Wie die "Bild", das Zentralorgan des deutschen medialen Populismus, sich mit dem Ramos-Hype tatsächlich mächtig die Eier lecken lässt, sprich Klickzahlen generiert, verdient eine kleine Extra-Würdigung.
1) Die "Rambo-Attacke" von Ramos
https://www.bild.de/sport/fussball/sergio-ramos/macht-sich-ueber-karius-lustig-55913966.bild.html Das dazu gehörige Bild zeigt drei Männer im standardmässigen Infight, sowie etwas ab davon einen Ball, von dem keiner ahnen kann, was der als nächstes macht. Nach dem Bild zu urteilen hoffen alle drei Männer, Karius, Ramos und ein Abwehrspieler Liverpools, dass er in ihre Richtung fliegen wird. Gesichter oder Ellenbogen sind nicht zu sehen. Wer das Video kennt, das vom ZDF bereits online gestellt wurde, wird wissen, dass es sich um ein Standbild schlechter Qualität aus jenem Video handelt. Darüber ist eine Lupe gezogen, die wohl Genauigkeit suggeriert. Wer die bewegten Bilder schon kennt, weiss aber, dass hier die falsche Szene eingefroren ist, denn erst eine Millisekunde später werden Ramos und Karius gemeinsam den Abflug machen, während Liverpools Verteidiger stehen bleibt, sodass sich die Interpretation aufzwingt, dass er Ramos geschubst hat, der seinerseits dann Karius mit runter nimmt.
Für die "Bild" -Strategen ist diese Verkomplizierung natürlich nicht griffig genug, deshalb lassen sie es ja auch eine Millisekunde früher einfrieren. Dort sieht man zwar keinen Ellenbogenstoss, aber es genügt, das wissen sie aus langjähriger Erfahrung, mit der Bildunterschrift zu suggerieren, dass einer zu sehen sei. Ergebnis, zusammen mit einer wertenden "Berichterstattung", die allerdings nur aus einer Ansammlung von Schlagworten besteht: Alle klicken das an, und gehen mit dem Gefühl da wieder raus, dass Ramos das Allerletzte ist, was überhaupt noch frei rumlaufen darf. Damit ist aber noch nicht genug. Bild hat mit dem Rambo-Ramos ein sogenanntes Narrativ in die Welt gesetzt, das sie später wieder bedienen können, spätestens dann, wenn Ramos bei der WM nochmals "auffällig" wird. Also Mehrfachverwertung, sprich Einnahmevervielfältigung.
2) Das "Anzweifeln der Diagnose" seitens Toni Kroos
https://www.bild.de/sport/fussball/...weifelt-an-karius-diagnose-55914232.bild.html Klar, Toni Kroos, unser Mittelfeld-Weltstar, erzeugt von selbst Klicks. Hier wird er aber plötzlich in einem anderen Zusammenhang zum Thema, nämlich als ein Spieler, der sogar Diagnosen von Hirnprofessoren aus Massachusetts anzuzweifeln wagt. Sofort kriegt man nen Schrecken. Ist der Gewährsmann für den ehrlichen deutschen Fussball vielleicht abgefeimter, als man dachte? Haben ihn die perfiden Spanier um Rambo Ramos am Ende sogar schon verdorben? Gelingt es einem, sich durch den wirr versetzten und in verschiedenen Schriftbildern, mit reichlich Werbung untermischten Kurztext zu scrollen, wird allerdings etwas relativ ganz anderes deutlich: Kroos zweifelt nämlich gar nicht die Diagnose als solche an, sondern er macht sich nur, was die "Bild" wohl besser auch mal getan hätte, anhand des Eindrucks, den er von Karius ab der fünfzigsten Minute hatte, Gedanken über den möglichen Schweregrad der Gehirnerschütterung. Hierbei wird er wohl, und zwar ganz zurecht, noch Krämer aus seinem WM-Debüt vor Augen gehabt haben, der wie ein Besoffener über den Platz schwankte, und bei dem dann eine schwere Gehirnerschütterung diagnostiziert wurde.
Auch hier haben die "Bild"- Leute, dank williger Leserschaft, schon die Zweitverwertungsoption eingebaut: wird Kroos während der WM zum mentalen "Leader" von "die Mannschaft", kann man das Ding von jetzt nochmal aufgreifen und konstatieren, er habe sich im Kreise von Löw und Co. wieder sehr schön gefangen. Wird die WM aus seiner Sicht nix, kann man nochmal Klicks generieren, indem man unter Aufgreifen des aktuellen Interviews darauf zurückkommt, ob der lange Auslandsaufenthalt und damit das Entferntsein von deutscher Leitkultur schädlich für Kroos gewesen ist. Wie dem auch sein mag, für mich ist diese Herleitung nur ein Abbild des traurigen Zustandes, in welchem die Sportberichterstattung im Allgemeinen sich zunehmend befindet, und die letztendlich den Ramos-Hype insgesamt in einer Art bestimmt, der man lieber nicht auf den Leim gehen sollte. Dieses im ganz ureigenen Interesse, weil es eben gezielt darum geht, die Wahrnehmung zu verzerren, respektive unmittelbar zu apodiktischen Urteilen zu gelangen. Das ist aber reine Verwertungs- respektive Verkaufsstrategie. Und es beeinflusst das, was wir alle über Fussball denken.