Ich hatte letzte Woche das große Glück, mich mit Sasic etwas länger als eine Stunde unterhalten zu dürfen und da ich dort in eine ziemlich privilegierte Situation gerutscht bin, sollte man vielleicht die Erkenntnisse dieses Treffens kurz mitteilen, auch wenn es eigentlich nichts neues gibt, aber nun gut:
Vorneweg: Ich habe mit Sasic ziemlich lange diskutiert, ihn also gefragt, warum er es mit Tararache und Schlicke auf außen versucht hat, wie die Szene mit Tararache bei der Partie gegen Oberhausen zu bewerten ist, warum die Mannschaft in Spielen wie gegen Rostock, Augsburg etc. nahezu ausschließlich mit hohen Bällen arbeitet und und und. Wir waren also ziemlich weit von einem Speichellecker-Treffen entfernt, auch wenn ich Sasic nachher ein paar biographische Dinge gefragt habe und es war verblüffend, wie intensiv Sasic in jedem der angesprochenen Punkte Rede und Antwort stand. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich mittlerweile sechs Bier im Kopf hatte und mein Sprachvermögen langsam aber sicher Richtung Wupper tendierte.
Nun gut, fassen wir die Aussagen zusammen: Sasic legt laut Eigenauskunft unglaublich viel Wert auf Disziplin, Ordnung ist bei ihm alles, auch wenn er die kreativen Momente eines Spiels zu schätzen weiß. Er weiß aber ebenso, welches Spielermaterial ihm zur Verfügung steht und wieviel Kreativität er von diesem erwarten kann. Anders formuliert: Haste nix, machste nix. Diese Ordnungsliebe, die manche als Ersticken von kreativen Elementen auffassen, bedeutet im Umkehrschluß, dass alle verpflichtet sind, an einem Strang zu ziehen und ihr Berufsbild zu erfüllen. Taktische Ordnung bedeutet bei Sasic nicht Dienst nach Vorschrift. Er ist aber auch kein Stratege wie van Gaal, der Wert auf langen Ballbesitz legt oder Guardiola, der eine klare, typische Barca-Strategie verfolgt. Sasic will 100%-Einsatz und zwar in jedem Spiel. Dies hat zur Folge, dass das ganze Team, so seine Aussage, eine Aufwertung gewinnt, wenn jeder für jeden arbeitet und man sich wechselseitig auf dem Spielfeld hilft. Sieht er dies alles nicht, wirds ungemütlich, wobei er es ebenso zu schätzen weiß, wenn Leute sich wieder anbieten und zeigen, dass sie wieder da sind. So würdigte Sasic interessanterweise das Tor von Björn Schlicke im Spiel gegen Berlin, derweil mein Hinweis, dass es sich dabei um ein pures Zufallsprodukt handelte, mit einem lächelnden "Er hats aber gemacht" gekontert wurde. Sasic mag Effizienz, soviel steht fest.
Fragt man einige der Leute, die beruflich mit Sasic zu tun haben, so bleibt wohl wirklich die Erkenntnis übrig, dass diese väterlich-diktatorische Art nicht jedermanns Sache ist. Ein Koblenzer Spieler gab zu Protokoll, dass man Sasics Arbeit erst im Laufe der Zeit zu schätzen weiß und man jederzeit seinen Unmut zu spüren bekommt, wenn man nicht zu 100% bei der Sache ist. Ich weiß nicht, ob der Radikalschock, den die Spieler nach der Neururer-Larifari-Einszweidrei-Nummer erfahren haben, nicht der eigentliche Grund war, warum manche Profis erst einmal in Schockstarre verfielen, aber ich will mir darüber auch kein Urteil erlauben.
Fakt ist, dass ich Sasic wohl erst im Laufe der nächsten Saison bewerten werde und zwar unter der Prämisse, welches Saisonziel zu Protokoll geben wird. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dieser Mensch ein junges Team aufs Feld schicken kann, welches sich explizit an seine Vorgaben hält und das von ihm intensiv gehegt und gepflegt wird und sich nach und nach entwickelt. Was seinen Arbeitsethos angeht, passt er perfekt in diesen Verein, ebenso was die Menschlichkeit angeht, mit der er mir und meinen Fragen begegnet ist. Er hat noch viel intensiver über diese Mannschaft und diesen Verein gesprochen, als ich es hier darstellen kann, aber es sei angemerkt, dass über allem der Begriff "Arbeit" steht und damit kennen wir uns hier ja bestens aus.
Ob Sasic strategisch-taktisch der richtige Trainer ist, weiß ich nicht, und vielleicht noch ein Wort zu der heiß geliebten Phrase "Spielkultur". Natürlich handelt es sich bei dem Begriff um einen ziemlich inhaltsarmen, denn Spielkultur wird immer offensiv ausgerichteten, aktiven Teams attestiert, womit du dreiviertel der Liga eintüten kannst, denn das haben nunmal wirklich nicht viele. Wenn Spielkultur aber bedeutet, dass man der Mannschaft einen erkennbaren Plan ansieht, dann haben wir diese zumindest in unserer Defensivorientierung hinlänglich bewiesen. Ich glaube, dass es eher um die spielerischen Elemente geht, also Passkombinationen über drei, vier Stationen, mit Laufwegen, intensivem Einsatz, Nachrücken etc. Also dass, was man gesehen hatte, als Wagner und co. zum Auftakt der Saison die Cottbuser wild durcheinander wirbelten. Nimmt man das als Maßstab, dann haben sie diese nur in den allerwenigsten Momenten gezeigt und die Frage bleibt, ob dieses Team dazu überhaupt kontinuierlich in der Lage wäre. Das Gebilde war die ganze Saison über fragil, Spieler wurden gewechselt, der Sturm knickte komplett weg, einige haben sich verletzt und waren nicht mehr aufzufinden. Vielleicht ist es sogar bemerkenswert, dass dieses Team überhaupt so lange noch die theoretische Möglichkeit hatte, oben mitzuspielen. Nun ja, ich bin da unentschieden.
Summa summarum: Ich habe meine "spielerischen" Bedenken bei Sasic, gar keine Frage, die Aufstellung gegen Augsburg fand ich extrem gewöhnungsbedürftig, die Wechsel kann ich auch nicht immer nachvollziehen. Aber ich bin auch kein ausgebildeter Fußballtrainer. Um Sasic komplett zu verurteilen, müsste ich ihm die Verantwortung für dieses Team zuschustern und die hatte er in dieser Saison noch nicht zu 100%. Unter der besonderen Berücksichtigung, dass wir uns auf einen Kader unbekannter, neuer, hoffentlich junger Spieler einrichten können, glaube ich, dass zumindest der Arbeitseinsatz unter diesem Trainer stimmen wird. Ob wir in der nächsten Saison auch "spielerische" Elemente zu Gesicht bekommen, vermag ich nicht zu sagen. Die Frage, ob diese hinsichtlich unseres demütigen Saisonziels dann überhaupt vonnöten sind, ist eine andere. Für mich immer noch eine schwierige Kiste, aber vorsichtig formuliert: Ich würde es auf einen Versuch ankommen lassen.