Mein erstes Spiel war so mit acht Jahren, mit Bruder und Vater. Auf der Betontribüne musste man sich zwischen den breiten Körpern der Männer durchquetschen, um als Zwerg mal was zu sehen. Die waren keinesfalls so freundlich zugewandt gegenüber kleinen Jungs, wie heute, wenn man da jemand anstiess, gab es gleich ein paar gepflegte Worte, und im Zweifel zog einen der Vater noch leicht am Ohr. Damals war auch noch nicht die Zeit, dass man mit gucken voll beschäftigte Väter mit eigenen Wünschen oder Nachfragen nach dem Spielverlauf etc.pp. nervte. Und die zweite Halbzeit über hatte ich dann sowieso keine Lust mehr, auf Zehenspitzen zu stehen, und sass auf den Betonstufen rum, bis es endlich vorüber war. Trotzdem war da was in der Luft, was ich mitnahm, und als wir zum nächsten Spiel fuhren, freute ich mich doch drauf, trotz der erwartbaren Endlosigkeit. Damals kamen mir übrigens auch Spiele im Fernsehen immer endlos vor.
Ich weiss nur noch, dass Dietz gespielt hat, auf den ich mehrmals durch meinen Vater und den älteren Bruder hingewiesen wurde, ohne dass mich der Typ jetzt gerade vom Sockel gerissen haben würde. Wenn mich nicht alles täuscht, ist das Spiel eins zu eins ausgegangen. Mein Vater hat mir dann, als ich mich mehr für Fussball zu interessieren begann, vermittelt, dass man nicht Fan einer weit entfernten Mannschaft sein soll, sondern Fan einer Fussballmannschaft in der Region. Das war eine Zeitlang ein innerer Kampf für mich, aber ich fühlte mich am Ende doch verpflichtet, zum nie sonderlich glamourösen MSV zu halten. Was meinem älteren Bruder natürlich nicht einfiel, aber Vattern nahm mich dann gegen seine Hänseleien energisch in Schutz.
Jetzt ist es ein Teil meiner Jugend insgesamt. Alles, was damals lief mit Fussball, ob gut oder schlecht, ist irgendwie in dem einen Logo, in dem einen Namen, in diesem Stadion zusammengeflossen. Aber auch alles, was noch war, meine durch den Grossraum Duisburg insgesamt geprägte Jugend, die Tatsache, dass meine mittlerweile verstorbene Mutter Teil jener ursprünglich aus dem Osten stammenden Arbeiterkultur gewesen ist, welche das Ruhrgebiet prägte, meine Urgrossväter alle auf der Hütte arbeiteten. Ich bin zwar ohne ernste körperliche Züchtigungen, aber doch eher streng erzogen worden und habe nach meinem Auszug von zuhause erst mal ausgiebig Freiheitsgefühl/Abstand benötigt.
Dann bin ich in das alles, als ich selbst Kinder hatte, praktisch von rückwärts gesehen wieder reingewachsen. Und der MSV ist irgendwie eine Kultstätte geworden, die alles das repräsentiert, ohne das ich nicht geworden wäre, was ich bin. Wie gesagt, im Guten und im Schlechten, ich stehe dazu, weil ich mich sonst selbst verleugnen müsste. Mittlerweile bin ich in einem Alter, wo man das sowieso nicht mehr muss. Und jetzt bedeutet die Zeit im Stadion für mich nur noch eins, nämlich die reine, unverstellte Freiheit. Wie ein Urlaubstag am Meer, so in etwa.