Ich zitiere hier noch einmal einmal das Folgende, weil diese bundesweit in ihren Reaktionen seltsam unscheinbare Meldung aus meiner Sicht einen wirklich epochalen Einschnitt im bisherigen Gefüge des Fußballs darstellt:
50+1 bei Hannover 96 gekippt: Martin Kind bekommt die ganze Macht
Und in diesem Zusammenhang eine mich sehr nachdenklich stimmende Reaktion aus dem Fanforum von Hannover 96:
.
.
.
.
Alter96er
Betreff des Beitrags: Re: Martin Kind - was nun....?
Verfasst: 01.08.2017 21:47
Registriert: 11.02.2005 11:55
Beiträge: 2376
Wohnort: Hannover
Tausend Gedanken schießen unsereinem durch den Kopf – und selbst wenn ich hier versuche zu ordnen, bleibt es immer noch Kauderwelsch. Aber davon viel.
Perversion Nr. 1 Da kommt ein alter Mann daher, der ganz modisch einen auf Hipsterbart macht und vor der versammelten Presse einfach mal so wagt, als wenn es das Erstrebenswerte der Welt wäre, uns in einem Atemzug mit Vizekusen, Golfsburg und Hopp zu nennen. Endlich in der Liga der Plastik-Clubs (von denen – nur so nebenbei - keiner in jüngster Vergangenheit wirklich was gerissen hat). Immerhin hat er den Brauseclub unerwähnt gelassen, weil der derzeit noch nicht so en vogue ist.
Aber dieser größenwahnsinnige Zausel hat nicht die Bohne einer Vorstellung davon, dass er
a) damit unseren Lieblings-Club einreiht in die Phalanx der unter allen Fans zutiefst verachteten Fußballkonstrukte, denen ein Großteil der Fußball-Enthusiasten im Grunde nur alles Schlechte wünscht. Juhuuu! Wir sind jetzt endlich so richtig Feind bei gegnerischen Fans; endlich verachtet man uns auch mal so richtig!
b) als erbärmlicher Kleinkrämer (auch wenn wir alle zusammenlegen könnten und dennoch nicht einen Bruchteil des Vermögens dieses Kerls jemals auf einem Haufen sehen würden), als erbärmlicher Kleinkrämer jedenfalls im Kreis der multimilliardenschweren Global-Player einfach nicht mitspielen kann. Die Welt-Konzerne, die Hopps und Mateschitze sind einfach eine andere Liga als Sie, Herr Kind. Sie machen sich nur einfach lächerlich, wenn Sie in einer Reihe mit denen stehen wollen.
Dass aber so ein kleinkarierter Angeber daherlaufen und uns öffentlich in einem Atemzug mit diesen Konstrukten nennen darf, das allein hätte ich niemals für möglich gehalten.
Perversion Nr. 2 Da wird vor 121 Jahren, als selbst Kind noch lange nicht flüssig war, ein „gemeinnütziger Verein“ gegründet. Ein Zusammenschluss von Menschen in demokratischer Selbstorganisation, der im Vereinsregister ganz einfach und fantasielos und ohne perverse Ergüsse irgendwelcher Marketing-Fuzzis Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V. heißen durfte und musste und jetzt allen Ernstes glücklich sein darf, diesen Vereinsregister-Namen überhaupt noch führen zu dürfen. Ich glaube, ich muss „Alter96er“ ganz schnell markenrechtlich schützen, sonst darf ich irgendwann gar nicht mehr so heißen, wie ich heiße.
Perversion Nr. 3 Ich soll jetzt im Stadion eine regionale Marke anfeuern? Geht‘s noch? Schon „HSV“ zu brüllen, ist alsbald vereinsrechtlich falsch. Der „HSV“ ist an dem, was sich da auf dem Gras abspielt, gar nicht beteiligt. Der „HSV“ leckt derweil die Wunden hinsichtlich der Überschuldung durch die Stammestraße, die ganz überraschend auch durch eine Vielzahl von Austritten von Mitgliedern nicht mehr zu stemmen ist.
Warum auch brüllen? Nicht mehr lange, dann benötigt ein Kind uns nicht mehr. Die Eintrittsgelder und Kartenverkäufe sind doch sowieso im Gesamt-Etat nur noch Fliegenschiss. Es genügen riesige Leinwände, die die Ränge verhüllen. Auf diese projizieren irgendwann in der Zukunft riesige Beamer wahlweise 50.000 oder 100.000 digitale Fangesichter, die sogar digital Pyro zünden dürfen und wahlweise die Marke „96“ oder die des Haupt-Sponsors auf digitalen Bannern in die Luft halten. Und an einem riesigen sechsmanualigen Tasten-Computer spielt irgendein Fuzzi – wie in amerikanischen Sitcoms – wahlweise Beifall, Jubel oder Fan-Gesänge ein.
Perversion Nr. 4 In diesem Land ist längst alles, was irgendwie zu entscheiden und Meinung widerzuspiegeln hat, vollständig gleichgeschaltet. Nicht zuletzt vor allem die Entscheider. In Vorstand und Aufsichtsrat wurde schlicht versagt. Ich würde ja zu gern wissen, in welcher Form die unkritische Willfährigkeit letztlich belohnt wird und wurde. Und wenn es das Letzte ist, was ich als stimmberechtigtes Vereinsmitglied vor dem Austritt noch tun werde: dem Vorstand die Entlastung zu versagen, wird mir eine Pflicht sein.
In meiner schmutzigen Fantasie sehe ich „regionale Investoren“, die hier bei einer regionalen Bank ein Konto auf ihren Namen anlegen, auf das dann die Gelder der Oligarchen aus Russland fließen, zu denen der Armani-Anzug-Amigo beste Kontakte pflegt. Man trifft sich im Keller. Zum Krökeln.
Und in der Madsack-HAZ kommentiert ein völlig Ahnungsloser (als Spiegelbild so vieler vielleicht) in einer dünnen Spalte, dass es doch nur von Vorteil sei, wenn jetzt mehr Kapital fließt. Das ist alles wie in einem miesen Hollywood-Film. Nur dass es keinen heldenhaften Retter gibt.
Hoffnung? Auf juristische Lösungen? Auf den armen Ehrenrat? Es erscheint hoffnungslos.
.
.
.
.
Ganz besonders gefällt mir an diesem Beitrag, daß er die Unterschiede zwischen Dosenblech Leipzig, Bayer, Hoppelbach und eben Hannover 96 berücksichtigt und mir daher erst richtig vor Augen führt, daß es sich bei Hannover 96 um den ersten Fall handeln wird (davon gehe ich 1896 % ig aus), in dem ein "echter" e.V. mit einer Tradition von über 100 Jahren mit mehr oder weniger, sowie früherer oder späterer, Gegenwehr von einer aus welchen Motiven auch immer handelnden Einzelpersion vereinnahmt wird. Dieses Vorgehen könnte im Übrigen aus meiner Sicht auch die Blaupause für den anderen HSV bilden.
Zwischen den Zeilen lese ich abschließend auf jeden Fall einmal mehr die Aufforderung "den Anfängen zu wehren" und auch wenn "meine" Vereine in dieser Hinsicht außer Gefahr scheinen, ist meine Wachsamkeit durchaus wieder geschärft worden. Dies aber grundsätzlich und ohne personenbezogenes Misstrauen.