit chirurgischer Präzision ausspielen, und sie zum Beispiel auch einen sehr schlecht aufgelegten Ronaldo noch nutzbringend einsetzen konnten, währenddem Lewandowski wirklich ein Totalausfall war: alles nicht mehr wichtig!
Ausgerechnet bei Deutschen zählt dann auch nix mehr, dass Zidane, mit der tätigen Beihilfe des grossen deutschen Mittelfeldspielers Toni Kroos, mit Luka Modric und dem in beiden Spielen phantastischen Marcello, eigentlich zurückhaltend und meisterlich effizient "deutschen" Fussball spielen lässt. Wobei die Genannten alle drei Musterbeispiele für klassische deutsche Fussballtugenden, sprich höchste Qualität zugleich im Defensiv- und auch Offensivbereich, darstellen. Und dass im nunmehr dritten Jahr stetig die Behauptung rekapituliert wird, dass Real Madrid eine total überbewertete Hackertruppe wäre, spricht einfach im Negativen für sich selbst. Ich finde, dass bei keiner anderen Mannschaft so eine Ballbeherrschung zu beobachten ist, man bei der Rückeroberung im Mittelfeld mit vergleichsweise so wenigen Fouls auskommt, man so exakt verschiebend die Pille am Laufen hält, um den Gegner effektiv einzuschnüren. Real hat das nicht oft gezeigt, aber wenn, dann spielten sie es jedesmal so runter, dass allerhöchste Gefahr dabei entstand.
Was die einfach können, und was Bayern auch im Rückspiel nicht konnte, ist, das Spiel effektiv zu interpunktieren, Angriffe auch ins Ziel zu bringen, wenn notwendig, und zur Not halt mit Mann und Maus hinten zwanzig Minuten die Bälle rauskloppen. Wobei ich Hochanerkennenswert finde, wieviel Power die auch nicht mehr ganz jungen Bayern bis ganz zum Schluss nachzulegen hatten, zweifelsohne das Verdienst von Heynckes. Das lief wie bei der TSG Hoffenheim, aber leider auch mit einer ähnlichen Fehlerlastigkeit. Immer wieder verloren die Bayern namentlich im Mittelfeld den Ball, Ribery wurde über links immer wieder neutralisiert, auch noch an der Grundlinie, und die beiden Bayern-Treffer waren im Endeffekt halt ebenso Abstauber, wie das zweite Ding von Benzema.
James, Ribery (der sogar den Zwang, einen umzuhauen, ausnahmsweise im Griff hatte) und Kimmich, teilweise auch Müller, lieferten eine grosse Partie, gegen so einen Gegner aller Ehren wert, aber ansonsten ist der Käse mit "verdient" oder "unverdient" auf dem Niveau von "Vizekusen" oder "Meister der Herzen", sprich dieser noch immer hochklassigen Veranstaltung einfach unwürdig. Die Partie lief eigentlich so, mit überraschender Führung der Gäste, dann Ausgleich kurz vor und Führung der Heimmannschaft direkt nach der Pause, dass es für Real nahelag, ab da in den Kontrollmodus überzuwechseln. Der unerwartete Ausgleich dann, mit noch reichlich Zeit auf der Uhr, brachte sie wirklich ziemlich in die Bredouille. In welchem Ausmass ein Zidane so ein Spiel lesen und interpretieren kann zeigte sich dann in der Effizienz, mit der er in der Schlussphase mit Spielzerstörer Casemiro genau den richtigen Spieler brachte, und einem Übermass an Ambition der Gastmannschaft gleich mal einen sehr effektiven Riegel vorzuschieben. Das Ding ist wohl, dass sie dann auch diese Spieler haben, dass ein Casemiro halt auf einem defensiv sichernden Niveau spielt, von dem ein Khedira seit Jahren nur noch träumen kann. Und dass der Typ eben auch nicht sofort so beinhart hektisch zur Sache geht, wie ein Vidal.
Alles in allem ist das Endspiel jetzt, wie ich finde, mit den beiden Mannschaften bestückt, die es, auf die Länge des Turniers hin besehen, auch am meisten "verdient" haben. Jedenfalls, wenn man diese beknackte Formel auch mal verwenden zu müssen meint. Zwei ausgefeilte Systeme, die man da bewundern können wird, Kloppscher totaler Hochrisikofussball gegen Zidansche klassisch europäische totale Effizienz und Präzision. Ich glaube weiterhin, dass Real Madrid das etwas längere Ende vom Tau in der Hand halten wird.