@Kees Jaratz
Ich möchte bewusst nicht wieder eine neue Runde aufmachen, was Bomheuer vs Meißner angeht, weil ich das Gefühl habe, die sind gerade erst wieder dabei, den Bomheuer unauffällig über Kurzeinsätze zu stabilisieren. Ich würde aber dem Vergleich Zorniger/Lettieri auch anhand anderer Personalien widersprechen können, denn sowohl in Liga drei als auch in Liga zwei hat es bei uns immer wieder Leute mit eklatanten Leistungsschwankungen gegeben.
Ich glaube, die mittlerweile bekanntlich an ein Ende gekommene Lettieri-MSV-Story ist gerade auch eine Geschichte der unerwarteten Comebacks, die dafür steht, wie sehr doch Lettieri, anders als Zorniger, seine Spieler aufbauen und deren spezielle Qualitäten optimal nutzbar machen konnte. Aktuell ist da sicher Grote der augenfälligste Mann, der zwischendurch so lange abgemeldet war, dass ihn viele schon für einen hielten, der nicht mehr in die erste Mannschaft gehört.
Ich glaube, alles was man mit Lettieri verbinden kann, ist eigentlich das Gegenteil von dem, was neuerdings gern Laptop-Trainer genannt wird. Lettieri war bekanntlich früh als Fussballer gescheitert und hat seither schon Jahrzehnte, im relativ gesehen unterklassigen Bereich, sein Geld verdient. Er hat zunächst aus der Not eine Tugend machen müssen, und sich dann auf dem Platz die Reputation erworben, die ihn zu höheren Aufgabenstellungen führte. Für mich eine Karriereart, die einen eher unempfänglich für Grössenwahn macht. Auch seine Zeit als Assistent bei Meier, den man wohl nahezu als den abgebrühten Praktiker unter den Fussballtrainern schlechthin bezeichnen kann, spricht für mich dafür, dass man in der Branche seinen Sachverstand schätzt, und weniger seine revolutionären Ideen.
Was tendenziell hier aus dem Taktikthread im wesentlichen als Forderung an Lettieri, besser gesagt den Trainer des MSV im allgemeinen, hervorgeht, ist folgerichtig eher die Aufforderung, interessanter, das heisst wohl auch neumodischer und waghalsiger, spielen zu lassen. Nicht wenige waren ja letzte Saison auch schon davon enttäuscht, wie lange es mit Lettieri, trotzdem er im Vergleich zu Baumann bestimmt einen gravierenden Fortschritt an Spannung, Gefälligkeit und Abwechslung an die Wedau brauchte, vorwiegend darum ging, dass wir die Spiele nicht verlieren, statt sie in Zeichen setzender, berauschender Manier öfter mal zu gewinnen.
Vielleicht ist es für einen wie Lettieri, ohne Erfahrung als Cheftrainer in Liga zwei, aber tatsächlich schwer gewesen, sich vor allem dem rasanten Umschaltspiel konzeptionell anzunähern. Hier würde ich den gravierendsten Unterschied zur dritten Liga sehen. Ich würde auch sagen, dass sich hier in ein paar Jahren viel getan hat, dass etwa das Spiel auch schon bedeutend anders aussieht im Vergleich zu dem, als Ivo Grlic in der zweiten Liga noch ein sehr guter Spieler gewesen ist. Dass man dies zu Anfang vielleicht unterschätzte, und demzufolge logischer Weise auch Spieler falsch einschätzte, würde ich unumwunden zugestehen.
Ich glaube aber auch, dass solche Anpassungen viel viel schwieriger sind, als man gemeinhin annimmt. Der Konsum einer Serie von Montagsspielen bei Sport 1 reicht jedenfalls bestimmt nicht dazu aus, sich auf so etwas vorzubereiten. Kommt dann noch Pech und der Zwang zum wöchentlichen Improvisieren hinzu, ist schnell alles auch erklärt, ohne dass es des Faktors Trainer-Grössenwahn bedarf. Hier sind Ausgangslage und Verlauf beim VFB sicher völlig anders gewesen. Insbesonders Robin Dutt scheint dort auch ein mitentscheidender Faktor zu sein. Der ist schon länger da, und hätte das, was mit Zorniger nicht funktionieren kann, erkennen und abstellen müssen. Dass Grlic mit seiner Verwurzellung bei uns ähnlich blauäugig mit solch einem gravierenden Defizit Lettieris umgegangen sein könnte, mag ich nicht glauben.
Zorniger soll ja gerade daran gescheitert sein (ich hab es ehrlich gesagt im Detail nicht verfolgt) dass er so rückhaltlos auf eben diesen räuberischen Stil eines Hasardeurs, für den wohl nach wie vor am meisten Klopp steht, gesetzt hat, und zwar ohne Rücksicht darauf, welche Optionen seine Mannschaft eigentlich bietet. Lettieri hingegen ist es nach dem anfänglichem Gegentorsegen ziemlich zügig gelungen, wieder eine stabile Defensive zu bauen. Die beste Defensive hatten wir auch schon in Liga drei. Was ihn letztlich den Kopf gekostet hat, war das Ausbleiben von Torchancen und erfolgreichen Torabschlüssen. Also letztendlich mehr Zorniger, als machbar war.